Gleichstellung am Start, nicht Gleichheit im Resultat

Die FDP Basel-Stadt geht mit Eva Biland ins Regierungsratsrennen. Dass die Medien ihr Geschlecht in den Vordergrund stellen und so Frauen als Quote oder Wahltaktik wahrgenommen werden, stört Tamara Alù. Die Vizepräsidentin der FDP wünscht sich einen Wandel in der Wahrnehmung. Eine Replik.

Vergangene Woche hat die FDP Basel-Stadt ihre Regierungsratskandidatin nominiert. «Und dann ist da natürlich die Frauenkarte, die Biland geholfen haben dürfte» oder «Die Fasnachtsclique Stainlemer entdeckt die Frauen. Genauso wie die Basler FDP», lauteten in diesem Zusammenhang die Schlagzeilen auf bajour.ch. Die vorherrschende öffentliche Wahrnehmung, nicht nur der FDP Basel-Stadt als Partei, sondern auch der Frauen als Quote oder Wahltaktik, erscheint mir ebenso sinnbildlich wie stossend. Dies nicht nur als Präsidentin der FDP Frauen Basel-Stadt und Vizepräsidentin der FDP Basel-Stadt, sondern vor allem als Frau.

Wochenkommentar_Ina-1 (18)
Dann halt auch Frauen

Die Fasnachtsclique Stainlemer entdeckt die Frauen. Genauso wie die Basler FDP. Aber Lückenbüsserei bei Männer-Mangel ist 2024 keine nachhaltige Zukunftsstrategie mehr, schreibt Chefredaktorin Ina Bullwinkel in ihrem Kommentar.

Bullwinkels Blickwinkel
Tamara Alù 2024
Tamara Alù. (Bild: Christian Roth)

Quotenfrau, Feigenblatt, Frauenkarte – um nur einige Schlagworte zu nennen, die vor und nach der Nomination in den Basler Medien und Kommentaren zu lesen waren. Sinnbildlich für dieses Narrativ, das von den Medien immer wieder neu befeuert wird, ist, dass nicht mehr die Chancengleichheit als solche gefordert wird, sondern bewertet wird, wie authentisch diese nun erfolgt ist. Aussagen, die engagierten Politikerinnen unterstellen, sie seien nur «Lückenbüsserinnen» oder «Quotenfrauen», spielen dabei eine kontraproduktive Rolle.

Die Unterstellung eines Frauenbonus stellt die Qualifikation von Frauen in Frage und reduziert sie darauf. Zudem wird ein solches Urteil meist nur auf weibliche Personen projiziert. Oder haben Sie in diesem Zusammenhang schon einmal von einem Männer-Bonus gelesen?

Tamara Alù
Zur Person

Tamara Alù ist Präsidentin der FDP Frauen Basel-Stadt und Vizepräsidentin der FDP Basel-Stadt. Zudem leitet sie den Bereich Politik beim Gewerbeverband Basel-Stadt.

Das Narrativ vom «wenig attraktiven Männerverein» ist überholt, wie die Fakten zeigen. Die FDP Basel-Stadt hat viele hochqualifizierte und engagierte Frauen in ihren Reihen, die in verschiedenen Funktionen erfolgreich tätig sind. 80 Prozent unserer Gerichtssitze sind mit Frauen besetzt, mit Fabienne Beyerle stellen wir eine kompetente Bürgerrätin, der Vorstand der Kantonalpartei besteht mit dem – demnächst wieder zu besetzenden – ex-officio-Sitz der FDP Frauen zu 40 Prozent aus Frauen, das Vizepräsidium ist mit Eva Biland und mir besetzt, mit Alexandra Leake präsidiert eine Frau die Jungfreisinnigen, die FDP Riehen stellt je eine Frau im Einwohnerrat und im Bürgerrat und mit Silvie Schweizer haben wir nicht nur eine kompetente Riehener Gemeinderätin, sondern neu auch wieder eine Grossrätin in unseren Reihen.

Die Aussensicht auf die FDP Basel-Stadt ist verstaubter als ihr Ruf und viel verstaubter als die heutige Parteirealität. Die Frauen in der FDP Basel-Stadt haben heute nicht nur das Gefühl, dass sie einen festen Platz in der Partei haben – sie haben ihn auch.

«Die Aussensicht auf die FDP Basel-Stadt ist verstaubter als ihr Ruf und viel verstaubter als die heutige Parteirealität.»
Tamara Alù

Eine Partei kann kompetente und sympathische Menschen zur Wahl vorschlagen, aber letztlich entscheidet die Wählerschaft, welche Personen in ein Amt gewählt werden. Ich bin ganz klar der Meinung, dass das Frausein dabei nicht belanglos ist. Es gibt eine geschlechtsgefärbte Sichtweise auf viele politische Herausforderungen, die unbedingt politisch repräsentiert werden muss.

Angesichts der Vielfalt der (Wahl-)Bevölkerung ist es daher nicht nur wünschenswert, sondern auch logisch, dass alle Sichtweisen politisch repräsentiert sind. Pauschale Vorwürfe und polemische Formulierungen bringen uns diesem Ziel allerdings keinen Schritt näher. Gerade in der Politik sollte gelten: Gleichstellung am Start, nicht Gleichheit im Resultat. Erkennen wir das Geschlecht nicht als Definition der Kandidatur, sondern als ein Merkmal des Profils, wie wir es beispielsweise mit der Lebenserfahrung oder dem Werdegang machen.

Dieser Wandel in der Wahrnehmung braucht Zeit. Dass dies die Geduld der Berichterstatterinnen und Berichterstatter auf eine harte Probe stellt, ist bedauerlich, aber wir werden uns damit abfinden müssen. Es ist zu hoffen, dass auch die Medienlandschaft dies erkennt und ihre Berichterstattung aus Gründen der Fairness und des Respekts gegenüber den Frauen im Allgemeinen und auch gegenüber den Frauen in unserer Partei in Zukunft anpasst.

Das könnte dich auch interessieren

Woko Ina Femizid häusliche gewalt

Ina Bullwinkel am 28. März 2025

Gefährlich wird es zu Hause

Die angezeigten Fälle im Bereich der häuslichen Gewalt steigen, dieses Jahr gab es in der Schweiz bereits neun Femizide. Frauen werden immer wieder zum Opfer ihrer Ehemänner oder Ex-Partner. Und der Aufschrei bleibt aus. Ein Kommentar von Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen
Luca Urgese Kolumne-1

Luca Urgese am 24. März 2025

Plädoyer für das private Grundeigentum

Die Haltung, dass der Boden möglichst vollständig dem Staat gehören und Privaten nur noch im Baurecht zur Verfügung gestellt werden sollte, ist inzwischen bis weit in die bürgerliche Mitte hinein verbreitet. Deshalb ist es an der Zeit für ein Plädoyer für das private Grundeigentum, findet FDP-Politiker Luca Urgese in seiner Kolumne.

Weiterlesen
Wochenkommentar Finanzen Schule Jungfreisinnige

Ina Bullwinkel am 21. März 2025

Geld als Pflichtfach

Wer was von seinen Finanzen versteht, hat mehr vom Leben. Die Jungfreisinnigen haben einen Vorschlag, der Schule machen sollte, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen
Fasnacht Wochenkommentar

Ina Bullwinkel am 14. März 2025

Woke Waggis?

Die Fasnacht sind drei Tage gelebte Gemeinsamkeit und immer auch ein politisches Brennglas. Klar ist, dass dabei auf Zeedel und Bängg nach oben getreten wird. Nicht immer jedoch ist allen klar, wer oben und wer unten ist, meint Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen

Kommentare