Basler Gastfamilien sind gut vorbereitet

Über 400 Haushalte haben sich schon bei der GGG Benevol als Gastgeber*innen für geflüchtete Ukrainer*innen gemeldet. Erste Erfahrungswerte von Seiten der Organisation zeigen, wie gut das Zusammenleben bisher funktioniert.

Eine Familie aus der Ukraine beim Fruehstueck, aufgenommen am Dienstag, 22. Maerz 2022, im ehemaligen Altersheim Rosenau, in Kirchberg. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Ein bisschen Alltag: Eine Familie aus der Ukraine beim Frühstück in Kirchberg (SG). (Bild: KEYSTONE / Gian Ehrenzeller)

Wer in der Studienzeit während Jahren in WGs gelebt hat, weiss: Eine Wohnung mit Menschen zu teilen, die man noch nicht kennt, ist nicht immer einfach. Bei Gastfamilien für Geflüchtete aus der Ukraine ist das nicht anders. Gründe sind zum Beispiel die Sprachbarriere oder falsche Erwartungen, wie die BaZ mit Blick auf das Baselbiet berichtet. 

Konflikte sind normal – und selten

In Basel-Stadt ist die Situation entspannter. «Es kommt überall vor, dass es Konflikte gibt, aber es sind ganz, ganz wenige», sagt Ursula Baum, Geschäftsleiterin von GGG Benevol. Die Organisation bringt im Stadtkanton Geflüchtete und Gastfamilien zusammen. «Das ist sehr schön und oft extrem berührend, wie die Menschen Geflüchteten Platz machen und wie freundlich diese von den Gastgebenden empfangen werden», berichtet Baum.

Ursula Baum GGG Benevol
«Es gibt deutlich weniger Probleme, als man aktuell aus den Medien den Eindruck haben könnte», sagt GGG Benevol-Geschäftsleiterin Ursula Baum. (Bild: zvg)

Es gebe andererseits aber viele Geflüchtete, die spontan bei jemandem untergekommen seien – also nicht zuerst mit GGG Benevol in Kontakt standen. «Auch da melden sich die Leute langsam bei uns», so die Geschäftsleiterin. In diesen Fällen beurteilt das GGG Benevol-Team die Situation vor Ort und fragt beide Seiten, ob es für sie passt. «Hier kann es vorkommen, dass zum Beispiel zu viele Menschen in einer Wohnung leben und es auf längere Zeit dann schwierig wird», erklärt sie. Es werde dann gemeinsam nach einer entlastenden Lösung für alle Beteiligten gesucht.

Reflektiert, hilfsbereit und offen

«Ganz grundsätzlich muss ich sagen: Die Basler*innen sind gut vorbereitet», sagt Baum. «Ich habe den Eindruck, dass der grösste Teil unserer Gastgebenden sehr reflektiert, hilfsbereit und offen ist.» Baum stellt fest, dass die Gastgeber*innen nicht viel von den Geflüchteten erwarten und sich zum Beispiel darauf einstellen, «dass die Menschen aus einem Krisengebiet sich vielleicht zuerst einmal ein bisschen zurückziehen möchten».

Was muss ich mir überlegen, bevor ich mich als Gastgeber*in anmelde?

Die Rahmenbedingungen von GGG Benevol findest du hier.

Ausserdem hilfreich:

  • Sich gut überlegen, ob man den eigenen Wohnraum längerfristig teilen möchte.
  • Reflektieren, was man bereit ist, zu machen.
  • Nicht zu viel von den Geflüchteten erwarten.
  • Sich darauf einstellen, dass Menschen aus einem Krisengebiet sich möglicherweise zuerst einmal zurückziehen möchten.

Sie findet, das Thema werde gerade zu sehr aufgeblasen. «Dass die Chemie mal nicht stimmt, gibt’s schon. Oder dass zum Beispiel jemand raucht und das für die andere Person doch nicht so passt. Aber es gibt deutlich weniger Probleme, als man aktuell aus den Medien den Eindruck haben könnte.» 

«No news are good news»

Wer seinen Wohnraum für Geflüchtete öffnen möchte und sich bei GGG Benevol meldet, muss einige Voraussetzungen erfüllen. Zu den Rahmenbedingungen gehört etwa, dass die Unterkunft für mindestens 3 bis 6 Monate angeboten werden kann, aber auch, dass man den Geflüchteten als erste Ansprechperson bei Fragen zur Verfügung steht.

Baum erklärt, was sonst noch wichtig ist: «Man muss sich wirklich überlegen, was man bereit ist zu machen und wie lange man wirklich den eigenen Wohnraum teilen möchte und zusammenleben kann.» Was das genau heisst, merke man zwar erst, wenn es so weit ist. Aber die Grundhaltung muss stimmen: «Uns ist es wichtig, dass Gastfamilien das Gefühl haben, ihr Angebot stimmt und dass Ukrainer*innen den Eindruck haben, sie sind willkommen.»

Sei das nicht (mehr) der Fall, zählt Baum darauf, dass sich die Leute bei GGG Benevol melden. «Aktuell versuchen wir, so viel wie möglich zu vermitteln und gehen dann vom Grundsatz aus: ‹No news are good news.›» Das heisst, so lange sich niemand meldet, sei «vermutlich alles in Ordnung». Etwas anderes sei mit der aktuell hohen Arbeitsbelastung auch nicht leistbar. «Aber wir bitten alle Beteiligten, die Verantwortung zu übernehmen und sich bei uns zu melden, sollten Schwierigkeiten auftauchen.»

Herzen
Gut vorbereitet

durch das aktuelle Geschehen. Jetzt Bajour-Member werden!

Das könnte dich auch interessieren

Nahed Moustafa Razouk

David Rutschmann am 10. Dezember 2024

Weil Assad weg ist, verschenkt sie Baklava

Nahed Moustafa und ihre Familie kamen 2012 als Bürgerkriegsflüchtlinge in die Schweiz – heute betreiben sie das Restaurant «Aleppo» in Liestal. Die Syrerin erzählt, wie sie die Nachrichten über den Regimesturz in ihrer alten Heimat aus der Ferne miterlebt hat.

Weiterlesen
Pekerman2

Valerie Zaslawski am 10. Dezember 2024

«Wir werden sehen, ob Syrien wirklich ein Land für alle sein wird»

GLP-Grossrat Bülent Pekerman sagt im Interview mit Bajour, die Freude über den Sturz von Assad in der kurdischen Community sei gross. Er äussert aber auch Bedenken: «Die Türkei wird nun versuchen, den Kurden in Syrien das Leben schwer zu machen.»

Weiterlesen
ehemaliges Hotel Balegra wird UMA-Wohnheim

Helena Krauser am 27. August 2024

Ein Dreieck in Aufruhr

Das ehemalige Hotel Balegra im Neubad wird in den nächsten Jahren von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden bewohnt, was danach mit der Liegenschaft geschieht, ist unklar. In der Nachbarschaft machen sich Ärger und Befürchtungen breit.

Weiterlesen
IMG_9861 Kopie

Valerie Wendenburg am 19. August 2024

«Ich habe das Gefühl, in einem absurden Theaterstück zu leben»

Alfred Bodenheimer, Professor an der Uni Basel, lebt in zwei Welten. Seinen Alltag im Norden Israels erlebt er in permanenter Wachsamkeit vor Angriffen und in grosser Sorge um die Demokratie im Land. Und in Basel fühlt er sich oft unverstanden.

Weiterlesen
Michelle Isler

Das ist Michelle (sie/ihr):

Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Junior-Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und Reportagen – vorzugsweise von Demos und aus den Quartieren. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen. 


Kommentare