Cramer wäscht den Wohnschutz auf Eco-Programm
Seit Einführung des Wohnschutzes wird weniger gebaut und niemand ist wirklich zufrieden. Die Basler Regierung will gegensteuern und mit höheren Mietaufschläge die Bautätigkeit ankurbeln. Widerstand ist programmiert.
Auf den Punkt:
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Regierungspräsident Conradin Cramer stellte schon direkt zum Anfang seiner Pressekonferenz fest: «Der Wohnschutz gilt!» Es schien, als wolle er auf keinen Fall den Eindruck erwecken, die Regierung wolle über den Haufen werfen, was das Basler Stimmvolk vor bald vier Jahren entschieden hatte: Dass die Mieten nicht exorbitant steigen dürfen, nachdem das Gebäude saniert, umgebaut oder neugebaut wird.
Das hat funktioniert. Im Schnitt steigen die Mieten in Basel heute nach Sanierungen noch um 68 Franken, wie der Mieter*innenverband (MV) jüngst in einer Auswertung errechnete. Das gefällt aber nicht allen: Die auch in der Immobilienbranche äussert aktive Versicherung Baloise zum Beispiel findet, dass man damit zu wenig Rendite erwirtschaftet.
Und weil Investor*innen deshalb in Basel zurückhaltender wurden, ist die Bautätigkeit in der Stadt gesunken – und Handwerker*innen klagen über ausbleibende Aufträge. Die Regierung sieht das kritisch. Denn es gibt ja auch das ebenfalls vom Basler Stimmvolk beschlossene Klimaziel: Netto null CO2-Emissionen bis 2037. Dazu braucht es ökologische Sanierungen.
«Sanierungen müssen wieder attraktiver werden.»Conradin Cramer, Regierungspräsident
«Der Klimaschutz gilt uns auch als Hochziel», sagte dazu Conradin Cramer, der sich für die Pressekonferenz eine grüne Krawatte angezogen hatte. Deshalb war für ihn klar: «Sanierungen müssen wieder attraktiver werden.» Dieses Ziel verfolgen die vier Änderungen, die nun bei der Verordnung über den Schutz von Wohnraum vorgenommen werden. Kantons- und Stadtentwickler Lukas Ott stellte diese im Detail vor:
Kein Drama mehr um Geschirrspüler
Bisher mussten Vermieter*innen «alles, was über Instandsetzung hinausgeht», der Wohnschutzkommission (WSK) melden. Das hat laut Ott zu Verwirrung geführt: «Was ist Instandsetzung und was schon wertvermehrend?» Künftig gibt es pro Jahr und Wohnung eine «Belanglosigkeitsgrenze», wie Cramer sie nennt: Investitionen bis 5000 Franken sind meldungsfrei möglich – allerdings nur, wenn sie die Miete nicht erhöhen. Vermieter*innen müssen also nicht mehr den Einbau jeder Geschirrspülmaschine der WSK melden.
Kleinere Sanierungen werden abgestempelt
Mit dem «vereinfachten Bewilligungsverfahren» ist es möglich, nach «kleineren Sanierungen» die Monatsmiete bis zu 80 Franken (bei bis zu zwei Zimmern), 120 Franken (drei Zimmer) beziehungsweise 160 Franken (ab vier Zimmer) zu erhöhen. Bisher wurden diese Anträge detailliert von drei WSK-Mitgliedern geprüft. Nun soll jeweils nur noch ein Mitglied eine «summarische Prüfung» vornehmen. Ott vergleicht es mit einer Steuererklärung: «Man schaut sich an, ob die Angaben plausibel sind.» Das Verfahren soll so «schneller und einfacher» werden, erklärt Cramer.
Grosse Sanierungen brauchen Öko-Nachweis
Wer grössere Sanierungen plant und die Miete stärker erhöhen will, muss ein «umfassendes Verfahren» beantragen. Hier zieht Cramer die Schraube an: Dem Antrag muss künftig ein Nachweis beiliegen, dass durch das Bauprojekt die Betriebsenergie des Gebäudes um mindestens 15 Prozent sinkt (z.B. durch GEAK-Ausweise). Laut Ott hat die WSK aber auch hier einen Ermessensspielraum: Bei besonders energiesparenden Gebäuden, deren Effizienz sich kaum mehr steigern lässt, kann dieser Nachweis auch als hinfällig beurteilt werden.
Keine halben Sachen mehr bei Mietschutz-Mathe
Beim «umfassenden Verfahren» wird mittels einer komplizierten Formel die maximale Mieterhöhung berechnet. Dämpfend in dieser Formel wirkt der Reduktionsfaktor «x0,5». Dieser wird nun gestrichen. Gleichermassen können künftig nur noch 40 statt bisher 50 Prozent der wertvermehrenden Investitionen für die Mieterhöhung berechnet werden – ausser, es handelt sich um besonders wertvolle ökologische Massnahmen, dann kann die WSK auch mal 70 Prozent der Investitionen als Berechnungsgrundlage nehmen.
Der letzte Punkt ist freilich das Herzstück der Revision – damit werden künftig wieder höhere Mietzinsaufschläge möglich. Ott macht zwei Beispiele: Bei einer normalen Küchensanierung (Investition: 20’000 Franken) würde die monatliche Miete statt um 9,93 Franken künftig um 18,64 Franken steigen. Und bei einer aufwändigen ökologischen Sanierung in einem Mehrfamilienhaus (Investition: 60’000 Franken) um 139,97 Franken statt um 59,58 Franken.
Das sind viele Zahlen. Relevant ist vor allem eine, die Ott nach Ende der Medienkonferenz bekannt gibt: Mit der Revision können die Mieten nach Sanierungen jetzt um 89 Prozent mehr erhöht werden als bisher.
«Das wird dazu führen, dass Miete nach Sanierungen wieder massiv erhöht werden.»Pascal Pfister, Co-Präsident Mieter*innenverband Basel
Es ist wenig überraschend, dass Pascal Pfister damit nicht zufrieden ist. Der Co-Präsident des Basler Mieter*innenverbands ist nach der Pressekonferenz vor dem Rathaus anzutreffen. «Das wird dazu führen, dass Mieten nach Sanierungen wieder massiv erhöht werden – schlimmstenfalls so hoch wie vor der Wohnschutzgesetzgebung.» Damit könnten auch Massenkündigungen wieder zu einem Thema für Basel werden. Pfister ist sehr beunruhigt. Dass der MV eine oder beide der angedrohten Initiativen lanciert, sei wahrscheinlich.
Zwei quasi pfannenfertige Initiativen hat der MV kürzlich vorgestellt:
Orangene Initiative für «Vereinfachung und Anti-Bürokratie»: Das zugrundeliegende Wohnraumfördergesetz soll «kürzer und einfacher» werden – und damit auch die Anträge schneller bearbeitet werden.
Grüne Initiative für Wohn- und Klimaschutz: Ökologische Sanierungen sollen nicht mehr auf die Mietpreise aufgeschlagen werden können. Stattdessen sollen sich Investor*innen aus einem staatlichen Fonds bedienen, um die nötigen Öko-Sanierungen zu finanzieren.
Doch auch auf der Gegenseite klingt man nicht vollends überzeugt von der Revision: Der Hauseigentümer*innenverband Basel-Stadt (HEV) und der Immobilienwirtschaftsverband SVIT beider Basel veröffentlichten noch vor Ende der Medienkonferenz eine gemeinsame Mitteilung. Darin ist von «punktuellen Erleichterungen» die Rede. Gerade für energetische Sanierungen würden allerdings weiterhin «bürokratische Hürden» bestehen. «Der grosse Wurf bleibt aus.» Mehr Investitionen seien damit erstmal nicht möglich.
Conradin Cramer scheint als einziger glücklich über den Kompromiss zu sein, den er gezimmert hat. Vor ihm liegt noch viel Arbeit, wenn der Wohnschutzstreit beigelegt werden soll. Mit der Pressekonferenz versuchte er jedenfalls schon mal, die öffentlich aufgeheizte Stimmung etwas zu mildern: «Wir haben in Basel keine feindlichen Verhältnisse zwischen Mietern und Vermietern. In den allermeisten Fällen sind Mietverhältnisse ein sehr gutes und vertrauensvolles Zusammenarbeiten.»
Die Regierung zeigt das Dilemma auf, das die Investor*innen keine ökologischen Sanierungen vornehmen, wenn für sie wegen des Wohnschutzes nicht genug Rendite rauskommt – und lockert deshalb den Wohnschutz. Wir wollen wissen, welches Ziel für Basel wichtiger ist: Wohn- oder Klimaschutz?