Andreas Zappalà: «Sehr viel schlimmer kann es nicht mehr kommen»

Jetzt ist klar, wie die Regierung die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz» umsetzen will. Der Mieterverband ist immer noch nicht zufrieden. Der Hauseigentümerverband auch nicht.

Wohnungen Basel
Die Diskussion um den Wohnschutz geht weiter. (Bild: © Kanton Basel-Stadt: www.bs.ch/bilddatenbank)

Verhältnismässig ruhig fielen die Reaktionen der regierungsrätlichen Umsetzung des Wohnschutzgesetzes aus. Den lokalen Medien war die Verordnung nur eine SDA-Meldung wert.

Der Wohnschutz beschäftigt die Bevölkerung schon lange. Der Mieterverband ist überzeugt: Wenn man den Markt nicht reguliert, sanieren Eigentümer*innen Wohnungen teuer, um höhere Mieten zu erzielen. Er lancierte daher 2018 die erste Wohnschutzinitiative. Seither steht in der Verfassung, dass der Kanton den Basler Wohnraum vor steigenden Mieten schützen muss.

Doch wie stark?

Darüber streitet sich die Politik seither. Parlament und Regierung verabschiedeten seither ein Gesetz und eine Verordnung. Doch weil es dem Mieterverband zu wenig weit ging, legte er im November 2021 mit einer Durchsetzungsinitiative «Ja zum echten Wohnschutz» nach. Und gewann einmal mehr.

Neu daran: Der Kanton soll 80 bis 90 Prozent des bestehenden Wohnraums vor Renditesanierungen schützen. Parlament und Regierung wollten nur einen Drittel schützen, also nur die günstigsten Wohnungen.

Die Bevölkerung gab ihnen, wie gesagt, recht.

Bevor ein Gesetz aber umgesetzt werden kann, braucht es eine Verordnung. Sie legt fest, wie genau man nun die Mehrheit der Basler Wohnungen vor Renditesanierungen schützen will.

Nun hat der Regierung letzte Woche diese Verordnung präsentiert. Inkrafttreten soll der Plan am 28. Mai 2022. Zum Schluss der Medienmitteilung steht: «Die Frist (...) für den Vollzug bis zum Inkrafttreten der neuen Wohnschutzbestimmungen ist sehr kurz. Der Regierungsrat hofft, dass es in diesem Zusammenhang nicht zu Verzögerungen kommt.»

Zu Verzögerungen könnte es aber kommen. Denn weder Befürworter*innen noch Gegner*innen sind recht zufrieden mit der Arbeit des Regierungsrates.

Wird die Verordnung juristisch angefochten?

Gar nicht glücklich über die Umsetzung seiner Gesetzesinitiative ist BastA!-Grossrat und Co-Geschäftsleiter des Mieter*innenverbandes Beat Leuthardt. «Für uns macht es den Anschein, als ob die Regierung primär die Interessen von Grossinvestoren berücksichtigt haben will» und nicht jene der «ganz normalen Mietparteien» – das erfülle nicht den Sinn des neuen Gesetzes. Für Luethardt ist klar, Wohnschutz darf nicht «von oben» kommen, also nicht aus Investor*innensicht, sondern muss «von unten» und stets im Interesse der Wohnbevölkerung sein.

Wo genau drückt der Schuh?

Störfaktor sei die Regierung, denn diese sagt, sie könne lediglich den Mietzins nach der Sanierung kontrollieren, aber in die Sanierungspläne der Investor*innen reinreden ginge nicht. «Falsch!», findet Leuthardt, «eine solche Handhabung hat wenig mit umfassenden Mietschutz zu tun und bietet Schlupflöcher.»

Beat Leuthard
Nicht wirklich zufrieden: Beat Leuthardt (Bild: Grosser Rat Basel-Stadt)

Mit Schlupflöchern in der Verordnung meint Leuthardt zum Beispiel die Zuschläge für den Mietzins, die gewährt werden können, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. So ein Fall kann eintreffen, wenn ökologische und bauliche Aspekte in der Sanierung berücksichtigt werden – «zu pauschal», wertet Leuthardt entschieden. Denn der Begriff ökologisches Bauen «ist in der Verordnung breit gefasst und unbestimmt». Ein*e Vermieter*in könne auf einfache Weise ein Öko-Zertifikat einholen und damit Zuschläge generieren. Leuthardt spricht vom «grünen Mäntelchen», denn das Missbrauchsrisiko sei hoch.

Ein weiteres Problem gemäss Mieter*innenverband: Hausabbrüche. Man erinnere sich, Abbrüche von Wohnraum sollen gemäss Wohnschutzverfechter*innen die absolute Ausnahme werden, denn laut Mieter*innenverband ist «in fast jedem Fall ökologisches Sanieren umwelt- und mietfreundlicher».

Nun soll es in der Verordnung dazu Ausnahmen geben. Es könne neu eine Abbruchbewilligung erteilt werden, wenn ein*e Investor*in eine Sanierung im Ist-Zustand der Liegenschaft teurer rechnet als ein Abbruch und Ersatzneubau. Heisst, legt der Investor eine Kosteneinschätzung vor, in der die Sanierung teurer zu stehen kommt, darf abgerissen werden. Ein «Prinzipienbruch», sagt Leuthardt, denn im Gesetz zum echten Wohnschutz soll das Prinzip der Wahrung von bestehenden Wohnbeständen prioritär zum Zuge kommen und dementsprechend darauf abzielen, dass nur das Nötigste zur Wahrung des Wohnstandards oder Bausubstanz gemacht werden soll.

Die Rechnung geht nicht auf

Auf der anderen Seite des Spektrums macht man auch keine Freudensprünge über die neue Verordnung. Andreas Zappalà, Geschäftsführer des Hauseigentümer*innenverbands sagt: «Sehr viel schlimmer kann es nicht mehr kommen.» Er geht davon aus, dass durch die sehr technisch-lastige Verordnung noch einiges an Ungereimtheiten entstehen könnten, ergo sei es zu früh um ein vollumfängliches Fazit zu ziehen. Gewisse Punkte sind aber Zappalà bereits jetzt ein Dorn im Auge. So beispielsweise die Verzinsung des Kapitals.

Eine kurze Erklärung: Wenn eine Person in ihr Wohneigentum investiert und daraus für dessen Mieterschaft eine Mietzinserhöhung anstreben möchte, wird das per Verordnung genau geregelt. So darf er oder sie lediglich 50 Prozent der Investition als wertvermehrend (also für die Mietzinserhöhung) geltend machen. Dafür wird im zweiten Schritt ein Zinssatz von 2,3 Prozent geregelt.

Hier die Rechnung: Bei einer Investition von 100’000 Franken darf nur 2,3 Prozent (Kapitalisierung) von den 50’000 (die 50%) zur Berechnung der Mietzinserhöhung genutzt werden. Das ergibt: 1150 Franken. Darin bewegt sich der erlaubte Ertrag zur Mietzinserhöhung.

Doch wo der Goldfisch schwimmt, ist der Haken unweit: Da ursprünglich 100’000 Franken investiert wurden, liegt der eigentliche Zinssatz bei 1,15 Prozent. Darin sieht der FDP-Grossrat das Problem: «Da das Kapital oft nicht vorhanden ist, müssen viele privaten Eigentümer solche Investitionen über die Aufnahme einer Hypothek finanzieren. Der Hypothekarzins, den dieser Eigentümer an die Bank zahlen muss, dürfte in vielen Fällen höher sein als diese 1,15 Prozent.»

Andreas Zappala
Auch nicht ganz zufrieden: Andreas Zappalà (Bild: Grosser Rat Basel-Stadt)

«Wenn also die zulässigen Mietzinsmehreinnahmen nicht einmal den Zins decken, den er an die Bank zahlen muss, könnte es dazu kommen, dass der Eigentümer auf seine Investition verzichte», so Zappalà. Dann gibt es halt keine Anpassung der Standards für Bad oder Küche, die möglicherweise in die Jahre gekommen sind. Diese Regulierung ist insofern für den Geschäftsführer des Eigentümer*innenverbands überraschend und befremdend zugleich, weil der Regierungsrat die gemäss Bundesrecht zulässigen Erhöhungssätze «um die Hälfte reduziert hat».

Nochmal fürs Verständnis: Das Bundesrecht definiert mit 2,3 Prozent einen höheren Zinssatz zur Berechnung als der Kanton Basel-Stadt und das schlägt auf die Rendite der Investor*innen.

Ein weitere Regelung, wo die Verordnung in Zappalàs Augen dürftig abschneidet, ist die verpasste Chance, bürokratische Hürden abzubauen. Die Verordnung verlangt, dass der vordefinierte Mietzins innerhalb von 5 Jahren gesichert bleibt. Dieser wird zur Kontrolle im Grundbuch eingetragen. «Wir kritisieren nun, dass kein Automatismus in diesen Prozess eingeführt wurde und der Grundbucheintrag nach Ablauf von 5 Jahren nicht automatisch gelöscht wird», beschreibt Andreas Zappalà das Problem. Eigentümer*innen müssen nach Frist bei der Wohnschutzkommission einen Antrag zur Löschung einreichen. «Das ist alles sehr kompliziert und kostet Zeit und Geld»

Spekulationsinstrument oder bürokratische Lappalie

Obwohl sich die zwei Politiker beim Thema Wohnschutz konträr gegenüber stehen, sind sie sich bei einem Thema doch einig – zumindest ein wenig. Und zwar beim Einbezug des Landwertes bei der Berechnung des zukünftigen Mietzinses für Neubauten.

Neubauten sind für Leuthardt sowieso ein No-Go. Eigentlich regelt das Gesetz, dass grundsätzlich saniert, statt abgerissen werden soll. Kommt es aber doch zu diesem Fall, muss der Mietzins, mit Rücksicht auf eine bestimmte Mietzinsgrenze, neu unter Einbezug eines definierten Landwertes berechnet werden. «Ein Spekulationsinstrument», moniert Beat Leuthardt. So habe ein Grossinvestor stützend auf die Verordnung ein weiteres Marktelement um zu seinen Gunsten Mietzinserhöhungen anzuschrauben – das verfehle den Sinn des Wohnschutzgesetzes komplett. Denn, «das Gesetz will ja genau solchen spekulativen Marktmechanismen einen Riegel vorschieben».

Zappalà sieht das nicht ganz so eng. Ihn stört, dass Eigentümer*innen zuerst eine Schätzung des Landwertes bei der kantonalen Bodenbewertungsstelle beantragen und diese dann bei der Wohnschutzkommission einreichen müssen. Die Kritik hier ist, dass zusätzliche Bearbeitungskosten für Eigentümer*innen entstehen und dass es bei erhöhter Nachfrage, möglicherweise zu Sanierungsverzögerungen kommen könne.

Wer nun denkt, dass das letzte Kapitel zum Wohnschutz geschrieben sei, könnte sich täuschen. Für Leuthardt und den Mieter*innenverband stehen weitere rechtliche Schritte im Raum. Und wenn es nicht dazu kommen sollte, dann ist auch in der Debatte über die Einzelheiten noch nicht das letzte Wort gesprochen. Schliesslich wird sich aus der Praxis der Wohnschutzkommission, die für die Umsetzung der Verordnung verantwortlich ist, weitere Details und Handhabungen herauskristallisieren.

Sowohl Befürworter*innen, als auch Gegner*innen dürften also mit grosser Aufmerksamkeit auf den 28. Mai warten, auf den Tag an dem die Verordnung in Kraft treten soll. Und dann wird vielleicht ein neues Kapital aufgeschlagen.

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