Basler Hotel nimmt Geflüchtete aus der Ukraine auf
Der Basler Architekt Rolf Stalder hat eine Hilfsorganisation aufgezogen, die geflüchteten Ukrainer*innen ein Dach über dem Kopf organisiert. Und das möglichst langfristig.
Der siebenjährige Daniel sitzt im Frühstücksraum des Hotel Bloom und löst Matheaufgaben in einem ukrainischen Schulbuch. Er ist einer von 20 geflüchteten Ukrainer*innen, die seit letzter Woche hier am Riehenring untergebracht sind.
Während er versucht, zu rechnen, wischt seine Mutter Natalia den Boden. «Ich helfe», sagt die 44-Jährige. «Damit ich was zu tun habe.» Sie fühlt sich zwar immer noch müde und erschöpft, ist aber auch sehr dankbar für das Zimmer, das sie hier bewohnen kann. Die Ukrainerin ist noch überfordert von der ganzen Situation, weiss noch nicht wie’s weiter geht. Also lassen wir sie ankommen.
Helfer*innen mit Krisenstabserfahrung
Zwei Wochen ist ihnen die Unterkunft im Hotel sicher, ermöglicht durch die Hilfsorganisation «ARS für die Kriegsopfer». Hinter dem Projekt steht der Basler Architekt Rolf Stalder. «Das habe ich quasi aus Reflex gemacht», erklärt Stalder. «Ich war so berührt und betroffen und überlegte mir, was ich persönlich machen könnte.» Er nahm dann kurzerhand eine Woche frei, um sein Netzwerk zu aktivieren und verschiedene Partner mit ins Boot zu holen, zum Beispiel das Baselbieter Hilfswerk TerraNea oder das WIR-Network Nordwestweiz.
«Mittlerweile sind wir schon auf etwa 15 Stellen angewachsen», so Stalder. Dazu gehören auch Personen mit Krisenstab-Erfahrung oder eine Psychologin. «Es melden sich verschiedenste Leute bei mir, mein Telefon läuft heiss», freut sich der Architekt.
So kam auch das von Stalder gebaute Hotel Bloom ins Spiel. «Ich habe da angerufen und gefragt, ob sie mir helfen», erzählt der Architekt. Die Leiterin des Hotels, Günes Kalkandelen, sagt: «Ich habe keinen Moment gezögert.» Für sie sei klar gewesen: «Wenn wir können, helfen wir.» Am Dienstag habe man im Hotel die Zimmer vorbereitet und am nächsten Tag seien die Neuankömmlinge eingetroffen. «Der Empfang im Hotel ist sehr schön gewesen», findet die Ukrainerin Natalia und auch Kalkandelen sagt: «Ich habe sie schnell ins Herz geschlossen.»
In einem Statusbericht seiner Hilfsorganisation schreibt Stalder, die Geflüchteten fragen, wie ein «normaler» Alltag einkehren könne oder wie ihre Kinder eingeschult werden können. Auch Bajour bleibt an diesen Fragen dran und sucht Antworten auf drängende Fragen.
Stalder ist dabei, noch weitere Hotelinhaber*innen zu mobilisieren. «Sie müssen das nicht unentgeltlich machen», erklärt er. Abgesehen von einem kleinen Abschlag würden sie den den normalen Preis bezahlen. «Das Geld dafür aufzutreiben, ist das kleinste Problem», so der Architekt. Mittlerweile seien schon rund 100’000 Franken an Spenden eingegangen, von verschiedensten Seiten, erläutert er. «Die Solidarität ist wunderbar, damit hätte ich nicht gerechnet.» Auch Verpflegung und Güter des täglichen Gebrauchs kommen über Spenden zusammen.
Eine Perspektive bieten
Doch Stalder denkt bereits weiter: Er ist in Zusammenarbeit mit einer Immobilienverwaltung dabei, Wohnungen zu organisieren, in denen Geflüchtete über einen längeren Zeitraum wohnen könnten. Die Spenden, die über «ARS für die Kriegsopfer» zusammenkommen, sollen auch hier eingesetzt werden: Vielleicht für einen Teil der Wohnungskosten, sicher für die Möblierung. «Da habe ich zwei Innenarchitektinnen meines Büros zusammengebracht, die jetzt dabei sind, mit IKEA die Wohnungen auszustatten.»
Seine Hoffnung ist, dass die Geflüchteten, die jetzt im Hotel untergebracht sind, bald in eine Wohnung umziehen können und so je nach Bedarf auch wieder Hotelzimmer frei werden für weitere Neuankömmlinge.
«Ich habe ein schlechtes Gewissen»
Ein Teil der Geflüchteten, die mit der Ukrainerin Natalia in Basel angekommen sind, sind direkt bei Privaten untergekommen. Natalia hofft, dass auch sie und ihr Sohn bald so eine Möglichkeit finden. Im Hotel fühlt sie sich zwar wohl und ist froh um ein warmes Bett und Essen. Aber der beschwerliche und lange Weg von Kiew nach Basel sitzt ihr noch in den Knochen und die Sorge um Familienmitglieder, die in der Heimat geblieben sind, hält sie an ihrem Handy.
«Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich sie zurückgelassen habe», sagt Natalia. Aber sie hätte schon vor ihrer Flucht am 4. März gewusst: «Ich muss meinen Sohn in Sicherheit bringen.» Das hat geklappt, auch wenn seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine vieles nicht so verlaufen ist, wie sie es sich vorgestellt hat.
Stalder zeigt sich entschlossen optimistisch: «Wir werden das schaffen!», schreibt er in einem Statusbericht von «ARS für die Kriegsopfer» am Montag. Mit dieser Einstellung ist er nicht allein, wie die zahlreichen privaten Aktionen zeigen, die in den letzten zwei Wochen entstanden sind.
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