Wie weiter, Nachtkultur? Jetzt reden die Clubs

Am Bajour-Kulturtalk Ende Mai kam eine Sparte viel zu kurz: Die Clubkultur. Radio X knüpft jetzt an das Thema an und fühlt der Raver-Szene den Puls.

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Wenn es stimmt, was auf diesem Aufkleber an einem Basler Laternenpfosten steht, dann muss die Debatte um die Zukunft der Clubs vor einem grossen Publikum stattfinden.

In der Nacht von Montag auf Dienstag, den 23. Juni, leuchteten Kulturinstitutionen in der ganzen Schweiz knallrot und sandten damit eine drastische Lichterkette in den Nachthimmel. Ziel der Aktion ist es, mit der Politik im Rahmen eines Branchendialogs ins Gespräch darüber zu kommen, wie die Veranstaltungs- und Kulturbranche vor einer Insolvenzwelle gerettet werden kann. Tausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel.⁠

Denn während für viele Menschen da draussen die «neue Normalität» (O-Ton Bundesrätin Simonetta Sommaruga) einzieht, liegt die Kultur immer noch am Boden. Der Bundesrat hat am 19. Juni neue Lockerungen beschlossen, die Polizeistunde ist abgeschafft, Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen wieder möglich.

Ist das für die arg gebeutelten Clubs der Durchbruch zurück ins Geschäft? Was steht im Kleingedruckten? Darüber muss geredet werden.

Danielle Bürgin, Radio X streamt am Donnerstagabend, den 25. Juni, einen Talk zur Lage der Clubkultur. Wer wird da sein und was habt ihr vor?

Wir haben drei Vertreter*innen der Clubkultur zu Gast: Guy Blattmann, Gründer und Eigentümer des Clubs Elysia, Hischem Rouine, der das Nachtprogramm im Rouine an der Feldbergstrasse verantwortet und Leila Moon, die zur neuen aufkommenden DJ-Generation gehört. Bis 1000 Leute seien wieder zu Veranstaltungen zugelassen, hiess es zuletzt, aber wer das Kleingedruckte liest, der*die sieht: In Clubs sind es doch nur 300 Leute, aufgeteilt in Cluster. Wir reden über mögliche Ausweich-Lösungen, neue Formate wie Nachmittags-Raves oder Zusammenschlüsse zwischen unterschiedlichen Basler Clubs oder Veranstaltungsreihen. 

Nach welchen Kriterien habt ihr die Gäste ausgewählt?

Mir war es wichtig, dass ein grösserer Club wie das Elysia mit einem internationalen Booking und seiner High-End-Infrastruktur und mehr Mitarbeiter*innen dabei ist. Und im Vergleich sollte ein kleinerer, neuer Laden wie das Rouine eine Stimme haben. Mir war es wichtig, dass zwei komplett unterschiedliche Situationen abgebildet gezeigt werden und ich bin gespannt, welche Schnittmengen die beiden, und mit ihnen die allgemeine Basler Clubkultur teilen. 

Bajour hat nach Bekanntgabe der Lockerungsschritte Ende Mai einen Talk veranstaltet und dabei ebenfalls über die Nachtkultur gesprochen. Allerdings stand dort die Live-Musik im Vordergrund. Warum braucht es eine zweite Diskussionsrunde, oder: Was ist speziell anders für die Clubs?

Die elektronische Clubkultur kann nicht auf dieselbe Wertschätzung zählen, wie die Livemusik. Leider wird die Arbeit hinter den Kulissen dieser Clubs, aber auch der Musiker*innen – also DJs und Live-Acts – immer noch oft unterschätzt. Das hat man zum Beispiel am politischen Vorhaben ablesen können, das zu Beginn der Pandemie im Raum stand, nur Veranstaltungsorte mit kuratiertem Liveprogramm finanziell unterstützen zu wollen. Später wurde dieses Vorhaben korrigiert.

Einen international gefragten DJ zu buchen bedeutet den gleichen Aufwand, wie dies beim Booking einer angesagten Band der Fall ist. Clubs wie das Elysia oder auch das Nordstern geniessen internationales Renommee. Dies muss auch auf politischer Seite erkannt werden. Sowie das in Berlin, aber auch teilweise in Zürich der Fall ist. Der kulturpolitische Stellenwert der Clubkultur wird also sicher ein Thema sein. 

Du bist selber DJ. Welche Frage interessiert dich am meisten und von wem erhoffst du dir eine Antwort?

Ich erhoffe mir vor allem von den Clubbetreiber*innen, dass sie präzise schildern, wo die Clubkultur steht und was es braucht, um ein flächendeckendes Sterben abzuwenden. 

An welches Publikum richtet sich dieser Talk?

In den letzten Wochen gab es bereits den einen oder anderen Event in den Clubs, bei denen der Ansturm riesig war. Von den Menschen, die an diese Raves gehen, erhoffe ich mir, dass sie zuhören. Dass sie zuhören und erkennen, dass das alles nicht selbstverständlich ist und dass die weitere Existenz der Clubs, in denen sie heute tanzen, in naher Zukunft gefährdet sein könnte. Viele Club-Gänger*innen sind einem Alter, in dem Clubbing und Politik nichts miteinander zu tun haben und man vieles als selbstverständlich erachtet. Natürlich hoffe ich auch, dass auch die eine oder andere Grossrätin zuhört. Aber wir können nicht immer Forderungen an die Politik stellen und selber nichts für das Verständnis für das Funktionieren der Clubkultur tun. 

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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