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Die Susan Sontag Ultras sind los! Eine Art Blog, Tag 1 zum Nachlesen.

Kompromisslose Updates aus der Art-Zone.

09/20/21, 09:36 AM

Aktualisiert 09/21/21, 09:21 AM

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Es ist Art Basel und das hier ist dein direkter Draht in die schillernde Welt der Reichen und Distinguierten. Wir sammeln Beobachtungen und Szenen, suchen das Grosse im Kleinen und die Bar. Wenn wir sie gefunden haben und wer sonst noch da abhängt erfährst du auf diesem Kanal zuallererst. Gute Reise!

Santa Blau an der Art Unlimited. Die Securitas streichelt sanft den Talar.

Santa Blau an der Art Unlimited. Die Securitas streichelt sanft den Talar. (Foto: Sascha Rijkeboer)

Nur wer zum feinsten Zirkel gehört, darf an Tag 1 in die Unlimited spienzeln. Sascha Rijkeboer, queere*r Aktivist*in, Journalist*in und Film-Star hat Zutritt zur exklusiven Preview erhalten und berichtet brüheiss aus dem Inneren des kulturellen Epizentrums:

«Ein echtes Brothaus Knusper Knäuschen». Dazu das Foto eines Hauses, ganz aus Brot.

Dann das Foto von oben. Wer ist das und was geht dort vor sich? Sascha schreibt: «Weiss nid? Security und Arty Santa Backstage?

Sascha berichtet weiter:

Kein Champagner? SKANDAL!

Kein Champagner? SKANDAL! (Foto: Sascha Rijkeboer)

Zu guter Letzt ist, so berichtet Sascha (erleichtert?) doch noch irgendwo Alkohol aufgetaucht und zwar an der Präsentation der Swiss Art Awards. Wir gratulieren Sascha sehr herzlich zu diesem Fund und robben ebenfalls langsam zum Kühlschrank, um diesen aussergewöhnlich schönen und extrem intensiven ersten Tag an der Art Basel zu verdauen.

Sascha Rijkeboer, soviel Transparenz soll sein, war eine zeitlang Kolumnist*in für Bajour. Hier kannst du alle Texte dieser sehr guten Kolumne nachlesen.

Viel Spass und bei der Rückwärts-Nachlese des ersten Art-Tages, wir lesen uns morgen wieder. Ciao for now.

Eine Störaktion mitten im Foyer der UBS!

Eine Störaktion mitten im Foyer der UBS! (Foto: Daniel Faulhaber)

Als einer der Sponsoren ist auch die Bank UBS Teil des Art Parcours. Am Aeschenplatz hat sie eine Filiale und im kronleuchterumkränzten Foyer zerschiesst abrupt unsere Hoffnung auf eine vom profanen Leben unangetastete, vom Joch der politischen Realität für einmal NICHT verbrämte Berichterstattung. 

Aber nun kommen wir nicht umhin, zusammenzubringen was vielleicht nicht zusammengedacht war.

Die dritte Station des Art-Parcours, verantwortlich zeichnet der Künstler Augustas Serapinas aus Litauen, adressiert den Klimawandel. Der Künstler wollte im September 2020 anlässlich der Biennale in Riga Schneemänner bauen, aber weil kein Schnee mehr da war, baute er Figuren aus Erde, Wasser und Heu. Die «Schlammmenschen», Mahnmale der Klimaerhitzung, waren als letztes Jahr in Lettland zu sehen.

Heute blockieren sie das Foyer einer Bank in Basel.

So präsentiert sich nämlich dieses Kunstwerk im Kontext seiner Umgebung: Zwischen dem Haupteingang der Filiale beim Aeschenplatz und dem grosszügigen Kundenschalter im Innern der Bank stehen oder kauern jetzt Figuren, die durch ihre blosse Präsenz einen reibungslosen Durchgang der Kundschaft stören. Die dadurch ausgelöste Irritation ist Teil der Installation und verfolgt selbstredend den Zweck, ein Nachdenken über das Motiv dieser Störung auszulösen. Das Motiv ist, das steht auf Tafeln innerhalb und ausserhalb der Bank gut lesbar geschrieben, an den Klimawandel zu mahnen. 

Ein schönes Stück! Zeitnah! Wie aus dem Leben gegriffen!

Als im Sommer 2019 Klimaaktivist*innen einen Geschäftssitz der UBS am Aeschenplatz blockierten, wollten sie mit der Störaktion auf Investitionen der Bank in fossile Energien hinweisen. Allein, die klimawandelsensible Performance war damals von kurzer Dauer, die Blockade wurde auf Antrag der Bank geräumt, die Aktivist*innen landeten vor Gericht. Weil sie sich zuvor mit der Bank auf einen Vergleich einigten, ergingen dann doch noch Freisprüche für alle. 

Aber das war im echten Leben. Das hier ist Kunst. Ob die Parallelität auf der symbolischen Ebene so gedacht war? Die Info-Tafeln geben darüber keine Auskunft.

Unrat unter Schönheit.

Unrat unter Schönheit. (Foto: Daniel Faulhaber)

Auf der Treppe vom ersten in den zweiten Stock liegt allerlei Zeugs herum und selbst unter der Maske riecht es ob all der Blüten am Boden schwer nach Kamille. Verantwortlich für das Chaos ist der Künstler Jason Dodge*. 

Worin der Kniff seiner Arbeit besteht könnte ich an dieser Stelle natürlich schon ausbuchstabieren, aber erstens ist es von der Message her ja irgendwie selbsterklärend, einen Haufen Dreck in ein Museum zu schmeissen und zweitens geht mir als Susan Sontag Ultra diese Erklärerei auch auf den Sack. 

Gegen des Interpretieren! Wenn das Kunstwerk nicht für sich selber spricht, dann hat es auch keine Zuhörer*innen verdient, denke ich wild und verdrossen aber natürlich kniee ich da schon längstens wie so ein Schulbub mitten im Dreck und versuche die Texte auf den abgerissenen Papierschipseln zu entziffern. «Netze und Fallen aus Weiden gewoben mit Schönheit und Präzision» steht da. Beim Rausgehen klopfe ich verstohlen den Kamillenstaub aus der Hose. 

Zeichen! Zettel! Überall Bedeutungen und Botschaften!

Zeichen! Zettel! Überall Bedeutungen und Botschaften! (Foto: Daniel Faulhaber)

Durcheinandergehen.

Durcheinandergehen. (Foto: Daniel Faulhaber)

Endlich raus aus der Trockenübung und rein in die Materie. Auf dem Marktplatz findet im Rahmen des Art Parcours eine Performance statt, bei der das gemeine Stadtvolk und eingeweihte Kunstinteressierte durcheinandergehen. Eine Tafel am Rand erklärt, das Gehen helfe der inneren Einkehr, sowie der Entdeckung. Viele berühmte Männer, genannt werden Goethe, Kierkegaard, Pablo Neruda und Buddha, seien passionierte Geher gewesen.

Einstein hätte sich oft verlaufen, steht auf der Tafel. 

Lost Legends. Das könnte auch ein Bandname sein. Toll wie diese Art schon an Tag 1 kreative Energie unter die Schädeldecke powert, da wird man gleich lustig. Die Parcours-Station über das Gehen stammt vom britischen Künstler Hamish Fulton. Weiter gehts. 

So sieht der Messeplatz zur Zeit aus.

So sieht der Messeplatz zur Zeit aus. (Foto: Daniel Faulhaber)

Erstes Herantasten an die Location und den SLANG dieser Messe. Rund um den Messeplatz war während einer Art Basel auch schon mehr los, aber anstatt auf protzige Bungalows oder eine peppige Favela haben sich die Location Designer zur Ausgabe 2021 auf ein paar Sitzgelegenheiten mit Grünzeug beschränkt.

Ansonsten ist die Stimmung auf dem Messeplatz noch einigermassen aufgeräumt. Die Normalbevölkerung hält sich vom Aufkommen her mit den Gäst*innen die Waage.

Im Vorbeigehen haben wir zwei Schwellengänger*innen belauscht. Das sind diese mitteljungen Leute, wahrscheinlich Kunststudent*innen, die während der Art Basel-Woche jeweils so tun als kämen sie aus Los Angeles (grosse Sonnenbrillen) oder Miami (sehr kurze Dreiviertelhosen), aber halt nicht von hier.

Sagt der eine Schwellengänger zum anderen, auf einer der Sitzgelegenheiten vor dem Eingang zur Design Miami/Basel sitzend:

«Weisst du, wie man der Art Basel auch sagt?»

«Nein, wie?»

«Art Nasel»

«Haha, warum?»

«Na weisst du, wegen dem da.»

Der Schwellengänger reibt sich mit dem Zeigefinger unter der Nase, um damit auf geheimnisvolle Weise auf den erhöhten Kokainkonsum während der Art Basel anzuspielen. Das Gerücht, es komme während den grossen Messen wir der Uhren und Schmuckmesse, oder eben der Art Basel, zu erhöhten Kokainwerten im Abwasser, hält sich hartnäckig, konnte aber bis jetzt statistisch nicht nachgewiesen werden.

«Ah, haha, Art Nasel, das ist ja lustig.»

Ja, und du kannst das auch kombinieren mit dem Titel der Buchmesse «I never read», aber anstatt «I never read» sagst du «Art Basel, i never eat».

«Haha, stimmt, weil man so wenig Hunger hat immer.»

«Genau.»

Wir lassen das so stehen und ziehen ab. Um 16:00 Uhr beginnt auf dem Marktplatz eine Mitmach-Performance von «walking artist» Hamish Fulton. Dann gehts ab auf den Art Parcour. Mitmach-Performance, das klingt heftig. Wer weiss, wo die Bar steht, darf sich jetzt bei uns melden.

Da isser! Brad Pitt an der Art Basel! Ist allerdings länger her, das Foto entstand 2009.

Da isser! Brad Pitt an der Art Basel! Ist allerdings länger her, das Foto entstand 2009. (Foto: KEYSTONE/Karl-Heinz Hug)

Tolle Nachrichten aus dem Hause Bajour: Der Adler ist im Nest! Wir konnten über geschicktes Networking ein*e Agent*in in in die vollkommen exklusive Preview der Art Basel von heute Montag einschleusen. Später kriegen wir, so hatten wir verabredet, ein paar Hot Takes aus dem Innern der Messehallen geliefert. 

An Tag 1 der Art Basel haben sich in den vergangenen Jahren ja schon allerhand Promis in dieser Stadt blicken lassen. Brad Pitt, Kanye West, Leonardo di Caprio. Einer der sich auskennt, Markus Rück von der Galerie Carzaniga, sagte gegenüber dem SRF-Regionaljournal, dass die Sammler*innen seit Ausbruch der Corona-Pandemie wenig Gelegenheit hatten, ihr Geld auszugeben und darum richtig Druck herrsche in den Sparbüchsen der kulturellen Turbopotenz. So oder ähnlich hat er das formuliert. 

Wir hoffen natürlich, dass unser*e Agent*in einen Promi beim Geldausgeben erwischt.

Der Sprit im Tank der Art Basel, Tag 1.

Der Sprit im Tank der Art Basel, Tag 1. (Foto: Daniel Faulhaber)

Erstes Vorchecking im Café Beschle an der Clarastrasse, wo Café hässige vier Franken fünfzig kostet. Die vier Techniker mit Art-Badges am Hals macht das wütend. «Wucher!» Zischen sie auf Hochdeutsch in den Milchschaum. Sie denken, das sei wegen der Art. Ich sag, das sei hier normal. Dann darf ich das Arrangements ihres Frühstückstischs fotografieren.

Milchschaum und Zigaretten. Das ist also der Sprit im Tank dieser globalen Megamesse, denn ohne einen Kapputschino am morgen macht er ganz bestimmt keinen Finger krumm, sagt der eine Techniker mit den grünen Turnschuhen. Die vier sind für die Stromversorgung auf der Messe zuständig. Um 08:45 Uhr klingelt ein Handy und dann müssen sie auch schon los. 

Interessante Beobachtung: Die Handys der vier Techniker haben individualisierte Klingeltöne. Der eine hat zwecks Erreichbarkeit diesen Song «It’s Friday then Saturday Sunday what» eingestellt, den man aus den Social Media kennt. Ein Meme-Song. 

Das zeugt von einer besonderen Verbundenheit mit dem Arbeitsgerät Mobiltelefon, mit der sich gewisse Gesellschaftsschichten ja nicht mehr erwischen lassen wollen. Diese Schichten, nennen wir sie urbane Trendsetter*innen, haben alle denselben, standardisierten Klingelton von Apple um zu signalisieren, wie scheissegal ihnen das Handy als Individualisierungsmarker ist. Nicht an der Werkseinstellung ihres Handys herumzufriemeln, gilt ihnen als Ausdruck einer independent Personality, die sich nicht mit Nebensächlichkeiten wie dem Klang ihres Handys aufhält.

Aber dann jedes Foto auf Instagram vor dem Upload auf die Goldwaage legen. Ist klar, ne. Die vier Handwerker mit ihren individualisierten Klingeltönen sind uns sofort sehr sympathisch. Ein guter Auftakt zur Art Basel 2021! 

(Foto: Internet)

Heute Montag ist die Art Basel nur für Promis und Art VIPs geöffnet. Alle anderen spielen bis zur ersten Publikumsbegehung am Donnerstag 24/7 dieses Bajour Quizz zur oft, aber nicht oft genug gestellten Frage:

Ist das Kunst, oder kann das jede*r?

Prüfe hier deinen Sachverstand: 💥 bajour.ch/art-quiz 💥

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Die Art Basel findet natürlich auch in den Sozialen Netzwerken statt. Unter #ArtBasel findest du den neusten Gossip und wir freuen uns, wenn du unseren Live-Blog dort teilst. Falls du in ihm eine Bereicherung für deinen Social Media Auftritt erkennst.

*in einer früheren Version des Artikels haben wir das Kunstwerk im Kunstmuseum fälschlicherweise dem Künstler Knut Henrik Henriksen zugeschrieben. Es stammt aber von Jason Dodge. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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