Hallo, Grüezi und Bonjour!
Wohin des Weges? Das haben wir Menschen gefragt, die am Dreiländereck ganz selbstverständlich die Grenzen überqueren. Sie alle zeugen davon, wie Europa in der Region Basel gelebt wird.
Wenn man in Basel mit dem Velo den Rhein abwärts fährt, wird das Gefühl, wonach diese Stadt etwas ganz Besonderes ist, mit jedem Tritt in die Pedale stärker. Besonders ist sie, weil international, inmitten dreier Länder gelegen: der Schweiz, Deutschland und Frankreich. Die Grenzen sind zumindest am Dreiländereck, Ziel der heutigen Fahrradtour, verschwommen und nur durch Wasser getrennt. «Hallo und Bonjour» wollen wir die Menschen auf unserem Weg freundlich grüssen und sie fragen, woher sie kommen und wohin sie gehen. Und vor allem herausfinden: Ob sie die Grenzen wirklich mit der vermuteten Selbstverständlichkeit überqueren.
Das Fazit vorweg: Ja, das tun sie.
Da mag sich so manch eine*r fragen, wozu es ausgerechnet hier noch die Volksinitiative «Zämme in Europa» braucht, über die die Kantone Basel-Stadt Ende September und Baselland voraussichtlich kommendes Jahr abstimmen. Sind wir nicht ohnehin schon «zämme in Europa»? Die Initiative wurde von der Europäischen Bewegung Schweiz Sektion Basel initiiert und will in der Verfassung festschreiben, dass sich Basel-Stadt für gute und stabile Beziehungen der Schweiz mit der Europäischen Union und den Nachbarländern einsetzt. Die Befürworter*innen der Initiative, zu denen prominente Namen von links bis rechts gehören, wie die Basler SP-Nationalrätin Sarah Wyss oder die Basler LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein, wollen eine Grundsatzdebatte führen, die weit über Symbolpolitik hinausreichen soll.
Von den guten Beziehungen zeugt bereits bei der Dreirosenbrücke der Chanteur des ruelles, der die Gäste mit seinen Chansons, begleitet von eingängigem Gitarrengeklimper, beglückt; mal spielt er hier, mal in Deutschland, vor allem aber im Elsass. Während des Konzerts ziehen am französischen Himmel Gewitterwolken auf. Nicht zuletzt hat der US-Zollhammer sowie die angedrohten Importzölle auch für die Pharmabranche gezeigt, wie fragil die Welt derzeit ist und uns nochmals anders über die Beziehungen der Schweiz zur EU nachdenken lassen.
Doch davon wollen die Herren, die am Ende der Hafenstrasse stehen, wo die Wiese in den Rhein mündet, zumindest heute nichts wissen. «Hallo und Bonjour. Wo kommen Sie her, wo gehen Sie hin?» Sie arbeiten in der Roche und machen einen kleinen Teamausflug mit Bier und Grillwürstchen. Keine Zeit für dystopische Gespräche also. Lieber erzählen sie stolz, dass sie alle im Dreiländereck wohnen, der Arbeitsort Basel eine sie.
Ein starkes Merkmal dieser Region: Man arbeitet hier, lebt aber anderswo, eben ennet der Grenze. Die freundlichen Herren sollten auf dieser kleinen Reise denn auch nicht die einzigen bleiben, die in Basel entweder für Roche oder Novartis arbeiten und nach Feierabend in das grenznahe Ausland pendeln. Das ist einerseits wenig überraschend, andererseits auffällig. Interessant auch, dass die meisten Pharma-Arbeiter*innen mit einem Lächeln reagieren, wenn sie nach dem Arbeitgeber gefragt werden, als wäre die Frage überflüssig.
Den wohl besten Blick auf das Dreiländereck hat man im Rostigen Anker, wo Mitarbeiterin Rahel erzählt, wie oft dieser Schmelzpunkt von ihren Gästen bewundert wird. Viele Tourist*innen müssten sich erstmal geografisch orientieren (ja, also das hier ist Deutschland, das Frankreich). Seit die Fahrradstrecke unterhalb der Novartis Richtung Huningue (F) ausgebaut wurde, machen aber auch immer mal Velofahrer*innen aus der Region hier Halt, um sich bei einem kühlen Getränk zu erfrischen.
Unfreiwillig im Hafen angelegt hat an diesem Sommertag wiederum ein älteres Paar aus England: «Hello! Where do you come from, where are you going to?» Sie steckten mit dem Boot fest, das einen kaputten Generator habe, erzählen sie. Nun ja, es gibt schlimmere Orte, um zu verweilen. Und sie haben Zeit, sind sie doch bereits seit zwei Jahren unterwegs und quasi pensioniert. Viel Glück wünschen wir.
Und wir radeln weiter die Brücke hoch und wieder hinunter zum Grenzübergang Weil am Rhein – Kleinhüningen, wo wir Samy antreffen. Auch er arbeitet in der Pharma (bei der Novartis) und ist über Deutschland auf dem Heimweg nach Frankreich. Er spricht Französisch, Deutsch, Englisch und Arabisch. Und ihn nerven die Grenzkontrollen hier gewaltig: «Zeitvergeudung», schimpft er, für den verschmolzene Grenzen etwas anderes seien.
Dann kommt auch Nina angeradelt. Die 15-Jährige geht in Basel in die Sekundarschule und holt sich nun im Drogeriemarkt DM im deutschen Rheincenter die nötigen Kosmetik-Produkte, weil sie billiger seien. Ein weiterer Grund, warum die Menschen die Grenzen überqueren: (günstiges) Shopping. So auch Rahima und Akim, die Arm in Arm über die Europabrücke schlendern, allerdings von Frankreich kommend. Sie kämen oft hierher, wohnten in Wittelsheim, hinter Mulhouse, sagen sie. Nun gebe es am Wasser erst einen Drink, dann werde die Kreditkarte im Shoppingcenter zum Glühen gebracht. Sie liebten die Ruhe – und die Sauberkeit im Dreiländereck.
Auf der Brücke begegnet uns Vanessa, sie wohnt in Huningue und ist auf dem Heimweg von der Arbeit bei Manor. Mit der Tram Nummer 8 fährt sie morgens in die Basler Innenstadt und abends zurück. Auch sie ärgert sich über die Grenzkontrollen: Man müsse immer warten, bis fertig kontrolliert werde, egal, ob zwei oder dreissig Fahrgäste sich in der Tram befänden.
Über die vielen Tourist*innen auf der Europabrücke ärgert sich wiederum Katja, auch sie arbeitet bei der Novartis. Mit dem Fahrrad sei hier tagsüber kaum ein Durchkommen: «Es ist eine Katastrophe.» Trotzdem ist es für sie der direkteste Weg nach Hause, nach Fischingen.
Wir wollen sie nicht weiter aufhalten.
Last but not least ist Basler Rahim ein solcher Ausflügler, der den gehetzten Pendler*innen den Weg zu verstopfen scheint. Er ist auf dem Rückweg von der Isteiner Schwelle und schwärmt ein Stück weiter flussaufwärts, beim Grenzübertritt Frankreich – Schweiz, über den neuen Veloweg, der ihn am Restaurant Basso vorbei wieder zurück nach Basel bringt: Eine Verschönerung sei das. Und das Dreiland überhaupt unvergleichbar: «Basel ist Basel», sagt er und düst auch gleich wieder davon.
Hinter ihm her und ihm entgegen düsen weitere Velos sowie aufgemotzte Trottis, die alle davon zeugen, dass Grenzen hier nicht gleich Grenzen sind.