Weniger Steuern für alle?

Die bürgerlichen Parteien und die SP wollen die Einkommens- und Vermögenssteuer in Basel-Stadt senken. Profitieren sollen alle, auch die mit hohen Einkommen und grossen Vermögen. Das Paket ist für alle ein Kompromiss.

Steuerpaket
Alle haben ihr Päckli zu tragen (v.l.n.r.): Niggi Rechsteiner, Lorenz Amiet, Pascal Pfister, Andrea Knellwolf, Annina von Falkenstein und Luca Urgese. (Bild: Ina Bullwinkel)

Nachdem sich BastA!, Grüne und Juso mit einem Referendum und mit Alternativvorschlägen gegen das geplante Steuerpaket der Regierung positioniert haben, machten sich heute auch die Befürworter*innen bei einer Medienkonferenz für ihre Positionen stark. Für ein Ja sprechen sich mit Mitte, FDP, GLP, LDP, SVP und SP fast alle Parteien aus, die Gegner*innen liegen damit im Grossen Rat klar in der Minderheit. 

Worum geht es? Am 12. März stimmt die Basler Stimmbevölkerung ab, ob es unter anderem Erleichterungen bei der Einkommens- und Vermögenssteuer geben soll sowie Abzüge bei den Krankenkassenprämien, beim Sozialabzug und für die Kinderbetreuung.

steuerrechner
Und was bedeutet das für mich?

Bajour hat einen interaktiven Steuerrechner, der die alten und neuen Maximalabzüge und -steuersätze vergleicht. Die Formeln sind in der Gesetzesvorlage enthalten und die Resultate entsprechen den Berechnungen des Finanzdepartements. Noch nicht berücksichtigt sind die Auswirkungen des Gegenentwurfs des Referendum-Komitees. Diese baut Bajour nächstens auch noch ein.

Zum Steuerrechner

Das Ja-Lager argumentiert so: Der Kanton Basel-Stadt macht seit Jahren hohe Überschüsse – für 2022 wird mit 352 Millionen Franken gerechnet, – deshalb sei es an der Zeit, die Steuerzahler*innen zu entlasten. Und zwar alle, auch die mit hohen Einkommen und grossen Vermögen. Dadurch würden alle profitieren. Die Vorlage sei «gerecht, ausgewogen und für den Finanzhaushalt gut verträglich», heisst es im Communiqué. 

Dem widerspricht das Nein-Lager. Es würden nur die Reichen profitieren, sagen sie, alle Menschen, die keine Einkommen- oder Vermögenssteuern zahlen, hätten nichts von dem Paket. Weil der Staat weniger Steuern einnimmt und dadurch weniger für Soziales oder etwa Kultur übrig habe, nennt Sina Deiss, Co-Präsidentin der Basta, das Paket «verantwortungslos und unsolidarisch». Mit dem Steuerpaket verzichtet der Kanton immerhin auf 88 Millionen Franken pro Jahr. Geld, das aus Sicht der Opposition besser eingesetzt werden könnte.

Argumente Ja-Komitee
  • Steuersenkung ist überfällig wegen jahrelang hoher Überschüsse
  • Niedrigere Steuern und Abzüge kommen Basler*innen wegen Inflation zugute
  • Standortattraktivität verbessert sich (wichtig, um Fachkräfte anzuziehen und Vermögende zu halten) 
  • Es bleibt genügend Geld für wichtige Investitionen

Das Ja-Komitee sieht das anders. «Der Kanton hat finanziell einen grossen Spielraum wegen des grossen Überschusses. Wir finden es richtig, die strukturellen Überschüsse zu nutzen und den Steuerzahlenden zurückzugeben», sagt FDP-Grossrat Luca Urgese. Ausserdem würden auch die Ausgaben steigen, zum Beispiel für Bildung, Sicherheit und Klimaschutz. Für 2023 seien fast 400 Millionen Franken an Investitionen geplant. «Der Kanton hat auch mit dem Steuerpaket eine immer noch sehr gute Ausgangslage», sagt Urgese. Er versteht das Nein der Gegner*innen nicht, da auch die Sozialleistungen angepasst würden. 

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Am meisten lohnt sich das Steuerpaket laut WAK für eine Familie mit zwei Kindern in der Drittbetreuung – sie sollen 84 Prozent Steuern sparen. (Bild: Bericht der WAK/Gewerbeverband Basel)

Im Detail heisst das: Es soll einen höheren Kinderabzug geben, einen höheren Drittbetreuungsabzug, der Pauschalabzug für Krankenkassenprämien wird von 3200 auf 4000 Franken erhöht und es gibt eine Erhöhung bei den Sozialabzügen sowie eine Anpassung beim Unterstützungsabzug.

Dadurch, dass die Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen einen Anreiz haben zu bleiben, würden indirekt auch diejenigen mit kleinen Einkommen profitieren, da die Steuergelder zu ihnen zurückfliessen, sagt Urgese, der als Bereichsleiter Finanzen und Steuern bei der Handelskammer beider Basel tätig ist. «Basel-Stadt ist einer der besten Sozialstaaten, das wird auch langfristig so bleiben.»

«Der Kanton hat auch mit dem Steuerpaket eine immer noch sehr gute Ausgangslage.»
Luca Urgese, FDP-Grossrat

«Mit dem Paket nehmen wir sogar in Kauf, dass mehr Leute keine Steuern zahlen, weil sie unter die entsprechende Einkommensgrenze fallen», verteidigt Andrea Knellwolf, Mitte-Grossrätin und Präsidentin der Wirtschafts- und Abgabe, das Paket. Das sei für die Mitte als bürgerliche Partei ein grosser Kompromiss gewesen.

Lorenz Amiet, SVP-Grossrat, fügt hinzu: «Wir wollen auch langfristig hohe Steuereinnahmen haben und wollen, dass auch die vermögenden Steuerzahler gern hier wohnen und Steuern zahlen.» Dafür sei das Steuerpaket wichtig. 

Die Standortattraktivität für Fachkräfte ist für das Ja-Komitee eines der wichtigsten Argumente. Gerade die bürgerlichen Parteien würden immer wieder im Kontakt mit Wirtschaftsvertreter*innen stehen, sagt LDP-Grossrätin Annina von Falkenstein. «Von den Firmen kommt die klare Rückmeldung, dass sie sich wegen der hohen Steuern überlegen, fortzuziehen oder Probleme haben, Fachkräfte anzuwerben.» Lorenz Amiet, der beruflich mit Expats zu tun hat, pflichtet bei: «Die Einkommenssteuer ist immer ein grosses Thema bei der Frage, wo man sich niederlassen möchte.»

Steuerpaket
Pascal Pfister (2. v. l.) argumentiert, warum die SP als einzige linke Partei für das Steuerpaket ist, (Bild: Ina Bullwinkel)

Und was ist mit einer Entlastung der kleinen Einkommen? Immerhin gibt es insgesamt einen Arbeitskräftemangel. «Am meisten spüren wir derzeit den Fachkräftemangel», sagt Annina von Falkenstein. Beim Steuerpaket sei auch für Menschen mit kleinerem Einkommen etwas dabei. «Durch den Abzug bei den Drittbetreuungskosten wird der Anreiz gesetzt, dass Eltern wieder arbeiten gehen, weil es sich durch den Abzug finanziell mehr lohnt, die Kinder in die Kita zu schicken.» Damit würde auch der Arbeitskräftemangel abgefedert.

Was ist mit den Topverdiener*innen?

SP-Grossrat Pascal Pfister vertritt als einziger Politiker an der Medienkonferenz das linke Lager für ein Ja zum Steuerpaket. Seiner besonderen Rolle ist er sich bewusst, in seiner Partei unterstützen einige nur zähneknirschend das «hart verhandelte» Paket, das SP-Finanzdirektorin Tanja Soland mit auf den Weg gebracht hat. «Es ist wirklich ein Kompromiss», sagt er, «am Ende war entscheidend, dass die Menschen jetzt mehr Kaufkraft bekommen.» Zwar würden auch die hohen und mittleren Einkommen entlastet, aber dafür habe man als Ausgleich höhere Sozialabzüge erreicht.

«Ohne Einigung bei den Steuersätzen hätten wir auch das Referendum ergriffen, aus Respekt vor dem Volksentscheid.»
Pascal Pfister, SP-Grossrat

Die Gegner*innen des Steuerpakets empfinden es als Affront, die hohen Einkommen und Vermögen steuerlich zu entlasten. Schliesslich habe die Bevölkerung 2019 mit der Annahme der Topverdiener*innen-Initiative signalisiert, dass sie eine höhere Besteuerung der reichsten Menschen im Kanton wünscht. Das Paket würde dem Volkswillen widersprechen. Pfister verteidigt den Kompromiss damit, dass das Verhältnis zwischen den einzelnen Steuersätzen gleich bleibt, die Progressionskurve also weitgehend gleich bleibe. «Das ist für uns als SP entscheidend gewesen. Wenn es höher gewesen wäre, hätten wir auch das Referendum ergriffen, aus Respekt vor dem Volksentscheid.»

Anders als die linken Gegner*innen, steht Pfister mit der SP hinter dem vorgesehenen Kinderdrittbetreuungsabzug. Dieser werde hoffentlich sowieso bald obsolet sein, so Pfister, wenn die Kita-Initiative der SP angenommen würde.

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