Genosse Cuénod will lieber Wohnungen als Freiraum am Hafen
Die Juso haben mit «Hafen für alle» eine Initiative zur Aufwertung des Hafen-Areals lanciert. In der Mutterpartei SP gibt es nicht nur Fans: Tim Cuénod ist gegen die Initiative. Hier erklärt er warum.
Mit der Initiative «Hafen für alle – Freiräume statt Luxusprojekte» verfolgt die Juso das Ziel, mehr aus dem Hafenareal zu machen. Die Initiative fordert, dass auf dem Klybeck- und Westquai bezahlbarer Wohnraum entsteht, Grün- und Sportflächen geschaffen und die kulturellen und gastronomischen Zwischennutzungen langfristig erhalten und weiterentwickelt werden können.
Bei dem Hafenareal geht es um das 23 Hektar grosse Areal von Klybeckquai und Westquai. Die Juso fordert, dass es im Besitz der öffentlichen Hand bleibt. Die Hälfte des staatlichen Areals soll Sport- und Grünflächen vorbehalten sein. Ein Drittel der Fläche soll für bezahlbaren und gemeinnützigen Wohnraum reserviert sein. Die Juso ist überzeugt, mit der Initiative die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen.
Herr Cuénod, warum sind Sie gegen die Hafen-Initiative der Juso?
Die Initiative nimmt ein sehr berechtigtes Interesse auf, nämlich, dass man am Hafen etwas macht für die Quartierbevölkerung, gerade auch für die jüngere Generation.
Aber?
Lange ist in Basel die Zahl der Arbeitsplätze weitaus schneller gestiegen als die Zahl der Wohnungen. Das hat den Druck auf den Wohnungsmarkt erhöht und führt dazu, dass immer mehr Leute von weit her pendeln müssen. Ich persönlich finde es deshalb aus sozialpolitischen und ökologischen Gründen sehr wichtig, dass man genügend Wohnraum zur Verfügung stellt, vor allem bezahlbaren.
Und das macht die Juso nicht?
Es ist alles eine Frage der Quantität. Die Initiative will nur auf 30 Prozent der Fläche Wohnungen bauen und auch dort soll nicht besonders hoch gebaut werden können. Dafür sieht die Initiative einen sehr hohen Grünflächenanteil vor.
Grünraum ist doch gut?
Das kann dazu führen, dass die Wohnungspreise steigen, da es durch riesige Parkflächen eine Aufwertung gibt, die sich auch monetär bemerkbar macht.
Vielleicht ist es aber genau das, was die Anwohner*innen wollen. Das Klybeck ist eins der Quartiere mit dem wenigsten Grünraum (12,3 Prozent). Es wundert nicht, dass sich in der Hafenstadtbefragung von 2015 über 90 Prozent der befragten Anwohner*innen für mehr Grünflächen im Quartier aussprachen.
Wenn man etwa sieht, wie gut der Park an der Dreirosenanlage genutzt wird, dann ist das Bedürfnis mit Sicherheit vorhanden. Es ist aber eine Frage der Menge. Das Klybeck-Hafenareal ist insgesamt sehr gross.
«Grünraum kann dazu führen, dass die Wohnungspreise steigen, da es durch riesige Parkflächen eine Aufwertung gibt.»Tim Cuénod, SP
Welcher Anteil an Wohnfläche würde Ihnen denn vorschweben?
Mindestens 50 Prozent. Wohnraum, mit dem keine Profitmaximierung betrieben wird, aber Wohnraum für sehr unterschiedliche Bedürfnisse und mit attraktiven Erdgeschoss- und Gemeinschaftsnutzungen. Zu viel Homogenität macht ein Quartier langweilig. Es soll aber auch definitiv etwas fürs Quartier entstehen, was es lebenswerter macht. Zum Beispiel die Fläche am Rhein soll genutzt werden.
Durchmischung, Wohnungen unterschiedlicher Preiskategorien … Klingt ein wenig wie die Investor*innen der Rhystadt AG, die im Klybeck einen neuen Stadtteil bauen.
Das Gebiet am Hafen gehört dem Kanton. Es bestehen Baurechtsverträge, die aber zum Teil auslaufen werden. Von daher ist es durchaus denkbar, dass der allergrösste Teil dieser Wohnungen kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungsbau wird. Dafür würde ich mich einsetzen, genauso wie für Sport- und Bewegungsflächen. Aber machen wir uns nichts vor, es gibt in Bezug auf dieses Areal viele offene Fragen: wie stark lässt sich die Hafenbahn effektiv zurückbauen? Wie stark ist der Boden belastet und wie stark kann er überhaupt saniert werden? Für was für Nutzungen kommt der starke lärmbelastete Teil des Areals zwischen Hafenbecken 1 und Rhein überhaupt infrage?
Aber die Basler Jugend hat schon das NT-Areal verloren, jetzt auch noch den Hafen? Wo soll denn die Jugend hin?
Der Appell der Juso, dass die junge Generation berücksichtigt werden soll, ist sehr verständlich. Aber gleichzeitig gibt es ein übergeordnetes Interesse der Stadt, dass etwa genügend Wohnraum geboten wird, dass die Mietpreise nicht explodieren, und dafür muss man mehr bauen. Es gilt hier also wie bei allen Projekten, verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen.
«Mit einer skeptischen Position stehe ich in der SP nicht allein da.»Tim Cuénod, SP
Die Mehrheit des SP-Vorstands hat sich aber für die Initiative ausgesprochen und Sie überstimmt. Nervt Sie das oder können Sie Ihre Genoss*innen verstehen?
Ich kommentiere keine internen Vorgänge. Aber es ist so, dass die eigene Jungpartei aus gutem Grund einen Sympathiebonus geniesst. Das heisst, es ist ihre eigene Initiative, und der Wunsch, dass die Mutterpartei unterstützt, spielt sicher eine Rolle. Diesen «Good Will» gegenüber der eigenen Jungpartei kann ich gut verstehen, zumal ich selbst in den Juso politisiert wurde.
Stehen Sie mit Ihrer Gegenposition also etwas allein da, weil es nicht populär ist in der SP, sich gegen die Juso auszusprechen?
Nein, mit einer skeptischen Position stehe ich nicht allein da. Jetzt liegt der Ball beim Regierungsrat und dann beim Parlament.
Hätte es für die Juso eine bessere Möglichkeit gegeben, das Thema anzugehen, als die Initiative zu lancieren?
Nein, ich finde eine Jugendorganisation und Jungpartei geniesst eine gewisse Narrenfreiheit, zu machen, was sie will und ihre Projekte selbst auszusuchen. Das gehört zu einer lebendigen Demokratie. Die Frage ist, wie man damit umgeht.
In Ihrem Fall: Diskutieren und schauen, dass man einen Kompromiss findet?
Ja, klar. Ich denke, dass die Initiative ohne soliden Gegenvorschlag in einer Volksabstimmung durchaus Chancen hat.
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