«The Hustle must go on»
Bei der Musikvielfaltinitiative zeichnet sich ein deutliches Nein ab. Die Initiant*innen sind trotzdem froh, einen Stein ins Rollen gebracht zu haben und hoffen, dass die Mobilisierung dennoch Früchte trägt. Zwei Gespräche.
Jennifer Perez, haben Sie mit einem so eindeutigen Resultat gerechnet?
Mit einem eindeutigen Nein habe ich nicht gerechnet. Ich habe gehofft, dass wir unser Anliegen noch breiter streuen können und mehr Unterstützung für unser Anliegen finden.
Was bedeutet es jetzt für Sie persönlich?
The Hussle must go on. Es ist sehr enttäuschend und schwierig. Wir Musikschaffenden sind am Limit und das wird jetzt der Zustand sein, den wir in den nächsten Jahren beibehalten werden.
Wären Sie dabei, einen neuen Versuch zu starten?
Auf jeden Fall. Wir konnten so viel und breit Leute vernetzen. Ich spreche jetzt von einer Szene. Für mich gab es diese Szene von verschiedenen Leuten, die Musik machen und eigentlich das gleiche Leid teilen, vorher nicht. Wenn man so einen gemeinsamen Grundboden hat, der einen verbindet, ist das mega stark. Ich denke, das war ein erster Versuch und es wird wohl noch weitere Anläufe brauchen. Und wir sind schon zuversichtlich, dass sich etwas verändern wird. Weil sowohl von der Regierung als auch von der Gegenseite wurde ja mehrmals gesagt, dass sie eigentlich Verständnis haben für unsere Situation. Deshalb hoffen wir, dass sie diejenigen, die mehr Macht haben als wir, sich dafür einsetzen, dass sich die Situation verbessert.
Hat die Ausgangslage, dass den Institutionen Geld weggenommen werden könnte, zum Nein beigetragen?
Ja, ich denke, das ist fassbarer. Das sind bestehende Institutionen, bei denen man Angst hat, dass sie wegfallen könnten. Unsere Situation ist den wenigsten klar. Wir haben sehr viel in Aufklärungsarbeit investiert, indem wir andere Musikschaffende interviewt haben, die ihre Lebenssituation aufgezeigt haben. Aber es ist sehr schwierig mit unseren Mitteln aufzuzeigen, um was es geht.
«Es wurde so getan, als würde bei einer Annahme der Initiative die Welt untergehen»
Fabian Gisler, das Resultat ist sehr eindeutig, es sieht nach einem Nein aus. Haben Sie damit gerechnet?
Wir sind nicht gekommen, um zu verlieren. Ich persönlich habe schon nicht von Anfang an damit gerechnet, dass wir gewinnen. Die Initiative ist ja auch ein Vehikel für die ganze Bewegung. Wir haben diesen Bogen gebraucht, um etwas in Bewegung zu setzen. Und damit es eine Dynamik gibt, braucht es ein Ziel. Ein bisschen mehr Zustimmung hätte ich mir schon versprochen, aber die Subventionen-Lobby hat ein Powerplay sondergleichen hingelegt; das muss man auch sagen. Es gibt ein paar Punkte, die ich bedaure. Medial finde ich es schade, dass man nicht in die gesellschaftliche Diskussion gegangen ist, sondern immer bei der Angst von Privilegierten geblieben ist. Das tut ein bisschen weh. Aber ich denke, die Diskussion wird kommen weil die Verteilung ist deutlich und korrespondiert nicht mehr mit unserer Bevölkerung.
Die Gegenseite hat ein Powerplay hingelegt, Sie haben aber auch sehr viel Zeit und vor allem Geld in die Initiative gesteckt. Was hätte es noch gebraucht, um definitiv zu überzeugen?
Die Subventions-Lobby und das Establishment haben wirklich Gas gegeben, sie hatten Angst um ihre Freunde. Man muss auch sehen, wo wir hergekommen sind. Wir sind in einer Wüste ohne Baum gestartet. Und das kultur- und gesellschaftliche Bewusstsein für das Thema war in Basel nicht sehr ausgereift. Es geht hier um handfeste Themen: Es geht um Arbeits- und Lebensrealitäten von professionellen Musikschaffenden, es geht um die öffentlichen Fördermittel in diesem Bereich und das wurde einfach nicht bedient. Es war auch in der Politik niemand da, der sich diesen Themen wirklich annimmt. Und ich glaube, hier ist es uns gelungen, dass es jetzt Leute gibt, die sich dafür interessieren und engagieren – auch in der Politik. Das ist sicher ein Verdienst.
Bei der medialen Berichterstattung bedauere ich sehr, dass es immer um die Ängste und den Verteilkampf ging und viel zu wenig darüber diskutiert wurde, wie eine zeitgemässe öffentliche Musikförderung sein muss, die auch der Bevölkerung entspricht.
Interessant wird jetzt sein, was die anderen machen, alle die, die gesagt haben, wir verstehen das Anliegen aber … Das ist die Regierung, das sind die Gegner*nnen, das ist die Bildungs- und Kulturkommission, die Subventions-Lobby – jetzt bin ich gespannt, ob da etwas kommt.
Hat die Tatsache, dass die Initiative unformuliert ist, dazu beigetragen, dass es jetzt ein Nein gab?
Ja, vielleicht, ich weiss es nicht. Da staune ich auch ein bisschen über die Medien und die Politik. Es gibt ja die Möglichkeit der unformulierten Initiative. Im Prinzip wäre das ja eine Chance einen Dialog zu starten, es wurde aber so getan, als würde die Annahme der Initiative bedeuten, dass die Welt untergeht. Dagegen anzukämpfen ist als Bürger*innen-Komitee schwierig. Ich glaube nach wie vor – und das ist jetzt nicht trötzelig – dass die Initiative eben genau richtig ist, weil sie alle in die Debatte mitnehmen konnte und das auch in einer weiterführenden Diskussion gekonnt hätte. Wenn wir mit einem Gesetzestext gekommen wären, hätten wir es niemandem recht machen können. Wir wollten ja auch eine grundsätzliche Diskussion anregen und nicht ein Teilproblem lösen. Ich denke, es wäre nicht schlau gewesen, den Leuten etwas vorzulegen und zu sagen, wir sind die einzigen, die wissen, wie es läuft.
Ist das Nein nun ein rein negativer Entscheid für die Basler Musikförderung?
Ich glaube, es zeigt den Graben auf, den es gibt. Uns bleibt nichts anderes übrigen, als dranbleiben und uns zu formieren. Aber klar, man kann es immer besser und genauer machen und wenn andere 50 oder 100 Jahre Vorsprung haben und ihre Privilegien verteidigen, ist das etwas anderes.
Dran bleiben und formieren, ist das jetzt euer Fahrplan?
Ja, aber nicht grad morgen. Jetzt machen wir erstmal eine kurze Pause. Aber ich denke, der Zug fährt. Auch für die, die gewonnen haben – oder das Gefühl haben, dass sie gewonnen haben – ich denke, das ist nicht ein Sieg mit einem richtig guten Geschmack. Wenn man durch Basel läuft, sieht man links und rechts, was es noch für Musik gibt – dann zu sehen, dass fast 90 Prozent der Fördergelder in irgendwelche klassischen Orchester fliessen, wo grad mal 15 Prozent der Leute hingehen … da wird was kommen. Wir kennen das ja auch in anderen Bereichen. Manchmal braucht es mehrere Anläufe.