Ade, neue bürgerliche Einigkeit?

Wenn jetzt sogar im Baselbiet die Bürgerliche Allianz wegen der Regez-Debatte wankt, werden die Diskussionen um Wahlbündnisse mit der SVP auch in Basel-Stadt wieder eine Rolle spielen.

SVP, Mitte, FDP, LDP
Die geeinten Bürgerlichen im Dezember 2023: Pascal Messerli (SVP), Eva Biland (FDP), Luca Urgese (FDP), Conradin Cramer (LDP), Patricia von Falkenstein (LDP) und Balz Herter (Mitte). (Quelle: Valerie Wendenburg)

Da war doch grad erst Friede eingekehrt im bürgerlichen Lager in Basel: Schadenfreudig präsentierten kurz vor Weihnachten vier Parteichef*innen Conradin Cramer und Luca Urgese als bürgerliches Dreamteam für die Ersatzwahlen der Regierung. LDP, FDP, Mitte, sogar die SVP war dabei, mit der man bei den nationalen Wahlen zwei Monate zuvor noch keine Listenverbindung eingehen wollte. Die Basler Linke stand im Vergleich zu den Bürgerlichen zerstritten da.

Nun ist die Ersatzwahl für die Kantonsregierung noch nicht mal gelaufen, der zweite Wahlgang ist erst am 7. April. Aber bereits jetzt ist eine gewisse Nervosität zu spüren, was die neue bürgerliche Einigkeit anbelangt. 

Die FDP prescht, ohne ihre bürgerlichen Partner*innen zu informieren, mit einer Kaufkraft-Initiative (und einem fast schon linken Initiativtitel) vor. Steuersenkungspläne sind zwar ein bürgerliches Anliegen, doch der Vorschlag geht vielen nicht weit genug. Man sorgt sich, damit Pulver für weitere Steuersenkungen zu verschiessen.

Unruhe wegen neuem Mitte-Präsidium

Und die Mitte wählt ein neues Präsidium, das gemäss BaZ noch die bürgerliche Allianz aufwirbeln könnte. Wie zuverlässig das erste Co-Präsidium einer bürgerlichen Partei in Basel (fast schon ein linkes Konzept) bürgerliche Politik machen wird, vermag niemand abzuschätzen: Franz-Xaver Leonhardt fällt für Bürgerliche jedenfalls bisher durch eher eigenwilliges Abstimmungsverhalten im Parlament auf. 

Ob die Mitte unter Leonhardt mit der SVP gemeinsamen Wahlkampf machen wird, lässt der Neo-Präsident im Gespräch mit der bz noch offen. Eigentlich war es ein gemachter Deal: Die bürgerliche Allianz arbeitet nicht nur im Frühjahr bei den Ersatzwahlen, sondern auch bei den Gesamterneuerungswahlen von Grossem Rat und Regierungsrat im kommenden Herbst zusammen. Die SVP machte zur Bedingung, dass dann auch ihre Regierungskandidatur im Herbst unterstützt wird.

Doch ob dieser Deal nun wirklich aufgeht, hängt keinesfalls nur vom neuen Mitte-Präsidium ab. Denn es gibt durchaus auch kritische Stimmen in anderen bürgerlichen Parteien in Basel. Die Zusammenarbeit von FDP und Mitte mit der SVP in anderen Kantonen hätte bei den nationalen Wahlen im vergangenen Oktober nicht den Gewinn gebracht, den man sich erhofft hat, sagt ein*e LDP-Politiker*in hinter vorgehaltener Hand. 

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«Am Ende wird die Parteibasis bestimmen und da ist noch alles offen. Für viele kommt es auch darauf an, wen die SVP als Regierungskandidat nominieren wird»

– Patricia von Falkenstein, LDP-Präsidentin

«Wir Vorstände hatten die Abmachung, dass die bürgerliche Zusammenarbeit auch im Herbst weitergehen wird. Am Ende wird die Parteibasis bestimmen und da ist noch alles offen. Für viele kommt es auch darauf an, wen die SVP als Regierungskandidat nominieren wird», sagt LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein. Sie weiss: Auch in ihrer Partei gibt es Mitglieder, die keine Fans der SVP sind. Man denkt an Jeremy Stephensons Sauhaufen-Aussage Anfang 2023, als es um eine Listenverbindung für die nationalen Wahlen ging.

Nun sind nationale Wahlen nicht Grossratswahlen: Es gibt keine Listenverbindungen, die Themensetzung ist eine andere, die Zusammensetzungen im Kantonsparlament einer linken Stadt wie Basel eine ganz andere als in Bern. Wer hier bürgerliche Mehrheiten machen will, braucht eben auch die SVP. Nur gibt es eben auch Zweifel an der Verlässlichkeit der SVP. 

Dabei sind es nicht nur die klassischen SVP-Themen wie Asyl- und EU-Politik, die einigen Bürgerlichen Sorge bereiten. Sondern die «Politik des kleinen Mannes»: der Kampf gegen das Freizeitgarten-Gesetz, die Ablehnung der Pläne für das Horburg-Hochhaus wegen Verdrängungssorgen. «Können wir uns bei Grossprojekten noch auf die SVP verlassen?», fragt sich ein*e bürgerliche*r Parlamentarier*in. Inhaltlich sieht zumindest Patricia von Falkenstein im Grossen Rat starke Überschneidungen mit der SVP.

«Es gilt jetzt, Vertrauen aufzubauen. Da hilft es nicht, wenn wir im nächsten Wahlkampf schon wieder eine andere Strategie fahren.» 

ein*e FDP-Politiker*in

Die Debatte wird auch beeinflusst von den Entwicklungen im Nachbarkanton des bürgerlichen Friedens. Wenn selbst im Baselbiet die Diskussion rund um die umstrittene Jungpolitikerin Sarah Regez nicht nur die Kantonalparteileitung der SVP sonder grade auch die Bürgerliche Allianz ins Wanken bringen kann, wie soll man dann erst im linken Basel die Toleranz für rechte Hardliner*innen innerhalb der SVP tolerieren?

In Basel-Stadt hatte man mit dem abgetretenen und in den Aargau emigrierten Chef der Jungen SVP David Trachsel zwar schon vor Jahren eine eigene Sarah Regez. Dass dieser weitestgehend isoliert in seiner Partei war, gibt den anderen bürgerlichen Parteien allerdings das Gefühl, der moderate Kurs wäre in der Basler SVP vorherrschend. Dabei ist es genau die Tonalität des Stadtbasler SVP-Strategen Joël Thüring, denen die Strateg*innen des Putschversuchs im Baselbiet nacheifern, wie in der BaZ erwähnt wird.

Es gibt aber auch einige Stimmen in den liberalen Parteien (und ein Kommentar in der Basler Zeitung), die sich explizit für die Zusammenarbeit mit der SVP aussprechen. Ein*e FDP-Politiker*in sagt: «Die Bürgerliche Zusammenarbeit hat im Ersatzwahlkampf ausgezeichnet funktioniert. Es gilt jetzt, Vertrauen aufzubauen. Da hilft es nicht, wenn wir im nächsten Wahlkampf schon wieder eine andere Strategie fahren.» 

Pascal Messerli
«LDP und FDP haben jetzt auch erkannt, dass wir als Bürgerliche zusammenarbeiten müssen, wenn wir gegen Rot-Grün gewinnen wollen.»

– Pascal Messerli, SVP-Präsident

Entscheidend wird sein, wie gut die Mobilisierung jetzt im Schlussspurt der Ersatzwahl klappt, ergo: Wie gut Luca Urgese am 7. April abschneidet. Deshalb will sich die FDP-Parteileitung auf Anfrage auch noch nicht zur Frage der bürgerlichen Zusammenarbeit äussern. «Sie sind zu früh», sagt FDP-Parteichef Johannes Barth auf Anfrage. Entschieden wird diese Frage erst am 15. April am Parteitag. 

Klar, vorher ist die FDP auch noch auf die Unterstützung der SVP-Mobilisierung angewiesen, wenn Luca Urgese gewählt werden soll. Und der Partei, die so gern wieder in der Regierung vertreten sein will, steckt noch die Abwahl von Baschi Dürr von 2020 in den Knochen. Möglicherweise hätte es damals reichen können, im ersten Wahlgang gewählt zu werden, wenn die Bürgerlichen ein gemeinsames Kandidat*innenticket mit der SVP gemacht hätten. Lieber also dieses Mal vorsichtig sein.

Bei der Basler SVP selbst ist man jedenfalls zuversichtlich, dass man auch im Herbst gemeinsam mit der LDP und der FDP in den Wahlkampf gehen wird. «Die Frage wird sein, wie sich die Mitte positioniert», sagt SVP-Präsident Pascal Messerli. Er glaubt nicht, dass das Resultat der Ersatzwahlen einen Einfluss auf die Abmachung hat, dass die bürgerliche Allianz auch im Herbst weiterbestehen wird. «Der Wahlkampf läuft ja sehr zufriedenstellend und wir mobilisieren weiter», so Messerli. «LDP und FDP haben jetzt auch erkannt, dass wir als Bürgerliche zusammenarbeiten müssen, wenn wir gegen Rot-Grün gewinnen wollen.»

herz Koch
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