Polizist zu Demonstrant: «Danke für die Entschuldigung»

Im achten Prozess zu der Anti-Pnos-Demonstration vom November 2018 stand wieder die Frage im Zentrum: Wie gefährlich ist eine geöffnete Bierbüchse?

zvg
Eine Bierbüchse dieser Marke hat der Angeklagte ohne Absicht über die Schulter geworfen, sagt er. Und wenn er dabei einen Polizisten getroffen haben sollte, dann tue ihm das Leid.

Am Donnerstagmorgen ging am Basler Strafgericht der 8. Prozess gegen Teilnehmer*innen der Anti-Pnos-Demo über die Bühne. Die Verhandlung dauerte einen knappen halben Tag. Anders als bei manchen anderen Prozessen hatte sich vor dem Gericht keine Gruppe von Symphatisant*innen versammelt. Verhandlungsbesuche für Besucher*innen sind aufgrund der Corona-Sicherheitsmassnahmen aktuell ohnehin untersagt und so waren ausser dem berichtenden Journalisten keine Beobachter*innen zugegen.

Kurz vor 12 Uhr wurde das Urteil verlesen. Der Angeklagte wurde wegen Landfriedensbruchs, mehrfacher Drohung und Gewalt gegen Beamte und Behörden, sowie der Widerhandlung gegen das kantonale Übertretungsstrafgesetz und der Übertretung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu sieben Monaten bedingter Freiheitsstrafe bei zwei Jahren Probezeit verurteilt. 

Die Verfahrenskosten von 3665.80 Franken sowie die Urteilsgebühr gehen zulasten des 23-Jährigen. «Ich akzeptiere das Urteil», sagte der junge Mann nach der Verhandlung, er wolle nicht noch mehr Probleme. Vor Gericht hatte er mehrfach beteuert, es sei ihm darum gegangen, «die Demonstration der Faschisten zu stören» und wenn während dieser Demonstration Polizist*innen zu Schaden gekommen seien, dann tue ihm das Leid.

Im Saal sass zwischendurch auch ein Polizist. Er war als Zeuge vorgeladen worden und sagte, er sei während des Einsatzes am 24. November 2018 auf dem Messeplatz von einer halbleeren Bierbüchse am Helm getroffen worden. Bevor er nach seiner Befragung den Saal verliess, drehte er sich kurz um und sagte zum hinter ihm sitzenden Angeklagten: «Danke für die Entschuldigung.»

Wir behalten's im Auge.

Richterin Katharina Giovannone (Grüne) hatte, wie bereits im zweiten Prozess dieser Verhandlungsreihe, abzuwägen, ob das Werfen einer halbleeren Bierbüchse als «mehrfache versuchte qualifizierte einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand» zu werten sei. Sie entschied in diesem Anklagepunkt auf Freispruch und reduzierte damit das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmass von zehneinhalb Monaten bedingt um dreieinhalb Monate. 

Interessant: Bei der Rechtsmittelbelehrung ganz am Ende der Verhandlung sagte die Richterin zum Angeklagten, er und die Klägerpartei hätten die Möglichkeit, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Der Angeklagte müsse sich eventuell darauf einstellen, dass die Staatsanwaltschaft von diesem Recht Gebrauch mache, weil das in einem ähnlichen vorhergehenden Fall schon geschehen sei.

Das heisst: Die Stawa akzeptierte einen früheren Freispruch für das Werfen einer Bierbüchse auf Beamte nicht, sondern ging dagegen in Berufung. Sie beharrt also auf eine strenge Bestrafung. 

Wie war das mit dieser Bierbüchse?

Während der Verhandlung bat die Richterin den Angeklagten, aufzustehen, und den Bierbüchsenwurf nochmals nachzustellen. Die Kamera im Saal wurde eingeschaltet, der Angeklagte stand auf und machte mit dem rechten Arm eine Bewegung, als würde er etwas über die rechte Schulter nach hinten werfen.

Später wurde diese Aufzeichnung dieser Wurfbewegung dem als Zeuge geladenen Polizisten nochmal vorgespielt, aber der sagte: Mit Verlaub, der Aufprall auf seinem Helm habe sich heftiger angefühlt als der hier nachgestellte Wurf.  Nachdem die Bierbüchse während der Demonstration auf den Helm des Polizisten geprallt war, hatte er sie aufgehoben und später der Spurensicherung zugeführt. Bei der Auswertung war dann die DNA des Angeklagten gefunden worden. 

Ein Streitpunkt konnte vor Gericht trotz der performativen Einlage nicht abschliessend geklärt werden. Nämlich, ob der Angeklagte die Bierbüchse gezielt auf die Beamt*innen geschleudert oder ob er, wie von ihm nachgestellt, die Büchse beim Weggehen achtlos über die Schulter geworfen hatte. Seine Verteidigerin, Patricia Jenny-Elmer, beklagte in diesem Zusammenhang eine lückenhafte Beweisführung der Staatsanwaltschaft. Diese hat zwar sehr viel Videomaterial gesammelt, auf dem der Angeklagte auch aus mehreren Perspektiven und über einen längeren Zeitraum mit der Bierbüchse in der Hand zu sehen ist.

Aber just der Moment, in dem die Büchse geworfen wurde, fehlt in den Videoaufnahmen. 

Die Richterin Giovannone gab dem Mangel zwar Recht. Aber sie sagte, die DNA reiche als Beweis dafür aus, dass der Angeklagte mit dem Büchsenwurf eine Amtshandlung behindern wollte. Die qualifizierte Gewalt und Drohung gegen Beamte sei darum erfüllt. Allerdings sei eine Bierbüchse nicht als gefährlicher Gegenstand zu werten, da eine grössere Distanz lag zwischen dem, der die Büchse geworfen hat und dem, der getroffen wurde. 

Die Polizist*innen hätten Schutzbekleidung und Helm getragen. «In Anbetracht dessen qualifiziere ich die Bierbüchse nicht als gefährlichen Gegenstand», sagte die Richterin.

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Kontext: Die SRF-Sendung Schweiz aktuell hat vor kurzem über die Prozessreihe und die Diskussionen um ein besonders hartes Urteil berichtet. Den Beitrag gibt es hier: Basel: Umstrittenes Urteil schlägt hohe Wellen in der Politik.

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