25 Jahre Bilaterale – nichts zu feiern?!
Eigentlich sollten ein Vierteljahrhundert bilaterale Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz ein Grund sein, zu feiern. Emotionen weckt momentan aber eher der unsichere Ausgang der Verhandlungen des neuen Abkommen-Pakets, schreibt Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Na, heute schon laut gejubelt? Falls ja, dann vermutlich nicht wegen des Jubiläums der bilateralen Abkommen zwischen der EU und der Schweiz – heute vor 25 Jahren hat die Schweiz den Vertrag zu den Bilateralen I unterzeichnet. Viele bekommen entweder nichts mit vom Jubiläum und andere sind sich nicht sicher, ob ein Juchzer angebracht ist. Das Thema Bilaterale provoziert nicht unbedingt überschwängliche Gefühlsausbrüche.
Leider. Denn gerade dieses Jahr, in dem die Schweiz mit der EU das neue Abkommen-Paket schnüren will, wäre der Rückhalt und eine minimale Euphorie der Stimmbevölkerung besonders wichtig.
Für Wirtschaftsvertreter*innen ist es leicht, die Vorteile der Bilateralen aufzuzeigen. Schliesslich profitiert die Schweiz wirtschaftlich wie kein anderes Land vom Zugang zum Binnenmarkt.
Die Allianz stark+vernetzt hat in den vergangenen Tagen mit einer Jubiläumswoche und verschiedenen Veranstaltungen versucht, den Schweizer*innen aufzuzeigen, wie sie im Alltag von den Bilateralen profitieren (Wohlstand, vereinfachter Handel, Personenfreizügigkeit im EU-Raum, bessere Reisemöglichkeiten). In der breiten Masse ist das aber wohl eher nicht angekommen. Wichtig sind solche Aktionen trotzdem.
Für Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse, für die Handelskammer beider Basel, den Arbeitgeber*innenverband oder Hotelleriesuisse ist der 25. Geburtstag klar ein Grund zum Feiern. Auf ihren Websites findet man Statements mit Titeln wie «Bilaterale: Eine Erfolgsgeschichte» oder «Ein Meilenstein für die Schweiz und die Region Basel». «Dank den Bilateralen können wir unsere Souveränität und Demokratie bewahren und von den Vorteilen des europäischen Binnenmarkts profitieren», schreibt der Arbeitgeber*innenverband auf X.
Auf das Verhandlungsmandat mit der EU wird abwechselnd von der SVP oder den Gewerkschaften eingeprügelt. Warum die Spesenregelung halb so wild ist und die Schweiz mit einem Abkommen viel erreichen könnte, erklärt die Basler Europarecht-Professorin Christa Tobler im Interview.
Für Wirtschaftsvertreter*innen ist es leicht, die Vorteile der Bilateralen aufzuzeigen. Schliesslich profitiert die Schweiz wirtschaftlich wie kein anderes Land vom Zugang zum Binnenmarkt. Einer ihrer grössten Vorteile wird der EU allerdings mitunter auch zum Vorwurf gemacht. «Die EU ist in ihrem jetzigen Zustand ein vornehmlich wirtschaftlicher Verband», sagt etwa die frisch ins EU-Parlament gewählte Autorin Sibylle Berg, und meint das nicht als Kompliment. Eine Brückenbauerin könnten die Bilateralen ehrlicherweise gerade mehr gebrauchen, als eine Abgeordnete, die nicht damit gerechnet hatte, mit ihrer Spasspartei tatsächlich ins Parlament einzuziehen.
Man muss aber auch zugeben: Die Schweiz hat in Bezug auf die EU vor allem wirtschaftliche Interessen. Ohne die Aussicht auf Cash wären sicherlich keine Bilateralen I und II zustande gekommen. Auch der SVP, eine der grössten Gegner*innen der Bilateralen III, ist bewusst, dass die Schweiz vom Handel und von den Arbeitskräften aus der EU abhängig ist. Sie gibt es nur nicht gern zu.
Die Völkerverständigung, das Soziale und die gemeinsamen Werte zu betonen, ist wichtig. Am Ende fragt jedoch jede*r: Und, was haben wir davon?
Die Völkerverständigung, das Soziale und die gemeinsamen Werte zu betonen, ist wichtig, hat aus meiner Sicht in einer inländischen politischen Diskussion um bilaterale Abkommen allerdings nicht so viel Schlagkraft wie wirtschaftliche Erfolge. Am Ende fragt ja doch jede*r: Und, was haben wir davon?
Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass ein geplantes Spitzentreffen in Bern zwischen Aussenminister Ignazio Cassis und dem EU-Kommissions-Vize Maros Sefcovic kurzfristig geplatzt ist. Ausgerechnet jetzt, in der Jubiläumswoche, will man sagen. Es sei zu früh, um sich für eine Bestandsaufnahme zusammenzusetzen. Bei manchen Themen habe es Fortschritte gegeben, bei anderen habe man sich noch nicht gefunden. Das klingt nicht richtig schlecht, aber auch nicht richtig gut. Wenn es bis Ende Jahr zu einem Durchbruch kommt, sollte dafür umso mehr gefeiert werden.