«Es ist unser Recht, durch die Stadt zu laufen»
Nach der Demonstration vom Samstag geben sowohl Polizei als auch die Organisator*innen an, Personen aus ihren jeweiligen Reihen seien verletzt worden. Wir haben mit einem Sprecher* des «Revolutionären Klimakollektiv» gesprochen und gefragt: Was soll das?
Hinweis: An der Demonstration vom Samstag kam es zu Ausschreitungen. Organisatorin war das «Revolutionäre Klimakollektiv», eine linksautonome Basler Gruppierung. Wir haben mit einem Mitglied gesprochen. Mit Namen wollte der Mann aber nicht hinstehen. Er ist der Redaktion bekannt.
Sind Sie zufrieden mit der Demo am Samstag?
Dem Kollektiv war es wichtig, die Anliegen der Klimakatastrophe und derjenigen, die verantwortlich dafür sind, darzulegen. Nämlich das kapitalistische System der Profitmaximierung, an dem Grosskonzerne wie UBS, CS oder Syngenta beteiligt sind. Um die Klimakatastrophe zu bekämpfen, müssen wir den Kapitalismus überwinden. Die Demo hat das ganz klar benannt. In diesem Sinne ist unser Anliegen gelungen.
Drei Polizist*innen wurden verletzt, es kam zu Sachbeschädigungen von Ihrer Seite. Sind Sie auch zufrieden damit, wie die Demo abgelaufen ist?
Die Idee war, dass wir durch die Stadt laufen. Sinn und Zweck einer Demo ist ja, seine Meinung zu äussern und die Menschen zu erreichen. Das ist - gerade vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe – legitim. Die Polizei hat das mit allen Mitteln – auch fragwürdigen – versucht zu verhindern. Sie hat auf Kopfhöhe geschrotet und Abstände nicht eingehalten.
Sie wollten durch die Innenstadt. Die Polizei sagt, sie habe Ihnen eine alternative Route über die Wettsteinbrücke angeboten, doch ein Teil von Ihnen sei gewalttätig geworden. Die Polizei habe aus Notwehr Tränengas und Gummischrot eingesetzt.
Im Gegensatz zur Darstellung der Polizei sind am Steinenberg und Barfüsserplatz aber keine Steine oder Petarden geflogen. Die Demo hat die Polizei nicht angegriffen. Sie ist lediglich auf die Polizeikette zugelaufen.
«Es ist unser legitimes Recht, durch die Stadt zu laufen, um auf ein so wichtiges Anliegen wie die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, wegen der jetzt schon jeden Tag Menschen sterben.»
Laut Polizei sind «Feuerwerkskörper, Steine und weitere Gegenstände» geflogen und auf Fotos sieht man roten Nebel. Haben Demonstrant*innen diese Gegenstände geworfen – ja oder nein?
Uns ist kein Video oder Foto bekannt, das die Angriffe auf Polizist*innen zeigt.
Haben Demonstrant*innen nun Steine etc. geworfen oder nicht? Nur weil es kein Video davon gibt, heisst es ja nicht, dass es nicht passiert ist.
Am Steinenberg, wo die Polizei massiv Mittel eingesetzt hat, ist es zu keinen Angriffen auf die Polizei mit Steinen oder sonstigen Gegenständen gekommen. Es ist unser legitimes Recht, durch die Stadt zu laufen, um auf ein so wichtiges Anliegen wie die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, wegen der jetzt schon jeden Tag Menschen sterben. Die Demo am Samstag hat aber gezeigt, dass wir als Gesellschaft nicht wirklich bereit sind, uns mit den wahren Ursachen der Klimakrise auseinanderzusetzen. Jetzt geht es wieder nur darum, was die Polizei sagt, was an der Demo passiert ist.
Sie können doch nicht eine Polizeisperre durchbrechen, Karton anzünden, Steine werfen und dann denken, es rede noch irgendjemand über Ihre Anliegen.
Die angezündeten Kartons waren eine symbolische Aktion, um auf die wahren Verantwortlichen der Klimakatastrophe aufmerksam zu machen. Ich finde wir sollten darüber reden, wie Gewalt wirklich aussieht. Zum Beispiel die Kohlemine El Cerrejon von Glencore, die die umliegende Umwelt zerstört und für die indigene Gemeinschaften vertrieben werden. Für eine ernsthafte politische Diskussion ist es unseres Erachtens wichtiger, über diese Gewalt zu sprechen.
Der Konflikt von Glencore mit Indigenen stand immer wieder in der öffentlichen Kritik. Geben Ihnen diese Vorwürfe das Recht, Polizist*innen zu verletzen?
Wer sich nicht an die Spielregeln vom bürgerlich-kapitalistischen Staat hält, wird mit Gewalt niedergemacht. Dabei sind gesellschaftliche Veränderungen gerade von Bewegungen ausgegangen, die sich nicht an die von den Herrschenden vorgegebenen Regeln halten. Ich sage es nochmals: Wir wollten durch die Stadt laufen und auf die Klimakatastrophe und ihre Verantwortlichen aufmerksam machen.
Trotzdem ist es zu Gewalt gekommen.
Wir waren nicht auf Gewalt aus.
Aber Sie waren mit Taucherbrillen und verstärkten Transparenten ausgerüstet dafür.
Ja, zum Glück! Sonst hätte es auf unserer Seite noch mehr Verletzte gegeben.
Wie viele Verletzte gab es bei Ihnen?
Das kann ich nicht genau sagen. Es sind auf jeden Fall einige Personen mit zum Teil ernsthaften Verletzungen aufgrund des Gummischrots. Aber darüber will ich mich jetzt auch nicht beklagen.
Reden wir über die Folgen: Politiker*innen von links bis rechts sind empört. SVPler*innen nutzen die Eskalation nun, um ein härteres Durchgreifen der Polizei oder eine Einschränkung von Demos in der Innenstadt zu fordern. Das hilft doch dem Klima nicht.
Was aber hilft: Dahinter zu schauen. Denn dann sieht man, dass die Rechtsbürgerlichen und Kapitalist*innen seit Jahrzehnten alle Bemühungen zum Klimaschutz blockieren. Ihre Taktik ist es ja genau, die Bewegungen, die sich von unten formieren, zu delegitimieren und sie zu spalten.
Für einmal distanzieren sich Politiker*innen von links bis rechts von den Ausschreitungen an einer Klimademo. Solche Demos seien «nicht ihr Weg», sagen verschiedene Klimaaktivist*innen aus Basel.
Sind nicht Sie diejenigen, die aufgrund von so einer Demo spalten? Jetzt distanzieren sich Vertreter*innen des Klimastreiks von Ihnen, ebenso wie linke Politiker*innen. Alles Menschen, die sich fürs Klima einsetzen.
Es wäre verheerend, wenn die Klimabewegung hier mitspielen würde und sich spalten lassen würde. Ich jedenfalls finde nicht, dass wir spalten. Wir leben in Zeiten einer Katastrophe. Die etablierte Politik, Parteien und Wirtschaft hat es bis jetzt nicht geschafft, eine Lösung zu präsentieren.
Und diese Lösung findet man, indem man sich nicht an Gesetze hält? Mit Gewalt und Sachbeschädigungen?
Grosse gesellschaftliche Veränderungen gehen ja nie ohne Spannungen einher. Andere Bewegungen, die grosse Veränderungen angestossen haben, sind in ihrer Zeit auch auf Widerstand gestossen. Man fand es sicher auch nicht lustig, dass die Schwarzen in den USA in Bars gingen , die sie per Gesetz eigentlich nicht betreten durften. Es braucht immer Menschen, die sich wehren.
Vergleichen Sie sich ernsthaft mit Opfern der Rassentrennung?
Nein, wir vergleichen uns nicht mit der Bürgerrechtsbewegung oder mit Opfern von Rassismus. Was ich sagen will: Solche Bewegungen wurden in der damaligen Zeit auch als störend empfunden und bekämpft, ebenso wie der Protest gegen das AKW Kaiseraugst. Diese Bewegungen,waren aber für die gesellschaftliche Entwicklung sehr wichtig. Was hingegen schon sehr rassistisch ist: Menschen im Globalen Süden sterben aufgrund einer Klimakatastrophe, die wir im Globalen Norden verursacht haben.
Mit wem wollen Sie denn jetzt konstruktiv zusammenarbeiten, wenn sich niemand mehr an einen Tisch mit Ihnen setzen will?
Das ist das, was Rechtsbürgerliche gerne sagen. Aber weiss man denn, dass die Mehrheit der Bevölkerung unsere Anliegen nicht unterstützt? Das Kollektiv ist breit aufgestellt und wir sind im Kontakt mit verschiedensten Gruppen und Personen. Wir empfinden die Distanzierung, zum Beispiel durch den Klimastreik, nicht so problematisch. Diesen Diskurs und diese Auseinandersetzung braucht es.
«Es wäre verheerend, wenn die Klimabewegung hier mitspielen würde und sich spalten lassen würde. Ich jedenfalls finde nicht, dass wir spalten.»
Warum ihn denn nicht auf demokratischem Weg führen?
Wenn man sich als Bewegung definiert, die von unten kommt, die sich nicht in Parteien organisiert und nicht in definierten Formen bewegt, kriegt man schnell einmal das Etikett von undemokratisch aufgedrückt.
Das stimmt nicht?
Nein, wir sind sehr demokratisch. Wir wollen ein Wirtschaftssystem, das von den Menschen bestimmt wird und nicht von den grossen Konzernen. Es ist heuchlerisch, uns undemokratisches Verhalten vorzuwerfen, während der Schweizer Finanzplatz bei weitem jegliche Klimaziele verfehlt. Wenn sich die Schweiz und auch die internationale Staatengemeinschaft nicht an einen Vertrag hält, den sie unterzeichnet hat. Aber über das spricht die institutionalisierte Politik und die Wirtschaft nicht gerne.
Das Pariser Klimaabkommen?
Ja. Grosse Konzerne können weitreichende Entscheide fällen, ohne dass wir als Gesellschaft demokratisch mitbestimmen können, und wir haben eine Staatsmacht, die ihre Interessen und diejenigen der Reichen mit allen Mitteln schützt. Wenn einmal eine Demo unterwegs ist, die das in Frage stellt, heisst es aber: Ihr seid die Undemokratischen, die Gefährlichen, die bösen Vermummten.
«Es ist heuchlerisch, uns undemokratisches Verhalten vorzuwerfen, während der Schweizer Finanzplatz bei weitem jegliche Klimaziele verfehlt.»
Die Konzernverantwortungsinitiative wollte härtere Regeln für Konzerne, die Mehrheit der Stimmbevölkerung hat das Begehren mittels Ständemehr abgelehnt. Jetzt arbeitet die EU Regeln aus. Das ist der demokratische Weg. Ich weiss zum Beispiel auch von älteren Personen oder Kindern, die die Demo und die Gewalt am Samstag beobachtet haben und die sich gefürchtet haben.
Es ist ja nicht das erste Mal, dass es Gummischroteinsätze gegeben hat, die sehr fragwürdig sind. Ich glaube deshalb nicht, dass es wirklich darum geht, ob diese Demo besonders gfürchig ausgesehen hat. Nochmals: In der Innenstadt sind keine Gegenstände geflogen. Ich wünsche mir eine Stadt oder eine Gesellschaft, die sich fragt: Wieso schiesst die Polizei auf Demonstrant*innen, die ohne Anwendung von Gewalt auf die Polizei zulaufen?
Umgekehrt kann man ja auch fragen, warum Sie sich den Anweisungen der Polizei wiedersetzen. Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Demo?
Die Lehre ist, dass ganz, ganz viele Medien, Parteien und Gruppierungen meiner Meinung nach sehr schnell Schlüsse gezogen haben, basierend auf Communiqués der Polizei. Und dass alle ganz schnell waren, sich von uns zu distanzieren. Für eine wirkliche thematische Debatte wäre es aber gut, zu schauen, was da wirklich genau passiert ist.
Würden Sie das nächste Mal etwas anders machen?
So weit sind wir noch nicht. Wir besprechen das jetzt aber im Kollektiv.
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