Weniger Nervosität, mehr Mut
Ein Regierungsrat, der unüblicherweise eine Medienkonferenz einberuft, um nochmals dasselbe zu sagen, was im Abstimmungsbüchlein steht. Plakate voller schwarzer Musiknoten, die zerbrochen sind. Aufgeladene Stimmung in diversen Streitgesprächen. Kurz: Man ist nervös. Ein Kommentar zur Musikvielfaltinitiative von Melanie Nussbaumer (SP).
Es geht um viel. Meiner Meinung nach aber zu wenig um das wirklich Wichtige: Musik hat eine wunderbare Kraft. Sie ist identitätsstiftend. Sie verbindet uns und hält uns zusammen. Wir erleben das, wenn alle an einem Patent Ochsner-Konzert mitsingen. Oder wenn uns allen im Saal eine Symphonie unter die Haut geht. Aber auch wenn wir gemeinsam stolz darauf sind, dass Schweizer Acts wie zum Beispiel Sophie Hunger, Zeal & Ardor oder Black Sea Dahu den Durchbruch geschafft haben.
Damit solche Musik entstehen und gehört werden kann, braucht es in vielen Fällen Förderung. Für die Aufbauarbeit, für die Finanzierung von Tourneen sowie zur Unterstützung von Spielstätten oder Clubs, wo diese Künstler*innen auftreten können. Einen Teil dieser Förderung machen wir, die Bevölkerung, mit unseren Steuern möglich. So gesehen sind wir die Musikförderung. Und deshalb ist die Auseinandersetzung mit dieser Initiative auch aus demokratischer Sicht wichtig.
Natürlich ist die Abstimmungsvorlage auch fordernd. Denn sie zielt aufs Grundsätzliche: Was ist uns eine vielfältige Musikförderung wert? Was finden wir gerecht? Aber vergessen wir dabei nicht: Es ist eine unformulierte Initiative. Nach einer Annahme wird die Umsetzung ausgearbeitet und allenfalls eine Gesetzesänderung formuliert. Da ist noch sehr vieles offen.
Man kann sogar nach einer Annahme der Inititiative immer noch einen Gegenvorschlag ausarbeiten, also einen Kompromiss finden. Angesichts der ziemlich lauten Parolen des Nein-Lagers ist davon auszugehen, dass das Interesse für einen Gegenvorschlag besteht. Und auch, weil sich eigentlich alle Seiten einig sind, dass man freie Musikschaffende besser unterstützen müsste. Ich auf jeden Fall bin offen für einen Gegenvorschlag, solange dieser zu einer Stärkung der freien Szene und damit zu mehr Vielfalt führt. Und: Ich bin überzeugt, dass die politischen Verhältnisse im Grossen Rat eine Erhöhung der Fördermittel möglich machen. Basel-Stadt kann sich diese auch leisten, wie wir alle wissen.
Der Blick über die Kantonsgrenze
Mit der Annahme der Initiative wird die wichtige inhaltliche Auseinandersetzung, zu der sich die Kulturkommission und der Regierungsrat bisher verschlossen haben, endlich stattfinden. Es wurde bisher viel zu wenig darüber gesprochen, wie öffentlich Förderung sein soll. Genauso wenig hat man diskutiert, wie wir zum Beispiel die im Kulturfördergesetz festgeschriebenen «guten Rahmenbedingungen» für Freischaffende möglich machen wollen. Es ist höchste Zeit, diese Debatte zu führen.
In seinem Bajour-Artikel vom 7. November hat Lukas Nussbaumer ein paar interessante Punkte für diese längst fällige Auseinandersetzung aufgezeigt. Zum Beispiel, was es für Fördermodelle in anderen Kantonen gibt. Zürich kennt eine mehrjährige Förderung für Einzelpersonen, Bands, Ensembles und Veranstaltende – und zwar unabhängig von Genres, also für alle Musikschaffenden. Solche Anhaltspunkte können für die Gestaltung einer zeitgemässeren Förderung sehr hilfreich sein.
Meine Grossrats-Kollegin Anina von Falkenstein beteuerte neulich in einem Streitgespräch, dass es ein Nein zur Initiative braucht, um zu «bewährten gemeinsamen Weg» zurück zu kommen. Da bin ich anderer Meinung: Ein Nein hätte zur Folge, dass nach dem 24. November einfach wieder Ruhe einkehrt und der Status quo weitergeführt wird. Für einen gemeinsamen Weg braucht es unbedingt ein Ja. Also, seien wir ein wenig mutig.