Busch im Boden oder Baum im Topf?
Im zweiten Wahlgang streiten die amtierende Regierungsrätin Esther Keller (GLP) und die Herausforderin Anina Ineichen (Grüne) um das Amt der Bau- und Verkehrsdirektorin. Bei der Podiumsdiskussion des Basler Regionaljournals von SRF wurde klar: Die Unterschiede zwischen den beiden zeigen sich im Detail. Während Ineichen einen klaren Bruch in der Klimapolitik fordert, setzt Keller auf Kontinuität und Erfahrung.
Ist das Wörtchen liberal im Parteinamen die einzige Unterscheidung zwischen der bisherigen Bau- und Verkehrsdirektorin (GLP) und ihrer Herausforderin Anina Ineichen (Grüne)? Es scheint fast so, wenn Keller beim Podium des Regionaljournals ständig nickt, während Ineichen davon spricht, dass ein schnelleres Tempo notwendig sei, um die Klimaziele zu erreichen und künftig jede Baustelle genutzt werden müsse, um den Boden zu entsiegeln.
Einen Unterschied gibt es dann doch, Ineichen hat im Gegensatz zu Keller keinen Führerschein, dafür kann sie ein bisschen Traktor fahren. Eine Verkehrsdirektorin ohne Führerschein, geht das überhaupt, fragt Moderatorin Monika Glauser. Laut der Grünen schon, schliesslich sollte die Verkehrspolitik sowieso aus der Optik der Menschen und nicht der Strassen geplant werden. «Wir brauchen doch eine Stadt, in der sich Fussgänger*innen gut bewegen können, Velofahrende sich sicher fühlen und in der sich auch Autos, wo es notwendig ist, bewegen können», so Ineichen.
Ausserdem ginge es beim Führen eines Departements nicht darum, dass man die Arbeit der Mitarbeiter*innen selbst machen könne, «sondern, dass man eine Umgebung schafft, in der die Mitarbeiter*innen ihre Fähigkeiten optimal ausüben können». Und darin habe sie als Leiterin der Abteilung Soziales und Kultur in Arlesheim viel Erfahrung.
Verbote oder Lenkungsabgaben?
Während Ineichen gegen Kellers zustimmendes Nicken anredet und ehrgeizig versucht, die wenigen bestehenden Unterschiede aufzuzeigen, betont Keller die Gemeinsamkeiten und toppt sie mit dem Argument der Beständigkeit und Erfahrung. Der Regierungsrat funktioniere als Team: «Keiner möchte eine Regierung, in der man sich gegenseitig blockiert», sagt Keller. Kontinuität sei für eine funktionierende Regierung sehr wichtig und das erst recht jetzt, da fünf der aktuellen Regierungsrät*innen erst in den letzten fünf Jahren dazugekommen sind.
«Keiner möchte eine Regierung, in der man sich gegenseitig blockiert.»Esther Keller
Wenn schon nicht im Inhalt, dann möchte Ineichen bei der Strategie anders vorgehen. Es brauche mehr Tempo, mehr Mut und hier und da auch eher Verbote statt Lenkungsabgaben, um die Klimaziele und die Vision Zero, also keine Verkehrstoten, zu erreichen. Konkret spricht die Herausforderin die Pilotprojekte an, diese sind aus ihrer Sicht häufig eine unnötige Verlangsamung der Prozesse. «Bei gewissen Sachen wissen wir, dass sie funktionieren, es braucht nicht immer eine Basler Lösung. Manchmal kann man einfach schauen, was in anderen Städten passiert und das Gute kopieren.» Als Beispiel nennt sie ein Pilotprojekt mit Rasengittersteinen. «Die gibt es schon seit den 50er Jahren, die könnte man vor dem Haus meiner Grosseltern anschauen und das Projekt dann umsetzen.»
Keller kontert, man müsse Innovationen unter realen Bedingungen testen und spricht den CO2 negativen Asphalt an, den Basel-Stadt gemeinsam mit einem Basler Institut für Baustofftechnologie entwickelt hat. Dieser sei in der Praxis getestet worden und stosse nun bei Kantonsingenieren aus der ganzen Schweiz auf Interesse. Ausserdem sei Tempo zwar eine nachvollziehbare aber keine wirklich praktikable Strategie im Bau- und Verkehrsdepartement (BVD). Schliesslich müssten hier sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse aus der Bevölkerung berücksichtigt werden.
Der Rheintunnel macht den Unterschied
Gerade beim Stadtklima brauche es aber einen Bruch, findet Annina Ineichen, schliesslich könne es nicht sein, dass immer noch versiegelte Plätze gebaut werden, wie beispielsweise vor dem Biozentrum. «Es hiess, da kann man keine Bäume pflanzen, weil unten dran Vorlesungssäle sind. Aber dann kann die Lösung doch nicht Teer sein. Es gibt x-Pflanzen, irgendeine wird ja wohl drauf passen. Man müsste versuchen, jede Fläche zu entsiegeln.» Wenn es um Begrünung geht, will sich die amtierende Verkehrsdirektorin nichts sagen lassen. «Diesen Bruch habe ich vor vier Jahren eingeführt», sagt sie. Keine Strasse würde heute nochr gleich gebaut wie früher. Es sei nunmal so, dass im BVD langfristige Projekte realisiert werden und deshalb nicht alle Änderungen von heute auf morgen sichtbar sind. Aber gerade im Zuge des Fernwärmeausbaus werde nun jede Gelegenheit genutzt, um die Entsiegelung voranzutreiben und das über 15 Jahre, so Keller. Ausserdem sei der Platz vor dem Biozentrum im Besitz der Uni, also nicht Allmend.
«Wir müssen das Problem lösen, wo es entsteht und das ist bei den Autos, die genutzt werden.»Anina Ineichen
Unterschiedliche Ansichten haben die beiden Kandidatinnen auch beim Rheintunnel. Esther Keller geht hier im Widerspruch zur Mutterpartei konform mit ihren Regierungsratskolleg*innen und befürwortet den Autobahnausbau. «Diese Position hat der Regierungsrat schon sehr, sehr lang, übrigens auch schon, als es noch eine Rot-Grüne Mehrheit gab», so Keller. Ausserdem ginge immer wieder vergessen, dass vor ein paar Jahren zehntausende Unterschriften nach Bern getragen wurden, um den Rheintunnel vom Bund zu bekommen.
Ihre Haltung sei «Ja, aber». Also Ja zum Rheintunnel, aber man müsse dann auch schauen, dass das Stadtstrassennetz so gestaltet werde, dass es für Basel wirklich ein Gewinn ist.
Ostumfahrung über Rheinfelden
Annina Ineichen findet das Projekt veraltet und bezweifelt, dass man die Unterschriften, die man vor Jahren gesammelt hat, immer noch als Wunsch der Basler Bevölkerung interpretieren kann. Anders als bei anderen Projekten, wie zum Beispiel das Projekt Bypass in Bern, werde in Basel der Rückbau der Autobahn nicht vom Bund unterstützt. Der Rheintunnel würde Mehrverkehr generieren und sei nur Symptombekämpfung. «Wir müssen das Problem lösen, wo es entsteht und das ist bei den Autos, die genutzt werden».
Insgesamt sei sie für kreative Lösungen, zum Beispiel könne man auch die Ostumfahrung über Deutschland bei Rheinfelden nutzen. «Dort gibt es eine Autobahnbrücke über den Rhein, nutzen wir doch die.» Ob das so easy ist? Esther Keller wirft nur knapp ein: «Staatsvertrag mit Deutschland, nicht ganz einfach».
Ausführlicher spricht sie über die Belastung der Anwohnenden, die unter dem Strassenlärm und vor allem unter dem Schwerverkehr leiden. «Das ist wirklich eine grosse Belastung». Sie betont ausserdem, dass Basel es in der Hand hat, wie das Strassennetz ausgestaltet wird. Und hier sei sie bereit, über Durchfahrtsverbote und auch über Verkehrsberuhigung nachzudenken: Fahrspuren für den Bus, breite Velowege und Begrünung. «Der Bund ist nur zuständig für die Osttangente. Alles andere auf dem Stadtstrassennetz ist in unserer Kompetenz», so Keller.
Keller will sich nicht verbiegen lassen
Im aktuellen Wahlkampf unterstützen die Grünen, Basta und die SP offiziell Anina Ineichen. Esther Keller ist dementsprechend auf bürgerliche Stimmen angewiesen. Wird sie auf Temporeduktionen verzichten, um sich diese Stimmen zu sichern, fragt die Moderatorin. «Nein», sagt Keller entschieden. «Ich trete als Baudirektorin für alle anund habe keine andere Politik aufgrund der Ausgangslage». Zudem sei ihr Unterstützungskomitee inzwischen sehr breit aufgestellt. Tatsächlich erhält sie beispielsweise Support von zwei ihrer Amtsvorgänger*innen aus der SP, nämlich von Hans-Peter Wessels und Barbara Schneider. Auf der Liste tauchen ebenfalls Namen von Grossrät*innen der FDP, LDP und Mitte auf.
Gegen Ende des Gesprächs kommt das Thema Wohnschutz auf – für Annina Ineichen ein zentrales Anliegen. Aber wieso eigentlich, schliesslich ist der Wohnschutz nicht im BVD angesiedelt. «Das Bau- und Gastgewerbeinspektorat hat einen enormen Hebel», sagt die Grüne. Da dort die Bewilligungen ausgestellt würden, sei es falsch zu sagen, das Amt habe nichts mit dem Wohnschutz zu tun, sagt sie. Sie bleibt in der Argumentation, was verändert werden müsste, allerdings schwammig.
Viel Einigkeit herrscht dann wieder bei der Schnellfragerunde am Schluss – Rennvelo statt E-Bike, Harris statt Trump, Grossbasel statt Kleinbasel, Magenbrot statt Zuckerwatte Nur bei der Frage «Busch im Boden» oder «Baum im Topf», sind die Lager klar verteilt – wie, das ist mittlerweile allgemein bekannt.