Kriegt Bajour bald Geld von Rösti?
SVP-Medienminister Albert Rösti will Onlinemedien staatlich unterstützen. Der Anstoss kam von der Basler GLP-Nationalrätin Katja Christ. Was bedeutet das für die Online-Redaktionen am Medienplatz Basel?
Democracy dies in darkness. Der doch allzu seriöse Slogan der Washington Post lässt sich auch auf den Journalismus übertragen. Denn die Medienlandschaft ist keine idyllische und gemütliche: In der Schweiz müssen nicht nur die grossen privaten Zeitungsverlage wegen fehlender Werbeeinnahme sparen, gerade auch kleine, regionale bis lokale Online-Medien-Startups haben Mühe, sich zu behaupten. Das Winterthurer Wissenschaftsmagazin higgs wurde 2022 eingestellt, 2023 das Luzerner Kulturmagazin Kultz (das wie Bajour zu WePublish gehörte).
Bestrebungen, die Medienförderung zu modernisieren, gibt es schon länger. Der Versuch des Bundesrats, entsprechend zusätzliche Fördermittel zur Verfügung zu stellen, scheiterte jedoch Anfang 2022 an der Urne. Die Basler Nationalrätin Katja Christ (GLP) hatte schon im Wahlkampf zum Medienpaket ein Postulat eingereicht, wonach der Bundesrat eine detaillierte Strategie vorlegen sollte, die Modelle für eine «zukunftsgerichtete» (aber ehrlicherweise eher: eine der Gegenwart angepassten) Medienförderung aufzeigt.
Ob eine neugestaltete, staatliche Medienförderung in diesen Fällen die Rettung gewesen wäre, sei dahingestellt. Doch Fakt ist: Online-Medien erhalten heute vom Staat kein Geld, obwohl sie wie auch Printmedien zur Meinungsbildung und damit zu einem funktionierenden demokratischen System beitragen. Private Zeitungsverlage profitieren immerhin noch von der Zustellermässigung, also günstigere Zeitungszustell-Konditionen für die Presse.
Das hat SVP-Medienminister Albert Rösti nun getan: Vergangene Woche legte er den Bericht vor, dessen Ausführlichkeit sogar Katja Christ überrascht: «Das ist eine klare Auslegeordnung, die auch innovative Ansätze berücksichtigt.» Sie lobt dabei, dass der Bundesrat eine grosse Bandbreite von Fördermöglichkeiten vorstellt: Von kurzfristigen Massnahmen wie der Förderung der Ausbildung bei elektronischen Medien bis hin zur langfristigen Neugestaltung eines umfassenden, kanalunabhängigen Medienfördersystems (samt Printpresse und Service Public).
Für Letzteres müsste jedoch die Verfassung angepasst werden. Der Mut, das anzugehen, fehlt laut Christ dem Bundesrat ein bisschen: «Der Medienartikel in der Verfassung ist absolut veraltet. Aber es wäre natürlich ein grosser Kraftakt, diesen anzupassen. Wahrscheinlich möchte der Bundesrat auf Nummer sicher gehen und priorisiert deshalb die mittelfristig auf Gesetzesstufe umsetzbaren Massnahmen. Denn wir stehen jetzt schon an der Klippe einer Finanzierungskrise bei den Medien und nicht erst in ein paar Jahren.»
Konkret könnte man schon mit dem heutigen Medienartikel der Verfassung eine neue Förderung einführen, von der kanalunabhängig (also egal ob im Radio, TV oder Internet) alle elektronischen Medien ohne Leistungsauftrag profitieren – auch die Online-Portale der Verlage, zum Beispiel die Websites von BaZ und bz. Kleinere Medien sollen laut Bundesrat aber bevorzugt werden, Kriterien dafür könnte zum Beispiel die Anzahl der in der Redaktion beschäftigten Journalist*innen oder der Umsatz sein.
«Grundsätzlich wäre die Medienförderung für kleine Onlineredaktionen hilfreich», kommentiert Jan Amsler diesen Vorschlag. Amsler hat gemeinsam mit Alessandra Paone vergangenes Jahr die Redaktion von Onlinereports übernommen. Das Basler News-Portal ist onlinejournalistische Pionierarbeit, Peter Knechtli hatte die Seite vor mehr als 25 Jahren ins Netz gestellt und zu einer festen Grösse in der Basler Medienlandschaft aufgebaut.
Doch trotzdem stellt sich die Frage: Könnte Onlinereports überhaupt profitieren?
Das kommt sehr darauf an, wie aus Röstis Auslegeordnung konkrete Förderkriterien entwickelt werden: Amsler und Paone sind heute die einzigen festangestellten Journalist*innen bei Onlinereports. In der bundesrätlichen Auflistung möglicher Förderkriterien wird aber auch eine «Mindestanzahl Medienschaffender» genannt. «Wie gross müsste die Mindestanzahl sein? Gehören da freie Mitarbeitende auch dazu? Und Kolumnistinnen?», fragt sich Amsler. Für ihn ist noch vieles vage: «Die Bereitschaft zu einer neuen Medienförderung ist ein positives Zeichen, aber auch noch nicht mehr.»
Die Antworten von Medienminister Albert Rösti sind zu begrüssen, denn sie gehen auf die strukturellen Probleme der medialen Demokratieversorgung ein. Dass ein von einem SVP-Minister geführtes Amt zu diesen Antworten kommt, lässt hoffen. Die Kraft des Faktischen scheint sich durchzusetzen gegen ewige Verhinderungspolititk. Dass der Schwerpunkt der Förderung auf lokalen Medien liegt und insbesondere auf Online-Publikationen ausgeweitet werden soll, ist erfreulich. Heute bekommen reine Online-Medien wie Bajour, OnlineReports oder Prime News im Gegensatz zu gedruckten Medien wie BaZ und bz oder zu direkt geförderten Radio- und TV-Medien wie Telebasel keinerlei öffentliche Medienförderung. Bei einer Ausweitung der Förderung auf Online-Medien würde Bajour erstmals von einer Förderung profitieren. Wir könnten unser regionales, redaktionelles Angebot ausbauen und zahlreiche weitere Projekte und Projektideen finanzieren und umsetzen. Ohne Medienförderung würde Bajour vermutlich zwar weiterbestehen, denn wir budgetieren und arbeiten sauber und vorausschauend, aber der Preis wäre absolute Selbstausbeutung und eine Redaktion mit über 10 Personen wäre in diesem Fall unrealistisch.
Niccolo Brunetti, Geschäftsführer von Bajour
Als «schlauen Schachzug» sieht André Moesch, Geschäftsführer der Stiftung BaselMedia, die Auslegeordnung des Bundesrats: «Es ist nicht einfach, aus der Sackgasse der Medienförderung rauszukommen. Die Zeitungsverlage werden ungern auf die indirekte Presseförderung verzichten. Und die Akzeptanz für mehr Medienförderung ist fragil, wie die letzte Abstimmung gezeigt hat.»
BaselMedia betreibt den Fernsehsender Telebasel, das bereits heute von Fernsehgebühren profitiert, sowie das Onlineportal Baseljetzt. Die Gebühren, welche die Stiftung erhält, dürfen aber strikt und unter Kontrolle des Bundesamts für Kommunikation nicht für Onlineinhalte eingesetzt werden. Gerade Baseljetzt finanziert sich jedoch nicht von selbst, erklärt Moesch. «Auf die Dauer wird sich Baseljetzt nicht allein mit Werbeeinnahmen finanzieren können. Es wäre für uns also wichtig, wenn es eine eigenständige Finanzierung von Online-Medien gäbe. Deshalb ist die Idee des Bundesrats interessant, auch wenn sie bisher nur eine Idee ist.»
Die Feinjustierung dieser Idee könnte noch tricky werden – damit eben nicht grosse Medienhäuser die Franken abschöpfen könnten, die eigentlich zu den kleinen Start-ups fliessen sollten, die zur Meinungsvielfalt beitragen und mit der Medienmonopolisierung brechen. Andererseits müssen die Förderkriterien eben auch gewährleisten, dass journalistische Standards auch wirklich eingehalten werden und man nicht jeden x-beliebigen Blog oder YouTube-Channel fördert.
«Uns allen ist das Ziel klar: Wir wollen möglichst viele Medieninhalte.»Katja Christ, Basler GLP-Nationalrätin
Katja Christ weiss, dass diese konkrete Ausgestaltung nicht einfach wird, da man eben auch keine «Fehlanreize» setzen will: «Orientieren wir uns an Journalistenstellen oder Umsatz und gestalten dies degressiv aus um die kleineren im Verhältnis mehr zu stützen, gibt es immer auch Umgehungsmöglichkeit, um an mehr Fördergelder zu gelangen.» Doch Christ hat den Eindruck, dass es Mehrheiten im Parlament gebe, um dafür passende Lösungen zu finden: «Uns allen ist das Ziel klar: Wir wollen möglichst viele qualitativ hochwertige Medieninhalte.»
Der Call-to-action, den die bundesrätliche Auslegeordnung noch nicht enthält, müsse bald folgen. Christ sagt, sie werde sich in dieser Session noch damit beschäftigen, ob die parlamentarische Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen selbst ans Werk gehen oder ob es einen Vorstoss aus dem Parlament braucht. Hauptsache, jemand bringt den Stein ins Rollen.
Doch bis eine neue Medienförderung, die auch Online-Medien berücksichtigt, mal spruchreif ist, dürfte es noch eine Weile dauern. «Deshalb finden wir es wichtig, dass sich auch die Kantone damit befassen, wie sie die lokalen Medien fördern können, und nicht auf eine allfällige Bundeslösung warten», sagt Jan Amsler von Onlinereports.
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Wir haben auch Prime News angefragt. Herausgeber Christian Keller wollte aber gegenüber Bajour keine Stellung nehmen.
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