Was genau wählen wir am 9. Mai eigentlich?

In etwas mehr als zwei Wochen sind in Basel Wahlen. Doch um was genau es da geht, weiss kaum eine*r. Justizkommissionspräsidentin Danielle Kaufmann hat es uns erklärt.

Bildschirmfoto 2021-04-22 um 10
Danielle Kaufmann, Präsidentin der Justizkommission. Es gibt zwar keine stille Richter*innen-Wahl. Aber so richtig laut ist sie irgendwie auch nicht.

Vor ein paar Tagen haben Basler Stimmberechtigte Wahlunterlagen erhalten. Darin: drei verschiedene Wahlzettel und noch mehr Kreuze, die man setzen soll. Doch um was geht es da eigentlich genau? Wir haben Danielle Kaufmann, SP-Grossrätin und Präsidentin der Justiz- Sicherheits- und Sportkommission gefragt

Danielle Kaufmann, die Basler Stimmbevölkerung hatte kürzlich Wahlunterlagen im Briefkasten. Was kann ich wählen?

Das sind Gerichtswahlen, wir wählen die Gerichtspräsidien der Basler Gerichte.

Warum wählt das Volk die Gerichtspräsident*innen?

Das ist ein wesentlicher Grundsatz der Demokratie, dass das Volk die höchste Macht hat im Staat und seine eigenen Richter*innen wählt. Letztes mal gab es allerdings stille Wahlen.

Stille Wahlen?

Das bedeutet, dass es keinen Wahlgang gibt, sondern es einfach nicht mehr Kandidat*innen gibt, als Stellen zu besetzen sind. Also verteilt man einfach, ohne dass das Volk zur Urne gebeten werden muss.

Ist das nicht der Normalfall? Ich mag mich nicht erinnern, dass ich mal Gerichtspräsident*innen gewählt, geschweige denn von so einer Wahl etwas mitbekommen habe.

Nein, eigentlich sind die stillen Wahlen die Ausnahme. Der Grundsatz sagt, Gerichtspräsidien werden vom Volk gewählt. Jetzt haben wir einen Regelfall. Das Volk wählt die Präsidenten beim Strafgericht, beim Appellationsgericht und beim Gericht für die fürsorgerische Unterbringung, weil es mehr Kandidaten als zu besetzende Präsidien gibt.

Darum auch drei Wahlzettel, jeweils für ein Gericht?

Genau.

Wieso sollte ich mich für die Präsidiumswahl überhaupt interessieren?

Weil es ein Privileg ist, dass wir unsere Richter*innen wählen dürfen. Sie würden im Fall der Fälle über uns urteilen.

Wie oft wird ein*e neue*r Gerichtspräsident*in gewählt?

Alle 6 Jahre.

«Unabhängige Kandidaten haben es viel schwerer.»
Danielle Kaufmann, SP-Grossrätin und Präsidentin der Justizkommission

Die BastA!, die Grünen und die SP stellen sich hinter einige Kandidat*innen, hinter andere stellen sich die GLP, FDP, LDP, SVP und die Mitte. Wieso gibt es eigentlich linke und rechte Richter*innen. Die müssen doch neutral sein.

Das ist für gewöhnlich so in der Schweiz, dass Richter*innen einer Partei angehören. 

Wenn sie einer Partei angehören, wie können dann Richter*innen unabhängig von der Politik sein?

Das ist eine gute Frage und da kann man zu Recht auch sehr kritisch sein. Aber: Unabhängigkeit ist nicht nur gewährleistet, wenn die Richter*innen keiner Partei angehören. Sonst wäre keiner der heutigen Gerichtspräsidenten unabhängig, sie sind alle Mitglied einer Partei. Aber ich persönlich befürworte es, dass es auch Kandidaturen von Unabhängigen gibt.

«Unabhängige»?

Ja, Kandidaten, die keiner Partei angehören. Parteizugehörigkeit ist kein Muss. Nur ist es so, dass unabhängige Kandidat*innen, durch den erschwerten Wahlkampf ohne die Unterstützung einer Partei, es viel schwerer haben.

So werden die Kandidat*innen gezwungen, einer Partei beizutreten, um erfolgreich zu sein.

Ich finde, das könnte man diskutieren. Es gibt immer wieder Kandidaten, die sich nur wegen den Wahlen einer Partei anschliessen. Ob das nun unfair ist, ist wie gesagt debattierbar. Da habe ich keine abschliessende Meinung. 

Also kann man aber sagen: Basel wählt rechte, linke oder unabhängige Kandidat*innen?

Es gibt sicher Leute, die nur den Bürgerlichen oder nur den Linken ihre Stimme geben. Aber ich denke, dass Bewusstsein, dass man die Präsidenten nach zum Beispiel ihrer Erfahrung und nicht nach der Parteizugehörigkeit wählen soll, ist vorhanden. Man weiss ja, dass Richter*innen in einer Partei sein müssen, damit sie eine Chance haben, also sollte man das mit der Parteizugehörigkeit nicht so streng anschauen. Sie richten ja nicht nach Parteibüchlein. Es kann sogar sein, dass ein*e linke*r Richter*in bewusst bürgerlicher urteilt oder umgekehrt, damit man ihm nicht den Vorwurf machen kann, das Urteil sei politisch motiviert.

Unabhängiger Journalismus?

Was ist denn gut daran, dass Richter*innen sich einer Partei zuordnen?

Es führt zu Vielfalt an den Gerichten. Ein Gericht soll die Gesellschaft möglichst gut abbilden. Das schaffen wir, indem die Bevölkerung weiss, welche Grundhaltung die Richter*innen haben, welcher Partei sie angehören.

Sie sagen, die Bevölkerung weiss, dass sich Richter*innen in der Regel einer Partei angehören, um eine Chance zu haben. Weiss man das wirklich?

Nun ja, was soll ich sagen? Man muss sich eben dafür interessieren und nachlesen, das gehört zur Bildung in Staatskunde. Schwierig ist ja vor allem, dass man Personen wählt, die man nicht kennt. Die Kandidat*innen waren nicht in den Medien vertreten, es gab wegen der Pandemie keinen Wahlkampf auf der Strasse. 

Welche Funktion haben die Gerichtspräsident*innen eigentlich, die ich hier wähle? Was sind ihre Aufgaben?

Oje, dafür nehme ich rasch das Gesetzbuch zur Hand. Gerichtspräsident*innen haben administrative Aufgaben. Ausserdem gehört ihnen der Stichentscheid. Und im Gericht gibt es ja Einzelgerichte mit nur einem Richter*innen, dreier und Fünfergerichte. Im Dreiergericht hat die*der Präsident*in jeweils den Vorsitz und beim Fünfergericht gibt es zwei Gerichtspräsident*innen. Aber das Ganze ist ziemlich kompliziert. 

Das könnte dich auch interessieren

Wochenkommentar Leila Moon

Ina Bullwinkel am 13. Dezember 2024

Verlierer*innen, wo du hinschaust

Was bleibt übrig von der knapp einmonatigen Diskussion um die Vergabe des Kulturförderpreises an Leila Moon? Eine Jury, die sich und die Künstlerin angreifbar gemacht hat. Ein Amt für Kultur, das sich wieder einmal rechtfertigen musste. Und eine Künstlerin, an der nun ein Image haftet, das nur schwer zu revidieren ist. Ein Kommentar von Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen
Pekerman2

Valerie Zaslawski am 10. Dezember 2024

«Wir werden sehen, ob Syrien wirklich ein Land für alle sein wird»

GLP-Grossrat Bülent Pekerman sagt im Interview mit Bajour, die Freude über den Sturz von Assad in der kurdischen Community sei gross. Er äussert aber auch Bedenken: «Die Türkei wird nun versuchen, den Kurden in Syrien das Leben schwer zu machen.»

Weiterlesen
Elisabeth Schneider-Schneiter Ukraine

David Rutschmann am 06. Dezember 2024

«Uns allen geht es um die humanitäre Tradition»

Die Baselbieterin Elisabeth Schneider-Schneiter war eine der Ausscherer*innen aus der Mitte, die im Nationalrat die Verschärfung des Schutzstatus S möglich machten. Sie findet es richtig, den Sonderschutz auf die akuten Kriegsgebiete zu beschränken – und hofft, dass man damit die Zuwanderungspolemik der SVP bekämpfen kann.

Weiterlesen
Valerie Kommentar-1

Valerie Zaslawski am 02. Dezember 2024

Alle Parteien raus! Sie haben da nichts zu suchen

Das Stadtteilsekretariat Kleinbasel steht in der Kritik, zu links zu sein. Nachdem die bürgerlichen Parteien ihm bereits den Rücken gekehrt haben, sollten auch die linken ihre Rolle überdenken. Parteien haben andere Gremien, um mitzuwirken, kommentiert Valerie Zaslawski.

Weiterlesen
Fotostüdyo Dilek

Das ist Zeisi (sie/ihr)

Valerie aka «Zeisi» hat als Praktikantin bei Bajour gestartet, dann ein Studium begonnen und arbeitet nun nebenbei als freie Journalistin bei der bz sowie bei Bajour als Briefing-Schreiberin. Sie ist während der Vorfasnachtszeit – laut ihr das ganze Jahr – schlecht erreichbar, ist aber ständig unterwegs.

Kommentare