Untergangsstimmung im Atlantis?
Die Kulturhäuser der Parterre-Gruppe, das Atlantis und das Parterre One, rocken nicht mehr wie einst. Der Verein FOER, der hier früher als Veranstalter fungierte, soll laut Insider*innen aufgelöst werden. Der CEO bestreitet das. Ist die Abwärtsspirale noch aufzuhalten?
Wenn man in Basel an einem Ort gut in Erinnerungen schwelgen kann, dann im Atlantis, im «tis», wie das Kulturhaus im Volksmund liebevoll genannt wird. Hier spielten in den 1970er- und 1980er-Jahren grosse Namen wie Pink Floyd oder Genesis, hier traf sich alles, was Rang und Namen hatte, für feuchtfröhliche Nächte. Doch die ausgelassenen Zeiten sind vorbei. Dem Atlantis, das zur Parterre-Gruppe gehört, geht es nicht rosig. Und es ist damit nicht alleine. Heute scheint es schwieriger denn je, Kultur oder Kulturhäuser zu betreiben, ohne staatliche Subventionen zu erhalten. Und das ist, was Parterre-CEO Peter Sterli seit jeher versucht.
Auch das Parterre One Music, das auf dem Kasernenareal zuhause ist und ebenfalls zur Parterre-Gruppe gehört, schwächelt. Und der Verein FOER, also der 2014 innerhalb der Parterre-Gruppe gegründete Förderkreis Kultur- und Sozialprojekte Parterre Basel, der noch bis vor einem Jahr als Veranstalter kultureller Events im Atlantis und dem Parterre One Music fungierte, soll angeblich aufgelöst werden. Doch dazu später mehr.
Tote Hose
Personell stehen die Locations schwach da: Sowohl der Booker des Atlantis als auch jener des Parterre One sind derzeit krankgeschrieben, am Drücker sind nun ehemalige Praktikanten. Auf die Frage, ob es in der Parterre Gruppe zu ungewöhnlich vielen Ausfällen wegen Krankheit komme, antwortet die Betriebsleiterin des Atlantis, Evelin Dellsperger: «Nein gar nicht. Gastro halt.» Was so viel heissen dürfte wie: Im Gastrobereich ist das Stresslevel nun mal hoch. Nicht zuletzt wurde dem Booker des Atlantis auf Ende des vergangenen Jahres noch während seiner Krankschreibung gekündigt.
Wirft man einen Blick auf das aktuelle Konzert- und Veranstaltungsprogramm der Parterre-Kulturhäuser, stellt man fest: Das Atlantis ist eine Nischenlocation für Blues und Rock geworden, weit weg vom Puls der Zeit. Für Januar und Februar stehen hier neben einer Tanznacht (für Ü40) und Salsa beispielsweise eine Toten-Hosen-Coverband-Party im Kalender. Bei den angekündigten Konzerten ist abgesehen von der Rocksängerin Seraina Telli oder Ludensbane wenig Überraschendes dabei. Das Parterre One bietet gar noch weniger Programm, hat für Februar aber immerhin ein paar bekannte Namen im Angebot wie Dachs und Sam Himself.
Nichtsdestotrotz: Eine gute Handvoll Konzerte pro Monat sind für heutige Zeiten äusserst magere Kost. Die schlechte Zahlungsmoral der Veranstaltungsorte, über die Bajour bereits 2023 berichtete, hat sich in der Szene herumgesprochen. Auch wenn heute die Gagen nach Auftritt bar bezahlt werden sollen.
Für die Zahlungsnot bei der Basler Gastro-Gruppe Parterre nennt CEO Peter Sterli einen scheinbar plausiblen Grund: Die Pandemie. Ein Betreibungsregisterauszug belegt: Probleme gab es schon vorher. Auch aktuell gibt es über 100 Betreibungen gegen die Gruppe, offen sind mehr als eine Million Franken.
So erstaunt es auch nicht, dass weder das Atlantis noch das Parterre One von der Programmförderung durch das Musikbüro profitieren konnten. Die offizielle Begründung der Jury ist nicht einsehbar, doch berichten Insider*innen, dass der Antrag nebst dem mageren Programm auch deshalb abgelehnt worden sei, weil nicht plausibel habe dargelegt werden können, dass die Gelder zielgerecht eingesetzt würden. Das ist umso problematischer, weil es sich bei der Clubförderung «um eine Programm- und nicht um eine Existenzförderung» handle.
Das Musikbüro äussert sich auf Nachfrage weder zum Antrag noch zu den Gründen für die Ablehnung. Der Entscheid hätte durch die Antragsteller*innen angefochten werden können. Das ist jedoch nicht passiert. Obwohl man offenbar fest mit dem Geld gerechnet habe, wie mehrere Involvierte berichten.
Dass es den Betrieben finanziell schlecht geht, bestätigen auch aktuelle Betreibungsregisterauszüge, die Bajour vorliegen. Bei der Klosterberg AG, zu der das Atlantis gehört, sind Forderungen in Höhe von rund 50’000 Franken gelistet. Beim Parterre One Music beziehungsweise der Parterre AG sind es über 400’000 Franken Forderungen; und bei der Parterre Tangram AG (siehe Box) gar über 1.5 Millionen Franken. Im Vergleich zu 2023, als Bajour über die finanzielle Schieflage berichtete, hat sich die Situation in Bezug auf die Forderungen nicht merklich verbessert. Trotz Sanierungsplan: Die Zahlen sprechen ihre eigene Sprache. Das Unternehmen kämpft weiterhin ums Überleben und es dürfte immer schwieriger werden, an Gelder zu kommen und Löcher zu stopfen, nachdem grosszügige Geldgeber*innen längst abgesprungen sind.
Hinter den Gläubiger*innen stecken Finanz- oder Steuerdepartemente, Ausgleichskassen oder sonstige Versicherungen, aber auch Privatpersonen, die durch ausstehendes Geld mit Konsequenzen in ihrem Alltag zu rechnen haben, wie beispielsweise mit einer Wohnungskündigung. Auch deshalb ist die Wut vieler ehemaliger Mitarbeiter*innen, mit denen Bajour gesprochen hat, gegenüber CEO Sterli so gross.
Verein soll aufgelöst werden – CEO widerspricht
Sterli spricht dennoch von «einer zufriedenstellenden Entwicklung». Doch erst vergangene Woche machte die bz publik, dass auch der Verein FOER wegen ausstehender Suisa-Gebühren von einer Zürcher Inkassofirma betrieben wird, hier geht es um 30’000 Franken. Doch wie Sterli sagt, sei er daran, die Schulden zu begleichen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass offenbar Bestrebungen bestehen, den Verein FOER gänzlich aufzulösen. Bajour konnte ein Dokument sichten, welches eine Auflösung ankündigt. Ob der Verein dadurch aus der Schusslinie genommen werden soll? «Nein», sagt CEO Sterli, der eine allfällige Auflösung des Vereins ohnehin bestreitet.
«Der Verein FOER ist nicht bankrott, sondern weiterhin aktiv. Er bleibt als unterstützendes Gefäss bestehen, hat bei uns jedoch keine operative Rolle mehr.» Sämtliche kulturelle Veranstaltungen würden direkt über die jeweiligen Betriebe laufen, «was sich als effiziente Struktur bewährt hat». Auch das kulturelle Engagement – er spricht von derzeit 300 Veranstaltungen im Jahr – werde dadurch nicht beeinträchtig.
Im Handelsregister ist der Verein FOER noch als aktiv eingetragen, doch nur noch zwei der ehemals sechs Vorstandsmitglieder sind aufgeführt, die restlichen Unterschriften sind erloschen. Und Mitarbeiter*innen hat der Verein auch nicht mehr. Der ehemalige FOER-Präsident Kurt Moser trat bereits Ende 2022 zurück, weil er «in Basel nicht mehr über ein genügendes soziales und kulturelles Netzwerk verfügte» und widmet sich seither voll und ganz seiner Arbeit in der Aargauer Hülsenfabrik Lenzhard, wie er auf Anfrage sagt. Und der ehemalige FOER-Geschäftsführer Lawrence Pawelzik zog im April desselben Jahres den Hut. Über die Gründe seines Abgangs möchte er sich nicht äussern und sagt zu Bajour lediglich: «Ich habe mit diesem Kapitel abgeschlossen.»
Den regulären FOER-Mitarbeitenden wurde gekündigt beziehungsweise statt des vorherigen OR-Vertrags ein LGA-Vertrag bei einer anderen AG innerhalb der Parterre-Gruppe angeboten.
«Sämtliche kulturelle Engagements werden weiterhin mit voller Unterstützung weitergeführt.»Peter Sterli, CEO Parterre Gruppe
Sterli, der sich – das wird in Gesprächen immer wieder deutlich – in dieser Stadt für sein kulturelles Engagement, welches er seit Jahren betreibt, nicht wertgeschätzt fühlt, sagt: «Sämtliche kulturelle Engagements werden weiterhin mit voller Unterstützung weitergeführt.» Woraus diese Unterstützung bestehen soll, bleibt beim Blick auf die vielen offenen Betreibungen fragwürdig.