Jetzt auf den Klimastreik einzuprügeln ist peinlich

Einige Medien und Kommentator*innen machen den Klimastreik für das Scheitern des CO2-Gesetzes verantwortlich. Dies ist inhaltlich falsch und dazu auch noch peinlich. Ein Kommentar.

Strike for Future in Basel am Freitag, 21. Mai 2021
Der «Strike for Future» in Basel im Mai 2021.

Dieser Kommentar ist zuerst am 15. Juni 2021 auf unserem Partnerportal Tsüri erschienen. Tsüri gehört wie Bajour zu den verlagsunabhängigen Medien der Schweiz. Die Redaktion setzt einen Fokus auf die Klima-Berichterstattung und plant eine Klima-Redaktionsstelle zu schaffen. Hier kannst du Tsüri unterstützen.

__________

Das CO2-Gesetz, das am Sonntag gescheitert ist, ist eine sogenannte Behördenvorlage. Das heisst, National- und Ständerat haben so lange Kompromisse geschmiedet, bis (fast) alle ein wenig hinter dem Gesetzesentwurf stehen konnten. So richtig euphorisch war niemand, höchstens die abtretende FDP-Präsidentin Petra Gössi versprühte einen Hauch von Freude.

Der Klimastreik war gespalten, weil ihm das Gesetz zu wenig wirkungsvoll schien. Nun werden die jungen Aktivist*innen für das Scheitern des Gesetzes verantwortlich gemacht. Absurd. Im Tages-Anzeiger heisst es beispielsweise: «Die Klimajugend hilft ihrem ärgsten Feind, der Öl-Lobby.» Oder auch: «Es gibt niemanden, der seiner eigenen Sache so sehr geschadet hat wie der Klimastreik.» Und am Schluss des Artikels stellt der Journalist tatsächlich noch die Frage, ob es der Klima-Bewegung wirklich um das Klima oder einfach um politischen Radau geht.

Auf Twitter kochen die Emotionen ab diesen Schuldzuweisungen hoch.

Völlig zu Recht wehren sich die Klimastreikenden gegen die Schuld am Abstimmungs-Nein zum CO2-Gesetz. Natürlich hätten sie mit voller Kraft mobilisieren können und dann hätte es vermutlich für ein Ja gereicht. Aber dies ist nicht der Punkt. Viel wichtiger sind die Erkenntnisse aus der Tamedia-Nachwahlbefragung.

Diese zeigen auf, dass die Wähler*innen der linken und grünen Parteien das CO2-Gesetz mit grosser Mehrheit angenommen haben. Entgegen ihren Parteiparolen haben aber die Wähler*innen von FDP und Die Mitte die Vorlage mehrheitlich abgelehnt.

Schuld am Scheitern sind also nicht die Jungen und schon gar nicht der Klimastreik. Schuld ist allenfalls das Parlament, welches das CO2-Gesetz überladen hat. Schuld daran, dass die Schweiz noch immer keine ambitionierte Klimapolitik verfolgt, sind aber die Bürgerlichen, dies zeigen die obigen Zahlen. Es sind just auch jene Parteien und Organisationen, welche uns die Klimakrise eingebrockt haben.

Der Klimastreik ist Teil der Lösung.

Politik ist ja gar nicht so langweilig!
Bajour

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Dominik Straumann Pantheon Muttenz

David Rutschmann am 22. April 2024

«Eine Abspaltung wäre für beide Seiten sehr dumm»

Dominik Straumann gilt als moderater SVPler, den jetzt der extreme Regez-Flügel als Parteichef im Baselbiet zu Fall gebracht hat. Hat er die Hardliner*innen selbst zu lange geduldet? Ein Interview über chaotische Tage in der Kantonalpartei, den Weg aus der Krise und warum es bei der SVP kein Co-Präsidium geben wird.

Weiterlesen
Familie Geburtenrate

Ina Bullwinkel am 19. April 2024

Angst vor Kindern

So wenige Kinder wie jetzt sind noch nie in der Schweiz geboren. Es ist höchste Zeit, dass das Land familienfreundlicher wird, meint Chefredakteurin Ina Bullwinkel. Besonders attraktiv ist das Elternwerden nämlich nicht, und eine Gesellschaft, die sich nicht reproduziert, verarmt.

Weiterlesen
Hörsaal Universität

David Rutschmann am 18. April 2024

Wie erfolgreich wären Studis ohne Matur?

In Basel sollen Über-30-Jährige auch ohne Matur an die Uni gehen können, wird im Parlament gefordert. Vorbild sind die Unis Bern und Fribourg, die bereits solche Programme haben. Doch wie laufen die überhaupt?

Weiterlesen
Dreirosen

Valerie Zaslawski am 17. April 2024

Dreirosen-Schulhäuser werden doch nicht bewacht

Drogendeals in der Schule, Belästigung auf dem Schulweg: Wegen dieser Vorwürfe kündigte Justizdirektorin Stephanie Eymann eine Bewachung der Schulhäuser rund um die Dreirosenanlage an. Ein Vorstoss forderte präzisere Infos. Diese zeichnen ein weniger aufgeregtes Bild.

Weiterlesen

Kommentare