Die Staatsanwaltschaft zieht durch
Der erste Prozesstag der sogenannten Klimaprozesse gegen Aktivist*innen begann mit einer Überraschung: Die Grossbank UBS zog sich aus dem Verfahren zurück. Trotzdem könnte es in den kommenden Wochen zu zähen Verhandlungen kommen. Der Bericht vom Gericht.
Eine Überraschung platzte gleich zu Beginn der sogenannten Klimaprozesse am Basler Strafgericht in den Saal 02: Die UBS hatte dem Strafgericht am 23. Dezember 2020 eine sogenannte Desinteressenserklärung überwiesen und damit den Strafantrag an die Klimaaktivist*innen zurückgezogen. Das sagte die Gerichtspräsidentin Susanne Nese (SP) zum Auftakt der Prozesse.
Die Grossbank hat sich mit den Klimaaktivist*innen auf einen Vergleich geeinigt. Über den Inhalt des Vergleichs wurde Stillschweigen vereinbart, und das wurde von den Verteidigern auch eisern eingehalten. Die Richterin und der Staatsanwalt hätten gerne das eine oder andere Detail zum Deal erfahren. Wann wurde er abgeschlossen? Wer machte den ersten Schritt? Vergeblich.
Im Sommer 2019 blockierten Umweltaktivist*innen Banken in Basel und Zürich. Fünf von ihnen stehen jetzt vor Gericht. Was damals passiert ist, liest du hier.
Die Bank war also draussen. Der Prozess hätte zu diesem Zeitpunkt für beendet erklärt werden können, denn wo keine Klägerin, da keine Angeklagten. Oder?
Wer so denkt, hat seine Rechnung ohne die Staatsanwaltschaft gemacht. Diese war vor Gericht in Person des Basler Staatsanwalts Roman Barth vertreten, und der hielt im Namen der Behörde an den Strafanträgen fest. Es seien ausreichende Hinweise vorhanden, dass die Straftatbestände Landfriedensbruch, Nötigung und Sachbeschädigung gegeben seien. Das sind Offizialdelikte, die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, diese zu verfolgen.
Die Verteidiger*innen der fünf Angeklagten versuchten vor dem offiziellen Beginn des Prozesses, den Start der ganzen Prozessreihe zu kippen. Sie beantragten eine*r nach dem*der anderen, den Strafantrag der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen und argumentierten, die Voraussetzungen für die Strafbefehle seien nicht gegeben.
Der Staatsanwalt widersprach. Es gebe genug Beweise, insbesondere die Sachbeschädigungen seien durch Fotos und Videos hinreichend belegt. Die Angestellten hätten die Bank zwischenzeitlich nicht betreten können, das sei als Nötigung zu werten.
Dann warf die Verteidigung der Staatsanwaltschaft vor, sie bediene sich, wie bei den Nazifrei-Prozessen, sehr grosszügig am Paragraphen Landfriedensbruch, um eine ganze Gruppe von politischen Aktivist*innen zu kriminalisieren. Daraufhin entgegnete Barth von der Stawa: «Gewalt gegen Personen ist an diesem Tag nicht angewendet worden, das stimmt, wohl aber Gewalt gegen Sachen.» Und das reiche für den Straftatbestand des Landfriedensbruchs aus.
Die Strafbefehle machen als Sachbeschädigungen vor allem Kohlezeichnungen und Kritzeleien geltend. Wie hoch die Schadenssumme ist, bleibt zu klären, die Staatsanwaltschaft rechnet mit rund 80'000 Franken.
Gegen Mittag war der erste Aufreger vom Tisch
Die Gerichtspräsidentin hörte sich die Eröffnungsrunde der Verteidigung und das Statement des Staatsanwalts an, beriet mit der Gerichtsschreiberin und entschied: Die Prozesse finden statt. Der Antrag auf Rückweisung der Strafanträge wurde abgelehnt. Es gebe viel Video- und Foto-Material, die Strafbefehle seien formal zulässig.
Der Anklagepunkt Hausfriedensbruch werde allerdings fallengelassen, weil ja die UBS kein Interesse mehr zeige an einer Strafverfolgung.
Damit war der erste Aufreger vom Tisch. Am Nachmittag wurden die ersten Zeugen vernommen, ein Banker und der Einsatzleiter der Polizei. Wir von Bajour haben den Prozess auf Twitter chronologisch protokolliert mit Details zu den Befragungen.
Ein Moment stach am ersten Prozesstag heraus und blieb besonders in Erinnerung: Die Verteidiger*innen hatten wiederholt auf die gesellschaftliche Bedeutung des Klimaschutzes hingewiesen, das Wort «Klimanotstand» fiel. Der Aktionstag vor den Toren der UBS müsse unbedingt vor dem Hintergrund der weltweiten Klimabewegung bewertet werden, fand Verteidiger Andreas Noll.
Diese Faktoren könne sie bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigen, sagte die Richterin, beinahe entschuldigend: «Wir sind hier nicht an einer Klimakonferenz. Das hier ist ein Strafverfahren.»
Das war wohl auch ein Versuch, den Prozessen den symbolischen Wind aus den Segeln zu nehmen. Vor dem Strafgericht Lausanne waren Anfang 2020 Klimaaktivist*innen nach einer Tennisspiel-Aktion in einer Bank in erster Instanz freigesprochen worden, mit der Begründung, sie hätten angesichts der drohenden Klimakatastrophe keine andere Protestform wählen können. Der Richter sprach gar von einem «rechtfertigenden Notstand».
Ähnliche Erwartungen an die Basler Prozesse hat Susanne Nese so womöglich im Keim erstickt.
Der weitere Fahrplan: Ab morgen Mittwoch, 6. Januar bis Ende Woche werden die einzelnen Strafbefehle behandelt. Die Plädoyers werden am 19. Januar verlesen. Die Urteilseröffnung für die fünf Fälle ist auf den 23. Januar datiert. Im selben Zeitraum beginnen weitere Prozesse gegen Klimaaktivist*innen in Basel.