Der Nationalrat hat das Wort

Tabu-Zonen

In der Politik sei es mitunter heikel, gewisse Positionen zu vertreten, meint SVP-Nationalrat Thomas de Courten. In dieser Kolumne teilt er seine durchaus umstrittene Meinung.

Thomas de Courten
(Bild: Tobias Sutter/Collage Bajour)

Meinungsvielfalt ist eine Grundvoraussetzung der Demokratie. Vielfalt bedingt aber selbstverständlich zuerst Meinungsfreiheit. Und diese setzen wir in unserem politischen System grundsätzlich voraus. Und doch sind die Grundsätze im Alltag keine Selbstverständlichkeit. Es gibt heisse Eisen und Tabuzonen. Beispiele gefällig?

Wer sich im Rahmen der aktuellen Klima-Debatte aktiv für eine innovative und sichere Atomenergie einsetzt, sachlich mit CO2-Ausstoss und Versorgungssicherheit argumentierend, wird gemäss meiner Beobachtung unverzüglich als Fukushima-resistenter Umweltterrorist verdammt.

Wer sich im Nahostkonflikt nicht auf die Seite Israels schlägt, gerät sofort in den Pauschalverdacht des Judenhassers. Wer die Dominanz der USA als Weltpolizei anzweifelt, wird meiner Meinung nach bald der Al-Quaida-Mitgliedschaft verdächtigt und wer sich als Palästinenser- oder gar als Putinfreund outet, ist ohnehin ein Terrorist bzw. Antipazifist. 

Thomas de Courten
Der Nationalrat hat das Wort

Was haben unsere Vertreter*innen in Bern zu sagen? Im Wahljahr überlassen wir regelmässig unseren nationalen Politiker*innen den Platz. Heute Thomas de Courten. Zugegeben, seine Definition von Meinungsfreiheit brachte die Redaktion etwas an die Grenzen. Aber die Kolumne heisst nun mal «der Nationalrat hat das Wort». De Courten, Jg. 1966, ist in Oberwil aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach einigen Wanderjahren lebt er seit gut 25 Jahren im Oberbaselbiet in Rünenberg. De Courten hat drei Kinder, die erfolgreich auf eigenen Beinen stehen. Beruflich ausgebildet als eidg. dipl. Betriebsökonom, ist er als Unternehmer und Verwaltungsrat tätig. Seit 2011 politisiert Thomas de Courten als Nationalrat der SVP für den Kanton Basel-Landschaft.

Wer sich für das traditionelle Familien- und Gesellschaftsmodell einsetzt, gegen ein Kinder-Adoptionsrecht für nicht selbst gebärfähige schwule Paare zur Wehr setzt, wird umgehend als gesellschaftspolitischer Hinterwälder in der Luft zerrissen. 

Oder wer es wagt, darauf hinzuweisen, dass ausserfamiliäre Kinderbetreuung nach DDR-Modus, wie sie meiner Meinung nach zunehmend auch die Schweiz praktiziert wird, keineswegs immer im Sinne des Kindeswohles ist, wird umgehend des groben Unfugs und der Inkompetenz bezichtigt. 

In der (ver-)öffentlichten Meinung kommt viel besser weg, wer mantrahaft darauf drängt, dass Vater und Mutter gescheiter arbeiten gehen, statt sich zuhause um die Kinder zu kümmern. Angesichts des aktuellen Fachkräftemangels wird nun sogar mit wirtschaftspolitischen Argumenten gefordert, dass Kinderkrippen mit noch mehr Steuergeldern unaufhörlich weiter zusatzfinanziert werden. 

Studie zu Kinderbetreuung

Daran ändern auch renommierte Professoren wenig. Sie hatten mit wissenschaftlicher Methodik nachgewiesen, dass in einer Gesellschaft, in der Fremdbetreuung zur Regel wird, die Kinder zunehmend «verschlossener, mürrischer, unglücklicher, ängstlicher, depressiver, aufbrausender, unkonzentrierter, fahriger, aggressiver und häufiger straffälliger» werden. 

Eine 15-jährige Langzeitstudie in den USA ergab, dass je mehr Zeit Kinder «kumulativ in einer Einrichtung verbrachten, desto stärker zeigten sie später dissoziales Verhalten wie Streiten, Kämpfen, Sachbeschädigungen, Prahlen, Lügen, Schikanieren, Gemeinheiten begehen, Grausamkeit, Ungehorsam oder häufiges Schreien» – insgesamt alles recht aggressive Verhaltensweisen.

Unter den ganztags betreuten Kindern zeigte ein Viertel im Alter von vier Jahren Problemverhalten, das dem klinischen Risikobereich zugeordnet werden muss. Später konnten bei den inzwischen 15 Jahre alten Jugendlichen signifikante Auffälligkeiten festgestellt werden, unter anderem Tabak- und Alkoholkonsum, Rauschgiftmissbrauch, Diebstahl und Vandalismus.

Politische Meinungen im Alltag vertreten

Wissenschaftlich begründet wurden diese Beobachtungen mit der dauernden Stresssituation, der Kinder schon im Babyalter ausgesetzt werden, wenn sie sie ausserhalb des heimischen Nestes der elterlichen Obhut entzogen und der Professionalität und dem hektischen Umfeld der Ganztagskrippe übergeben werden. 

Ich kann und will die Wissenschaftlichkeit dieser Aussagen nicht selbst überprüfen. Sie decken sich aber mit aktuellen Erfahrungen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Und neben der Kinderfremdbetreuung werden politisch gleichzeitig unzählige Präventionsprogramme gegen ausufernden Jugendalkoholismus, immer brutalere Jugendkriminalität, Hooliganismus und Vandalismus propagiert.  

Also kann man unpopuläre, aber unbestritten wissenschaftliche Thesen in politischen Tabu-Zonen auch als persönliche politische Meinung im Alltag vertreten? Durchaus! Nur schon, um wenigstens die Diskussion wieder anzuregen.

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