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Der Hedonist

Hampe schläft jetzt aus

Berufspolitiker*innen fällt der Abschied schwer, heisst es. Stimmt das? Wir haben frisch abgetretene Regierungsräte gefragt. Heute: Ein zufriedener Hans-Peter Wessels.

07/18/21, 10:35 PM

Aktualisiert 07/20/21, 09:34 AM

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In bester Laune: Hans-Peter Wessels im blumigen Hawaiihemd (oder sind es Libellen? Die Redaktion bittet um sachdienliche Informationen an info@bajour.ch).

In bester Laune: Hans-Peter Wessels im blumigen Hawaiihemd (oder sind es Libellen? Die Redaktion bittet um sachdienliche Informationen an [email protected]). (Foto: Adelina Gashi)

Ein Morgen im Leben von Hans-Peter Wessels (58) sieht jetzt so aus: Ausschlafen, die Kaffeemaschine in die Gänge bringen, einen Blick in die Zeitung werfen. Dann der Gang zum Kleiderschrank: Der Anzug bleibt hängen, Wessels entscheidet sich für ein kurzärmeliges Hawaiihemd mit weissen Blümchen. 

Das passt doch zum ehemaligen Regierungsrat, dessen grösste Freude seiner Karriere bis heute offenbar die Boulevardisierung und Verbuvettisierung des Rheinboards sind. 

Nichts mehr zu beweisen

Wir treffen Hans-Peter Wessels am Freitag – natürlich in einer Buvette, es ist die Flora. Am Nachmittag  kommt auf einmal so etwas wie Sommerstimmung in Basel auf, die Sonne löst zur Abwechslung das trübe Regenwetter ab, Wessels schaut gut gelaunt den braunen Wassermassen zu, die an ihm vorbei fliessen.  

Zwölf Jahre lang war der Sozialdemokrat Vorsteher des Basler Bau- und Verkehrsdepartement. Letztes Jahr dann verkündete er, dass er sich in den politischen Ruhestand begeben wolle. Es sei Zeit für neue Gesichter, frischen Wind. Was Politiker*innen eben sagen, wenn sie ihr Amt abgeben.  

Und jetzt? Wirkt Wessels ganz zufrieden: «Es macht mir Spass, das politische Geschehen mitverfolgen zu können, ohne selbst involviert sein zu müssen», sagt er und lacht erleichtert. 

«Das ist doch sterbenslangweilig.»

Hans-Peter Wessels über das Dauerthema Parkplätze

Um die 17 Kugelahorne in der Margarethenstrasse muss sich jetzt Nachfolgerin Esther Keller (GLP) kümmern. Die Bäume sollen einer behindertengerechten Tramhaltestelle weichen, Anwohner*innen und Politiker*innen von links und rechts sind betrübt, die Medien protokollieren. Wessels hat dafür nur ein Augenrollen für die Kontroverse übrig: «Der Grosse Rat hatte das damals so beschlossen, ist doch absurd, dass die Debatte kurz vor Baubeginn wieder losgeht.» 

Und auch den jüngsten Streit um abzubauende Parkplätze (dieses Mal an der Allschwilerstrasse) führt jetzt Esther Keller. Auch darüber lacht Wessels: «Das ist doch sterbenslangweilig», sagt er. Er habe keine Lust mehr, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, die Diskussion habe sich in all diesen Jahren kaum verändert und sei eigentlich in allen Städten gleich. 

Wessels redet über die schönen Plätze, die während seiner Amtszeit entstanden sind. Die vielen Buvetten, eben, die Veranda Pellicano. «Es war immer mein Ziel, Basel zu einem (noch) lebenswerteren Ort zu machen. Das ist mir auch gelungen.»

Zwölf Jahre lang stand er unter genauer Beobachtung, unter Druck. Genoss es, «Gestaltungsmöglichkeiten» zu haben, wie er, rhetorisch geübt, sagt. Nun ist der Druck weg, die Aufmerksamkeit auch. «Kein Problem. Man muss loslassen können», meint Wessels. Es sei Zeit gewesen, er hatte seine Chance und hat sie auch genutzt. Er habe sich nichts mehr zu beweisen. Weder politisch, noch privat, sagt Wessels. Esther Keller war seine Wunschnachfolgerin.

Pure Gelassenheit

Jetzt ist er wieder Basismitglied der SP, vor vierzig Jahren ist er der Partei beigetreten. Das sei eine ganz andere Rolle, als Teil der Regierung zu sein, räumt er ein. «Eine Regierung sucht den breit abgestützten Kompromiss, als Parteimitglied sind die Positionen schärfer, logisch», sagt er. 

Wessels, der einen Doktortitel in Biochemie hat, vor seinem Amt als Regierungsrat in mehreren Unternehmen Spitzenpositionen inne hatte, gibt sich mittlerweile bescheiden, entschleunigt und meint rückblickend: «Ich habe schon immer ein unverkrampftes Verhältnis zu Macht gehabt.»

«Nein, bereut habe ich mein Amt nicht eine Sekunde.»

Regierungsrat Wessels war als Mensch beliebt, dank seines Charismas und seines ansteckenden Lachens. Als Politiker kam er aber ziemlich dran, Stichwort BVB-Affäre, drei BVB-Direktoren mussten sich wegen Veruntreuung vor Gericht erklären, Regierungsrat Wessels habe sein Departement nicht im Griff, hiess es damals. 

Hat er es in diesen harten Zeiten manchmal bereut, Regierungsrat geworden zu sein?

«Nein, bereut habe ich mein Amt nicht eine Sekunde», sagt Wessels. Er habe gelernt, eine gesunde Einstellung zu Kritik zu entwickeln. «Man griff mich nicht als Person an, sondern als Politiker. Das ist ein Unterschied.»

Nun macht er Dinge, auf die er Lust hat.

Eine Frau radelt an uns vorbei, Wessels winkt ihr erfreut zu. «Meine Frau», erklärt er. Sie habe ihm als Regierungsrat den Rücken freigehalten. «Das war nicht immer einfach. Das Amt war auf gewisse Weise eine Zumutung für mein Umfeld.» Die Tage, Wochen, Monate waren durchgetaktet. Wochenendarbeit gehörte dazu. 

«Jetzt haben wir endlich wieder mehr Zeit füreinander», sagt Wessels. 28 Jahre sind die beiden verheiratet.

«Wessels Enterprises»

Wessels arbeitet laut eigenen Angaben noch rund zwanzig Stunden pro Woche. Für den Verein «metrobasel», der sich für die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Metropolregion Basel einsetzt, ist er als Präsident tätig. Aber das lediglich ehrenamtlich, wie er sagt. Im Juni hat er sein Unternehmen «Wessels Enterprises» gegründet, eine Beratungsfirma. «Es darf schon auch etwas mehr werden, ein, zwei Mandate sind in Aussicht. Aber noch nichts spruchreifes.» 

Bis dahin liest Wessels Juli Zeh – «eine sehr intelligente Autorin, so unterhaltsam» – verbringt seine Tage auf Veloausflügen, gönnt sich ab und an einen Schwumm im Rhein. «Das geht natürlich gerade nicht», sagt er mit Blick auf die braunen reissenden Ströme. 

Langweile hat einen schlechten Ruf.

Sein Freund*innenkreis, der in den vergangenen Jahren Verständnis für den vielbeschäftigten Wessels mitbringen musste, kommt nun auf seine Kosten. 

Abends hätten er und seine Frau ein befreundetes Paar zum Abendessen eingeladen. Er blickt auf die Uhr. Er muss bald einkaufen gehen. Bei Ehepaar Wessels gibt es eine gar nicht so geschlechteruntypische Arbeitsteilung: «Meine Frau kümmert sich um den Salat, ich richte eine Grillplatte mit Bratkartoffeln an», sagt er noch, bevor er sich auf sein Velo schwingt und davon fährt. 

Als wir ihn am Tag darauf per Zufall wieder in der Stadt treffen, trägt Wessels erneut ein Hawaiihemd. Ganz entspannt.

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