Bürgerlicher Schulterschluss zum Greifen nah
Die Basler Mitte hat dem bürgerlichen Ticket zugestimmt, kritische Voten gegenüber dem SVP-Kandidaten Stefan Suter blieben aber nicht aus. Nun fehlt nur noch die LDP. Doch die Sache scheint gelaufen.
Ob die Parteiversammlung der Basler Mitte «historisch» werden würde oder doch nur «relevant» – diese Ungewissheit stand am frühen Montagabend im Raum, besser gesagt: im Meriansaal mit Blick auf den Rhein. Doch bereits kurze Zeit später gaben 46 Mitglieder ihr Go für den bürgerlichen Schulterschluss mit SVP, LDP und FDP für die Regierungsratswahlen im Herbst. Nur sechs Personen waren gegen das Ticket, vier enthielten sich. Damit folgte die Basis dem Vorstand eindeutig.
Ein Aufbäumen wäre denn auch mehr als überraschend gewesen – eben «historisch». Auch wenn sich das neue Co-Präsidium, bestehend aus Franz-Xaver Leonhardt und Sara Murray, bei ihrem Amtsantritt im März gegenüber einem bürgerlichen Schulterschluss – insbesondere einer Zusammenarbeit mit der SVP – noch skeptisch zeigte. Es ist nicht auszuschliessen, dass Mitte-Regierungsrat Lukas Engelberger die neue Parteileitung zurückpfiff und sich für den bürgerlichen Schulterschluss ins Zeug legte.
So hiess es später, es käme auf die Person an, welche die SVP ins Rennen schicken würde. Und keiner schien hierfür geeigneter als der 60-jährige SVP-Grossrat Suter, der sich in der römisch-katholischen Kirche und in der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika engagiert und vor den Wahlen 2020 selbst in Verhandlungen mit der damaligen CVP für eine Kandidatur auf deren Grossratsliste stand.
Denn wer bitte sollte etwas gegen den als sozial gepriesenen Suter haben? Der sogar weniger rechts ist als seine bürgerliche Mitkonkurrentin Eva Biland von der FDP.
Sowohl Eva Biland als auch Stefan Suter haben das Rüstzeug, um gemeinsam die Herausforderungen zu meistern.»Co-Präsident der Basler Mitte, Franz-Xaver Leonhardt
Nichtsdestotrotz versuchte Leonhardt der Basis die Berührungsängste gegenüber einer Zusammenarbeit mit der SVP an diesem Abend zu nehmen, indem er ihr klar machte, dass Regierungsratswahlen Majorzwahlen sind und damit Personenwahlen, dass also jene*r gewinnt, der*die die Mehrheit der Wähler*innen überzeugt. «Sowohl Eva Biland als auch Stefan Suter haben das Rüstzeug, um gemeinsam die Herausforderungen zu meistern», sagte Leonhardt. Die Ersatzwahlen im Frühling, bei denen der bürgerliche FDP-Kandidat Luca Urgese überraschend gut abgeschnitten hatte, hätten gezeigt, dass eine breite bürgerliche Allianz funktionieren könne. Es sei die Voraussetzung, um wieder eine bürgerliche Regierungsmehrheit zu erreichen. «Dieses Momentum will der Vorstand für den Herbst nutzen.»
Auch Engelberger betonte den Unterschied zwischen Majorz- und Proporzwahlen und rechtfertigte damit eine gewisse Zugespitztheit der Positionen für den Regierungsratswahlkampf. Hier müsse man inhaltlich eine deutlichere Sprache sprechen, während bei den Grossratswahlen die Politik der Mitte nuancierter dargestellt werden könne.
«Mitgegangen, mitgefangen!»
Auch wenn die Suter-kritischen Stimmen in der Unterzahl waren, sie hatten es in sich. So meinte eine jüngere Frau: «No way! Mitgegangen, mitgefangen!» Suter sei nun mal ein Vertreter einer Partei, die «für ihre primitiven Sündenbock-Plakate bekannt» sei. Und eine andere Dame warnte davor, dass die Mitte bei den Grossratswahlen für ein Zusammengehen mit der SVP abgestraft werden könnte. Ein Herr sprach von einem moralischen Dilemma, in dem er sich befinde, da die SVP destruktive, ja teils menschenverachtende Positionen vertrete. Er verwies auf den Präsidenten der Jungen SVP Schweiz, Nils Fiechter, der am Wochenende mit seinem Auftritt in einem russischen TV-Sender für Empörung sorgte. Und rezitierte den Schweizer Mitte-Präsidenten Gerhard Pfister, der daraufhin auf X sagte, sowas (Absurdes) könne man nicht erfinden. Er fragte den Kandidaten Suter ganz direkt, wie es denn sein könne, dass er, der selbst ebenfalls sein soziales Engagement unterstrich, in dieser Partei sei?
«Ich denke eigenständig.»SVP-Regierungsratskandidat Stefan Suter
Suter, der mit den anderen Kandidierenden in der ersten Reihe sass, stand auf und sagte: «Die SVP ist eine bürgerliche Partei, die wirtschaftsfreundliche Anliegen vertritt, das macht sie sympathisch.» Er sei aber weder Präsident der Partei noch Sprecher. Damit wollte er sich wohl insbesondere von den menschenverachtenden Positionen distanzieren. Die Basler SVP bezeichnete er als «tolerant». Er verfolge das Prinzip: «Ich denke eigenständig.» So hat sich Suter auch im Interview mit Primenews bereits kritisch gegen die Grenzschutz-Initiative seiner Partei geäussert: «Einer totalen Grenzkontrolle stimme ich deshalb nicht zu, wohl aber einer punktuellen.» Für die Grenzstadt Basel ist diese Positionierung nicht irrelevant.
Die Mehrheit der Anwesenden war Suter dann auch wohlgesinnt. Er habe mit seinem Engagement in Madagaskar den «Tatbeweis erbracht», sagte ein älterer Herr. «Ich kann nicht jeden SVP-Vertreter wählen, aber Suter schon.» Ein anderer Herr fand: Es sei eine Chance, der SVP zu zeigen, dass eine vernünftige Person die Grundlage für eine Zusammenarbeit sei. Dem stimmte auch alt Regierungsrat Carlo Conti zu; die Exekutive müsse als Team funktionieren, als Teamplayer müsse man Entscheidungen mittragen, die einem nicht immer passten. Und er verteidigte das Konkordanzprinzip: Die Freisinnigen und die SVP seien massgebliche Kräfte im Kanton Basel-Stadt, deshalb müssten sie auch in der Exekutive vertreten sein, um Konsenspolitik mitzugestalten.
Entscheid LDP steht noch aus
Dieses Mal ist die Parteibasis der Leitung also gefolgt. Dass es nicht immer so gehen muss, weiss Conti aus erster Hand. Er war 2011 Regierungsrat, als sich die Präsidien von SVP, LDP, FDP und der damaligen CVP auf Sebastian Frehner (SVP) als Ständeratskandidaten einigten. Damals liessen sie die Regierungsräte Christoph Eymann (LDP), Hanspeter Gass (FDP) und Carlo Conti (CVP) für Frehner werben. Als die CVP-Basis Tage später ihr Veto einlegte, brach die bürgerliche Allianz wie ein Kartenhaus zusammen. «Dieses Mal», so sagt Conti im Anschluss an die Abstimmung, «hat die Parteileitung es geschafft, der Basis sorgfältig zu erklären, worum es geht. Eben um eine Majorzwahl.»
«Wir sind auf gutem Weg. Aber am Ende entscheidet die Parteibasis.»LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein
Am Mittwoch muss nun noch die LDP das Ticket absegnen. Reine Formsache, darf man wohl sagen. Denn die LDP wird dem bürgerlichen Schulterschluss nun keinen Strich mehr durch die Rechnung machen. Auf Anfrage sagt LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein: «Wir sind auf gutem Weg. Aber am Ende entscheidet die Parteibasis.»
Für die GLP mit ihrer Regierungsrätin Esther Keller dürfte das Ergebnis des Abends ebenfalls positiv sein, kann doch davon ausgegangen werden, dass sich die beiden politischen Blöcke (links und rechts-bürgerlich) gegenseitig neutralisieren werden. Doch GLP-Vizepräsident Daniel Ordás sagt auf Anfrage lediglich: «Es war absehbar, dass die Mitte, und wohl auch die LDP, den Schulterschluss mit der SVP begrüssen. Das hat auf unsere Kampagne keinen Einfluss. Die GLP wird ihre Mitbewerber nicht kommentieren oder kritisieren, wir konzentrieren uns auf uns und die Basler*innen.»