Überraschungserfolg für linke Initiative
Mit nur einer Stimme Unterschied hat der Grosse Rat am Mittwoch die SP-Volksinitiative für den Direktabzug der Steuern vom Lohn zur Annahme empfohlen. Damit kommt die Initiative aller Wahrscheinlichkeit nach vors Volk.
Das war knapp: Das Parlament spricht sich für einen Direktabzug der Steuern vom Lohn aus, um Schulden vorzubeugen. Gleichzeitig stellt sie der Initiative den Gegenvorschlag der linken Minderheit der Wirtschafts- und Abgabekommission (WAK) gegenüber. Das Ergebnis um Haaresbreite kam zustande, weil GLP-Grossrätin Sandra Bothe-Wenk und Mitte-Grossrat Bruno Lötscher-Steige der Abstimmung fernbleiben. Hätten die Bürgerlichen nur eine Stimme mehr gehabt, hätte der Stichentscheid in den Händen von Grossratspräsident Balz Herter (Mitte) gelegen – und das Ergebnis der Abstimmung hätte wohl anders ausgesehen.
Laut BaZ wird die SP nun darüber beraten, ob sie die Initiative zurückzieht oder nicht. Aber auch wenn sie das tut, könnte es zu einer Volksabstimmung kommen. Denn die Bürgerlichen diskutieren aktuell, ob sie das Referendum gegen den Grossratsbeschluss ergreifen.
Wir haben die Bajour-Community gefragt, was sie von einem Direktabzug der Steuern hält und die Antwort unter den Abstimmenden ist eindeutig: 79 Prozent sprechen sich dafür aus.
Die Initiative der SP Basel-Stadt «Keine Steuerschulden dank Direktabzug» fordert den direkten Abzug der kantonalen Steuern vom Lohn. Die Initiative will, dass alle Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitenden die Lohnabzüge ihrer Angestellten künftig direkt an die Steuerverwaltung überweisen sollen. Was denkst du darüber?
Bajour-Leser Reto Weibel schreibt, für viele Menschen sei ein Direktabzug eine spürbare Erleichterung. Denn : «Nur noch das Geld auf dem Konto zu haben, über welches verfügt werden kann, hilft bei der Schuldenprävention.» SP-Grossrätin Lisa Mathys verweist in der Bajour-Diskussion auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die bereits vorhanden seien und «glasklar» aufzeigen würden: «Es gibt keine effektivere Schuldenprävention als den Direktabzug der Steuern vom Lohn.» Sie schreibt: «Ich verstehe nicht, wie man ein so vielfach erfolgreich erprobtes System ablehnen kann.»
«Ich käme zwar mit einem Direktabzug klar, müsse mir aber wahrscheinlich den 13. Monatslohn anteilsmässig ausbezahlen lassen.»Sacha Lüthi, Polizist
In den Kommentaren kommen aber auch Fragen und kritische Stimmen auf. LDP-Politiker und Polizist Sacha Lüthi meldet sich zu Wort und gibt persönliche Erfahrungen preis. Er käme zwar mit einem Direktabzug klar, müsse sich dann aber wahrscheinlich den 13. Monatslohn anteilsmässig ausbezahlen lassen. Er wisse, wie es ist, jeden Monat rechnen zu müssen: «Aus eigener Erfahrung von früher mit einer Familie (2 Kinder und Partnerin, allein erwerbstätig mit 4000 Franken) war es schon so, dass wir die Rechnungen nach Mahnungsgrad bezahlt haben. Der 13. Monatslohn diente dann für die Steuern. Alles andere war Verzicht.»
Und wenn es unvorhergesehene Ereignisse mit Kostenfolge gegeben habe, sei der 13. Monatslohn oft die Rettung vor dem Kollaps gewesen – weil er mit der Steuerverwaltung eine Abzahlungsvereinbarung treffen konnte. «Ohne dieses Polster wären Schulden nicht abwendbar gewesen», schreibt Lüthi und stellt die Frage, ob Betroffene nach Annahme der Initiative künftig einfach andere Gläubiger als den Staat haben werden.
«Für mich als Inhaber eines KMU ist die Initiative zu kompliziert in der Umsetzung.»Jérôme Thiriet, Grünen-Grossrat und Unternehmer
Aktuell werden 1840 Personen im Kanton wegen Steuerschulden betrieben. Darauf verweist der Grünen-Grossrat und Unternehmer Jérôme Thiriet. Er findet das Anliegen der Initiative ist «nachvollziehbar» und kommentiert bei Bajour: «Wenn wir die Menschen im Kanton bei der Budgetierung der Steuern unterstützen und damit lange Schuldenkarrieren verhindern können, ist das gut für Wirtschaft und Gesellschaft. Für mich als Inhaber eines KMU ist die Initiative zu kompliziert in der Umsetzung.»
Einfacher hätte es auch Bürgerrat Lucas Gerig gerne und er plädiert für den Vorschlag der linken Kommissionsminderheit: Zehn Prozent Steuerabzug für alle, die nicht schon Quellensteuer haben. Die gesamte Summe fliesst monatlich an die Steuerverwaltung Basel-Stadt, welche die Weiterleitung an Wohnkantone, etc. organisiert. «Das wäre Service public», schreibt er. Alle Steuerverwaltungen könnten das Geld wie Steuervorauszahlungen verwalten und nach Eingang der Steuererklärung werde abgerechnet.
«Ich habe beim Sammeln der Unterschriften mit eigenen Ohren gehört, dass die Möglichkeit für den Direktabzug ein Bedürfnis der Bevölkerung ist.»Lisa Mathys, SP-Grossrätin
Andere Bajour-Leser*innen wie Jean-Sébastien verweisen auf die Quellensteuern, die Personen mit B-Bewilligung in der Schweiz zahlen, und bei denen die Steuern heute schon direkt vom Lohn abgezogen werden. So wie es bei Steuern in vielen anderen Ländern wie zum Beispiel in Deutschland schon lange üblich ist.
Dass dieses System auf den ersten Blick eine Möglichkeit zur Schuldenprävention bieten kann, darauf verweist auch Leser Werner Pachinger. Ihm ist aber unklar, wie sich das Vorhaben bei Rentner*innen umsetzen liesse. Er fragt unter anderem: «Wo werden die Steuern abgezogen: bei der AHV oder der Pensionskasse?»
Auch wenn noch Fragen offen sind: Sollte die Volksabstimmung zustande kommen, ist sich SP-Grossrätin Lisa Mathys ihrer Sache ziemlich sicher. Sie schreibt: «Ich habe beim Sammeln der Unterschriften mit eigenen Ohren gehört, dass die Möglichkeit für den Direktabzug ein Bedürfnis der Bevölkerung ist – weit über die Linke hinaus, ganz unideologisch, pragmatisch gar.»