KI macht keine neuen Beethovens
Der AI-ESC an der Uni Basel war eine Werkschau künstlich generierter Lieder. Die Frage, ob Maschinen Kunst schaffen können, konnte das auch nicht klären. Vielmehr wurde deutlich: KI wird eine sowieso schon prekäre Branche weiter unter Druck setzen.
Auf den Punkt:
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Künstliche Intelligenz kann vieles und immer mehr. Wenn Texte und Bilder mit ein paar gezielten Befehlen quasi aus dem Nichts geschaffen werden, ist auch das Komponieren von Songs keine Schwierigkeit mehr. Mit Websites wie Suno kann man in unter einer Minute einen Song generieren.
Maschinenmusik. Aber wie schon Charlie Chaplin in The Great Dictator sagte: «You are not machines! You are men! You have the love of humanity in your hearts!»
Also: Kann diese Musik auch das leisten, was Musik leisten soll: Uns berühren? Überraschen?
Eine kleine Abhandlung dieser philosophischen Frage spielte sich am Montagabend in der abgedunkelten Aula der Universität Basel ab. Anlässlich des in der Stadt gastierenden grössten Musikwettbewerbs der Welt hat sich die Uni einen Spass daraus gemacht, einen kleinen Eurovision Song Contest auf die Beine zu stellen – mit Liedern, die ausschliesslich von KI geschaffen wurden.
69 Songs wurden für den «AI ESC» eingereicht und für jedes Land wurde random ein Song für das Finale ausgewählt, so dass letztendlich 15 Beiträge präsentiert wurden – immer mit einer zum Song passenden Auswahl von KI-generierten Bildern im Hintergrund.
Zunächst das Wichtigste: Ja, selbst wenn Maschinen alle Songs komponieren, landet Deutschland beim Eurovision Song Contest noch auf dem letzten Platz. Und auch sonst wurden zahlreiche ESC-Klischees erfüllt: Nordeuropa schickte entweder Pagan Metal (Finnland), EDM (Island) oder volkstümliche Musik (Litauen) an den Start – und Südeuropa schmachtet Balladen (Griechenland, Italien) hin.
Tschechien konnte zeigen, wie es klingen würde, wenn Ed Sheeran eine Schlager-Richtung einschlagen würde. Auch die Riffs in den Metal-Songs taugten tatsächlich was – beispielsweise beim polnischen Klagelied über eine wütende KI. Und der französischer Chanson ist gelungen – es geht um Dory, den Fisch aus «Findet Nemo». Man denkt sich seinen Teil.
«Vielleicht schafft es KI durch Zufall so etwas Ähnliches wie Kreativität zu simulieren. Aber kreativ ist das nicht.»Lukas Rosenthaler, Professor Digital Humanities Lab
Am besten gefiel der Crowd aber der Beitrag der Schweiz: «Muh for Freedom». Ein elektronischer Spass-Song auf Schweizerdeutsch gerappt aus der Perspektive einer Kuh, die ESC-Star werden will. Eline, die den Song gemeinsam mit ihrem Kollegen Sven geprompted hat (von «geschaffen» kann man nicht wirklich sprechen), sagte bei ihrer Dankesrede, dass es schwierig gewesen sei, der KI zu vermitteln, dass man keinen Schlager wolle, nur weil der Song auf Schweizerdeutsch sein soll – und dass doch bitte eine weibliche Stimme rappen soll.
Allein diese unterhaltsame kleine Show wäre einer Uni aber nicht würdig. Eingebettet in den Wettbewerb war deshalb auch eine Panel-Diskussion über Chancen und Risiken von KI fürs Musikschaffen. Die Chancen waren schnell erzählt, man hatte sie ja in den kurzen Songs gehört. Deshalb ging es vor allem um die Risiken – und auch ein bisschen um die Grenzen der Schaffenskraft von KI.
«Das ist keine schwarze Magie. Am Ende sind es nur Statistiken und Mathe – unsere Algorithmen sind höchst komplex, aber eigentlich recht dumm», sagte zum Beispiel Lukas Rosenthaler, Professor im Digital Humanities Lab. «Vielleicht schafft es KI durch Zufall so etwas Ähnliches wie Kreativität zu simulieren. Aber kreativ ist das nicht. Die KI kann sich nur bei bestehender Musik bedienen und sie neu anordnen. Das ist wie Malen nach Zahlen. Auf Dauer ist das langweilig.»
«Damit uns diese Musik berührt, braucht es nicht allein Können, sondern eine künstlerische Vision.»Lukas Loss, Interfinity Festival
Dass bestehende Musik formt und beeinflusst, wie neue Musik entsteht, sei aber auch bei Menschen nicht anders, argumentierte Lukas Loss. Er hat beim Interfinity Festival auch schon KI-Kompositionen vorgestellt – und ein Quiz gemacht, ob das Publikum erkennt, welche Kompositionen KI-generiert und welche von Menschen verfasst wurden.
Er findet, dass man jetzt schon weitaus komplexere Musik von der KI generiert bekomme als noch vor zwei Jahren. Er vergleicht es damit, dass die Qualität von Musiker*innen in der Klassik in den vergangenen 100 Jahren massiv gestiegen sei. «Da gibt es Menschen, die auch fast schon Musizier-Maschinen sind. Damit uns diese Musik berührt, braucht es nicht allein Können, sondern eine künstlerische Vision.»
Für ihn ist KI ein weiteres Instrument, das wir Menschen verwenden, um Musik zu machen. «Als die ersten Klaviere gebaut wurden, hiess es auch: Das ist keine echte Musik, da muss man ja nur eine Taste drücken. Aber nur weil es Klaviere gibt, ist nicht jeder Beethoven.» Welches die gut klingenden Melodien und Rhythmen sind, die von der KI auf Befehl geschaffen werden, müsse immer noch ein Mensch kuratieren. «Aber da könnte dann schon auch etwas Geniales, Neues darunter sein.»
Loss findet allerdings auch: «Als Komponist*in muss man mit der Zeit gehen. In der Branche werden damit sicher einige Jobs verloren gehen – aber auch neue entstehen.» Widerspruch kam von Christian Flueler, einem Musiker, Tontechniker und Trend Scout: «Nicht einige Jobs, sondern die ganze Branche wird verloren gehen.»
«Wir sind Fan von Bands, sehen sie gerne live. Das wird KI nie leisten können.»Christian Flueler, Musiker
Es herrschten sowieso schon prekären Bedingungen für unabhängige Musiker*innen und Labels: «Wenn Spotify mit KI-Musik geflutet wird, kriegen Indie Bands noch viel weniger als heute. Es braucht dringend neue Modelle zur Finanzierung von Musiker*innen.» Flueler hat dennoch keine Angst, dass der Mensch als Musiker*in verloren geht: «Wir haben nicht nur zur Musik eine Verbindung, sondern auch zu den Menschen, die sie machen: Wir sind Fan von Bands, sehen sie gerne live. Das wird KI nie leisten können.»