«Gewaltbereite Demos sind ein Randphänomen»
Für einmal distanzieren sich Politiker*innen von links bis rechts von den Ausschreitungen an einer Klimademo. Solche Demos seien «nicht ihr Weg», sagen verschiedene Klimaaktivist*innen aus Basel.
Vor Kurzem berichteten wir von einer friedlichen Schulbesetzung durch Klimaaktivist*innen in Basel. Während eines ganzen Tages liess man die Aktivist*innen von End Fossil Basel und Schüler*innen von verschiedenen Basler Gymnasien gewähren. End Fossil Basel kündigte damals an, sie würden auch für die revolutionäre Klimademo am 11. Februar mobilisieren. Nur zwei Wochen später scheuchen Ausschreitungen an dieser besagten Klimademo die hiesige Polit- und Medienlandschaft auf. Und sogar Vertreter*innen der SP, die sonst nicht für ihre Kritik nach Demonstrationen bekannt sind, finden deutliche Worte:
Aber von vorne:
Organisiert wurde die Demo vom Revolutionären Klimakollektiv (RKK). Dieses wurde vor etwa einem Jahr gegründet, «um eine revolutionäre Position in der Klimabewegung zu entwickeln und sichtbar zu machen», sagten die Verantwortlichen Anfang Jahr gegenüber dem linksautonomen ajour-Magazin. «Zunächst haben wir uns jeweils den Klimastreiks angeschlossen, nun ist das unsere erste grössere Mobilisierung.»
«Ich war im Vorfeld überrascht, wie stark diese Demo mit Stickern und Graffiti beworben wurde, aber niemand aus meinem Umfeld von Klimabewegten wusste, wer sie organisiert», sagt jgb-Präsidentin Fina Girard auf Anfrage. Sie habe deshalb persönlich von einer Teilnahme abgesehen. «Die Bilder der Gewaltbereitschaft an der Demo haben mich erschreckt. Auch, weil andere aus der Klimabewegung, viele Familien und junge Leute anwesend waren und nur friedlich demonstrieren wollten.»
«Die Klimabewegungen sind nicht gewaltbereit»
Bei vielen Themen würden «leider irgendwann auch gewaltbereite Menschen angezogen», sagt Girard und die vergangenen Jahre hätten Frustration in Teilen der Klimabewegung ausgelöst, «die dann bereit zu zivilem Ungehorsam sind». Die Klimabewegungen seien aber nicht gewaltbereit, ergänzt sie, «und ich glaube auch nicht, dass sie in ihrer Breite so wahrgenommen werden. Wenn es zu weiterer Gewalt kommt, müssen wir als breite, vielfältige Bewegung weiterhin auf die Strasse gehen und Friedlichkeit zeigen».
Auch Helma Pöppel vom Klimastreik Basel gibt an, es habe keine Zusammenarbeit mit dem Revolutionären Klimakollektiv gegeben: «Unsere Demos sind immer angemeldet. Für uns ist das ein Grundsatz, weil wir wollen, dass alle Menschen an unsere Demos kommen können, ohne dass sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.»
«Unsere Demos sind immer angemeldet. Für uns ist das ein Grundsatz, weil wir wollen, dass alle Menschen an unsere Demos kommen können, ohne dass sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.» – Helma Pöppel, Klimastreik Basel
Pöppel glaubt auch nicht, dass ab jetzt mit einer höheren Gewaltbereitschaft an Klimademos zu rechnen ist: «Der Klimastreik und die Klimabewegung im Allgemeinen sind friedlich und gewaltbereite Demos sind wirklich nur ein Randphänomen.» Ihr Kodex sei «friedlicher Protest» und Eskalationen «nicht Teil unserer Strategie. Wer sich nicht daran hält, kann keine Rückendeckung erwarten».
Agnes Jezler von Basel2030 wagt keine so deutliche Prognose: Die Klimabewegung sei sehr divers und es würden sich nicht alle untereinander kennen, betont sie. «Deshalb ist es schwierig, zu beurteilen, ob das jetzt ein neuer Ton ist, der hier angeschlagen wird.» Es sei grundsätzlich zentral, «dass sich viele verschiedene Leute fürs Klima engagieren und dazu gibt es verschiedene Wege». Die Demo am Samstag sei aber «klar nicht der Weg von Basel2030, das steht auch in unserem Leitbild, dass wir nicht zu zivilem Ungehorsam greifen».
Ihr Ziel sei es, mit möglichst vielen Leuten ins Gespräch zu kommen. «Und unser Weg dafür sind Haustürgespräche.» Den Anliegen von Basel2030 würden die Ausschreitungen nicht schaden, ist sie überzeugt: «Wir haben vollstes Vertrauen in die Baslerinnen und Basler, die ihren Wunsch nach mehr Klimamassnahmen letztes Jahr an der Urne zum Ausdruck gebracht haben. Die Demo ändert nichts an diesem Wunsch.»
«Wir haben vollstes Vertrauen in die Baslerinnen und Basler, die ihren Wunsch nach mehr Klimamassnahmen letztes Jahr an der Urne zum Ausdruck gebracht haben. Die Demo ändert nichts an diesem Wunsch.» – Agnes Jezler, Basel2030
Helma Pöppel sieht den Polizeieinsatz kritisch: Es sei nicht zu rechtfertigen, dass die Polizei aus nächster Nähe Gummischrot geschossen habe. Sie distanziert sich aber auch von den Organisator*innen: «Andererseits finde ich es fatal von den Organisator*innen der Demo, so eine Eskalation in Kauf zu nehmen. Man muss ja damit rechnen, wie die Polizei auf das Verhalten der Demonstrant*innen reagieren wird.» Der Klimastreik grenze sich «ganz klar» davon ab, denn er wolle offen sein für alle. «Und das ist es eben nicht, wenn man so eine Eskalation in Kauf nimmt.»
Hat denn die Polizei das Gewaltpotenzial der Demo unterschätzt? Polizeisprecher Rooven Brucker sagt dazu: «Unterschätzt ist das falsche Wort. Das Resultat unserer Lagebeurteilung hat einfach nicht der Realität entsprochen.» Er beurteilt den Gummischroteinsatz am Steinenberg/Barfüsserplatz am Samstag indes als rechtens: «Das war ein ganz klarer Fall von Notwehr.» Die Polizist*innen seien in Unterzahl gegen die «mit Vermummungs- und Schutzmaterial ausgerüsteten Demonstrant*innen» gewesen. «Und mit so einer Gruppendynamik wie am Samstag kann das für die einzelne Polizistin oder den einzelnen Polizisten im Einsatz sehr schnell sehr gefährlich werden.»
«Für die Klimabewegung geben die Ausschreitungen kein gutes Bild ab. Dass sich die offziellen Klimabewegungen distanzieren, ist gut – aber auch dort ist seit einiger Zeit eine gewollte Radikalisierung zu beobachten.» – Pascal Messerli, SVP
Der Basler SVP-Präsident und Grossrat Pascal Messerli ist überzeugt, dass die Ausschreitungen für die Klimabewegung «kein gutes Bild» abgeben: «Gewalt von linken Gruppierungen gibt es in Basel immer wieder. Nun haben sie das Klima-Thema als Ausrede genommen, um die Polizei zu attackieren.» Er goutiert zwar, «dass sich die offiziellen Klimabewegungen distanzieren», es sei aber «auch dort seit einiger Zeit eine gewollte Radikalisierung zu beobachten. Mit der Verankerung des Begriffs Klimanotstand wurde legitimiert, sich nicht an Gesetze zu halten – sich auf die Strasse zu kleben, Leute am Arbeiten zu hindern und Banken zu besetzen.»
Seine Partei nahm denn auch die Vorkommnisse an der Demo zum Anlass, auf zwei Initiativen aufmerksam zu machen, die sie in Bälde lancieren wolle. Zudem will Parteikollege Joël Thüring in einem Vorstoss von der Regierung wissen, wie hoch der entstandene Sachschaden war und welche Lehren die Polizeileitung aus dem Einsatz zieht.
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