Basler*innen müssen im Kino und im Club wieder Maske tragen
Eine neue Virusmutation und steigende Zahlen verunsichern die Menschen. Jetzt zieht Basel-Stadt die Schraube an, aber nur leicht. Auf was müssen wir uns an Weihnachten einstellen? Kantonsarzt Thomas Steffen weiss es.
Basel und der Rest von Europa stecken mitten in der fünften Corona-Welle. Die Booster-Impfung steht zwar für die breite Bevölkerung bereit, doch die Fallzahlen steigen und es gibt immer mehr Impfdurchbrüche.
Für den Kanton Basel-Stadt ist die aktuelle Situation Grund genug, die Massnahmen ab 1. Dezember 2021 anzupassen: In vielen Bereichen gilt ab morgen zusätzlich zu 3G auch Maskenpflicht, Veranstaltungen ab 300 Personen müssen gemeldet werden, im Restaurant darf man nur noch sitzend am Tisch essen und trinken.
Gerade mit Blick auf die anstehenden Feiertage fragen sich viele Menschen: Ist es noch vertretbar, auszugehen oder die Grosseltern zu besuchen? Thomas Steffen, den Kantonsarzt von Basel-Stadt, sagt im Interview mit Bajour, was in den nächsten Wochen auf uns zukommt.
Thomas Steffen, wissen Sie schon, wie Sie Weihnachten verbringen? Was empfehlen Sie den Menschen in Basel?
Wir als Dienststelle haben gerade unser Weihnachtsfest verschoben auf den Frühling. Innerhalb der Familie ist es auf jeden Fall wichtig, über das Thema zu reden. Denn nicht alle Verwandte sehen es gleich und gerade mit den Grosseltern kann es emotional werden. Als Schutz empfehle ich, entweder geimpft oder getestet zu sein. Wenn man Leute aus Risikogruppen dabei hat, sollte man sich absprechen, ob sie sich wohlfühlen und eventuell ein kleineres Setting wählen.
Wie gross ist ein kleineres Setting?
Dazu gibt es noch keine fixen Regeln, aber generell sind Räume gut, in denen man die klassischen Abstandsregeln einhalten und gut lüften kann. Ich würde eine Gruppe von sechs bis zwölf Leuten empfehlen, je nach Raumgrösse.
Viele Menschen sind momentan unsicher, ob sie überhaupt noch abmachen oder ins Theater gehen sollen. Was raten Sie?
Ich empfehle, die Kontakte zu reduzieren, aber das heisst nicht, keine Kontakte mehr zu haben. Wir haben einmal mehr gelernt, wie wichtig es für die Menschen ist, nicht komplett alleine zu sein. Das kann einschneidende Nebenwirkungen haben. Es braucht ein gesundes Gleichgewicht. Auch Geimpfte sollten Maske tragen und sich nicht zu sehr auf ihre Impfung verlassen, selbst wenn sie nicht schwer krank werden. So kann jeder mithelfen, das Virus einzudämmen und stärkere Massnahmen zu verhindern.
«Ich empfehle, die Kontakte zu reduzieren, aber das heisst nicht, keine Kontakte mehr zu haben.»Thomas Steffen, Kantonsarzt Basel-Stadt
Lautet Ihr Tipp, so wenig wie möglich zu unternehmen?
Man sollte achtsam mit seinen Kontakten umgehen und schauen, dass man auf der sicheren Seite bleibt und ab und zu lieber auf eine Party verzichtet. Man sollte sich aber im Moment nicht so stark einschränken, dass es als zu einschneidend empfunden wird.
Was sagen Sie zu Ferienplänen?
Das kommt darauf an, wohin es geht. An vielen Orten kann man sich so sicher verhalten wie zu Hause, je nachdem wo man hinfährt. Am Wochenende wurden viele Menschen bei ihrer Rückreise von der Quarantänepflicht kalt erwischt. Je weiter man wegfährt, desto höher ist das Risiko, dass die Reise nicht so endet wie geplant.
Wir steuern mit recht grosser Geschwindigkeit und mit hohen Fallzahlen auf den zweiten Corona-Winter zu. Wird es dieses Mal eine ähnlich einsame Zeit werden?
Ich habe eigentlich immer noch die Hoffnung, dass es nicht ganz so einschneidende Massnahmen brauchen wird wie letztes Jahr. Die Situation ist aber nicht so, wie wir uns das letzten Sommer gewünscht hatten und wie wir die Lage gern unter Kontrolle hätten.
Delta füllt grad die Intensivbetten.
Ja, da werden wir in den nächsten zwei Wochen darauf reagieren müssen, damit es zu keiner Überlastung kommt.
«Im Hinblick auf Delta und auch die neue Variante dürfte eine Vereinheitlichung der Massnahmen zwischen den Kantonen hilfreich und nötig sein.»Thomas Steffen, Kantonsarzt Basel-Stadt
Der Kanton Basel-Stadt führt neu wieder die Maskenpflicht an Veranstaltungen, in Clubs oder Fitnesszentren ein. Reicht das?
Im Moment sind wir noch in der Phase, in der Kantone die Massnahmen selbst einführen, und ich gehe davon aus, dass sich verschiedene Kantone noch bewegen werden.
Die Kantone und der Bund spielten sich in den letzten Wochen gegenseitig den Ball zu, niemand wollte Verantwortung übernehmen. Heute tagt der Bundesrat wieder.
Ich gehe davon aus und hoffe, dass der Bund auch Massnahmen bringen wird. Im Hinblick auf Delta und auch die neue Variante dürfte eine Vereinheitlichung der Massnahmen zwischen den Kantonen hilfreich und nötig sein.
Wo könnte es mehr Einschneidungen geben?
Über die Grösse von Veranstaltungen wird sicher diskutiert werden, aber ich rechne im Moment mit nicht so einschneidenden Massnahmen wie letzte Weihnachten. Das kommt aber darauf an, wie der Verlauf sein wird und wie gut wir steuern können. In ein bis drei Wochen könnte das Thema kostenlose Tests wieder ein Thema werden. Denn die, die sich impfen lassen wollten, haben das getan. Die kostenpflichtigen Tests waren nicht so eine grosse Motivation zur Impfung wie erhofft.
Welche Massnahmen halten Sie für nötig, welche für politisch wahrscheinlich?
Wir versuchen mit einem Massnahmen-Mix eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Ich denke, ein Teil-Lockdown wäre das allerletzte Mittel als eine Art Notbremse, bevor der Spitalbereich ausfallen würde. Das funktioniert dann immer. Aber die Schwelle dafür ist momentan recht hoch.
«Ein Teil-Lockdown wäre das allerletzte Mittel als eine Art Notbremse, bevor der Spitalbereich ausfallen würde.»Thomas Steffen, Kantonsarzt Basel-Stadt
Sollten wir auf Homeoffice und Homeschooling umstellen?
Beim Homeoffice kann es sein, dass sich der Bund schon bald empfehlend mehr dafür ausspricht. Ich rechne aber im Moment nicht mit einer Pflicht fürs Daheimbleiben bei der Arbeit, auch nicht in den Schulen. Dort wird der Bund eher noch mehr Druck auf die Kantone ausüben, dass überall seriell getestet und Maske ab der 5. Primarklasse getragen wird. Und ich glaube, dass die Impfung bei Kindern in nächsten Wochen Thema wird.
Die neue Virusvariante Omikron macht sich breit und verdrängt womöglich bald die Delta-Variante. Was bedeutet das für die Menschen in Basel-Stadt?
Das ist eine Herausforderung, da es bei der möglichen Wirkung auf die Impfung und der Ansteckungsdynamik noch viele Fragezeichen sind. Aber wir müssen die neue Variante sehr ernst nehmen. Im Moment trifft es vor allem Rückreiser wegen der Quarantäne, deshalb mussten wir am Wochenende das Contact Tracing umbauen, um auf diese Fälle schnell reagieren zu können.
Müssen wir uns in Basel sorgen machen, dass Omikron Überhand nimmt?
Es könnte bald Fälle auch in Basel geben, aber in den nächsten Wochen wird das noch nicht entscheidend sein. Noch ist Delta unser grösstes Problem. Vor Weihnachten wird Omikron mit grosser Wahrscheinlichkeit keinen grossen Einfluss auf die Bevölkerung haben. Unser Ziel ist es allerdings, die Verbreitung der neuen Variante so weit wie möglich hinauszuzögern und sicher durch den Winter zu lotsen.
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Was sagen Sie den Menschen, die noch zögern bei der Anmeldung zum Booster, weil sie nicht wieder zwei Tage mit Fieber flach liegen wollen?
Der Booster sensibilisiert die Abwehr. Der Körper hat dann über Wochen und Monate viel mehr Abwehrstoffe. Der Booster ist also zum Eigenschutz da, ausserdem erschwert er dem Virus die Ausbreitung. Vor allem Menschen ab 50 oder mit Gesundheitsrisiken, die deutlich gefährdet sind, empfehle ich die Auffrischimpfung. Bei einem 25-Jährigen ist hingegen die Erstimpfung wichtiger als der Booster, weil die positiven Effekte für ihn und die Gesellschaft grösser sind.
Manche Menschen glauben nicht, dass die Booster-Impfung etwas bringt, weil sich aktuell immer wieder Geimpfte anstecken und das Virus weitergeben. Wozu ist sie dann gut?
Das ist mit der Grund, warum es Booster gibt. Sie sollen die Impfdurchbrüche deutlich zurückdrängen. Je länger die Impfung her ist, desto wahrscheinlicher wird der Impfdurchbruch. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, an Covid zu sterben mit Impfung elfmal kleiner als ohne.
Hätten Sie gedacht, dass die Infektionszahlen trotz verfügbarer Impfung wieder so hoch steigen würden wie aktuell?
Ich habe schon letzten Dezember gesagt, wir müssen der Bevölkerung ins Bewusstsein zurückrufen, dass Impfungen zu den segensreichsten medizinischen Entwicklungen in der Geschichte gehören. Und ich hatte damals das dumpfe Gefühl: Wenn sich zu wenige impfen lassen, bekommen wir die Pandemie nicht in den Griff. Aber dass wir uns jetzt in einer 5. Welle befinden würden, die höhere Fallzahlen hervorbringt als jede zuvor, hätte ich trotzdem nicht gedacht.