Forschung als Ort des freien Denkens

Mit der Absage finanzieller Unterstützung an die Schweizerische Friedensstiftung Swisspeace straft der Baselbieter Landrat deren Direktor Laurent Goetschel ab. Es ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Forschung. Ein Kommentar.

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Foto: Pixabay

Die Abfuhr, die der Baselbieter Landrat Swisspeace letzten Mittwoch verpasst hat, kommt überraschend. Es galt als gesichert, dass der Kanton die Friedensstiftung mit 100’000 Franken jährlich von 2024-27 unterstützt. Noch am 14. November hatte Marc Schinzel (FDP) gemeinsam mit Adil Koller (SP) in seiner Vorlage an den Landrat den Bugdetantrag «Baselland unterstützt Friedensförderung konkret» gestellt und den entsprechenden Betrag für Swisspeace gefordert. Nur einen Monat später machte nicht nur Schinzel eine totale Kehrtwende und sprach sich dafür aus, die Beiträge an Swisspeace komplett zu streichen. Auch das Parlament folgte ihm knapp. Der Landrat stimmte mit 41 zu 37 Stimmen gegen die Subvention.

Laurent Goetschel
Laurent Goetschel hat den Terrorangriff der Hamas klar verurteilt.

Woher der plötzliche Gesinnungswandel? Einige Politiker*innen störten sich an persönlichen Aussagen von Swisspeace-Direktor Laurent Goetschel, die er im Oktober im «SRF-Club» gemacht hatte.

Goetschel, der auch Professor für Politikwissenschaften an der Universität Basel ist, hat sich in der Sendung skeptisch gegenüber den Auswirkungen eines Hamas-Verbots in der Schweiz geäussert. Seiner Ansicht nach würde damit die Tür geöffnet, um weitere Akteure – wie etwa die kurdische PKK – ebenfalls zu Terroristen zu erklären und zu verbieten. Dies würde die Friedenssuche erschweren.

Zudem äusserte er die Meinung, ein «Ein-Staaten-Modell» könnte eine Lösung im Nahostkonflikt und ein Ausweg aus der heutigen Situation sein. Seiner Ansicht nach sie die Besiedlung des Westjordanlands dermassen weit vorangeschritten, dass nur mehr eine gemeinsame politische Vision erfolgreich sein könne. Diese Aussagen werden Goetschel nun übel genommen. Obgleich er den Terrorangriff der Hamas klar verurteilt hatte, wird er in der BaZ als «israelfeindlich» dargestellt. Offenbar ist dort jegliche Kritik an der offiziellen israelischen Position tabu. 

kHaus
Die Friedensstiftung Swisspeace ist im Basler kHaus beheimatet.

Es ist unbestritten: Laurent Goetschel (selbst jüdisch, by the way) schlägt sich in seiner Funktion als Friedensforscher nicht einseitig auf die israelische Seite – insbesondere nicht auf diejenige der Regierung. Daher ist er einigen engagierten Israelfreund*innen in Basel seit Längerem ein Dorn im Auge. Kritisiert wurde er bereits 2022 im Zuge der Veranstaltungen zum 125-Jahre-Jubliläum des Zionistenkongresses (BaZ,). Auch jetzt heisst es in der BaZ, «besorgte Juden hätten sich wegen Laurent Goetschel bei Parlamentariern gemeldet».

Dass Swisspeace für die Aussagen ihres Direktors abgestraft wird, könnte happige Folgen haben. Denn: Die Absage des Baselbieter Landrats kann weitreichendere Konsequenzen haben als die 100’000 Franken. So hat der Bund seine Gelder an Swisspeace unter der Vorgabe zugesagt, dass beide Basler Halbkantone die Friedensstiftung ebenfalls unterstützten. Am Donnerstag muss Goetschel Vertreter*innen aus Bern Rede und Antwort stehen und um Unterstützung für seine Friedensstiftung kämpfen. Immerhin: Swisspeace ist mit der Uni Basel assoziiert und bekommt dort ebenso Rückhalt zugesichert wie vom Kanton Basel-Stadt.

Zionismus
Bereits 2022 war Swisspeace aufgrund der Gesprächsreihe zum Zionismus in der Kritik.

Problematisch an der ganzen Sache ist, dass die Absage aufgrund einer persönlichen Aussage von Goetschel erfolgte; die Qualität der Forschung von Swisspeace ist davon nicht tangiert. 

In seiner Funktion als Direktor einer wissenschaftlichen Einrichtung muss er sich aber neben der Freiheit von Forschung und Lehre auch auf das Grundrecht der freien Meinungsäusserung berufen können. Die Forschung war schon immer ein Ort des freien Denkens wie auch von Rede und Gegenrede, und sie wird immer Schauplatz von Auseinandersetzungen sein. 

Sollte es dazu kommen, dass mit öffentlichen Geldern finanzierte Universitäten kontroverse Veranstaltungen absagen oder Wissenschaftler*innen nicht mehr öffentlich auftreten, weil sie um ihre Karriere und das Renommee ihrer Institutionen fürchten müssen, wäre das fatal. Um sich zu Israel zu bekennen und sich für die Sicherheit der Jüd*innen in der Schweiz auszusprechen, bedarf es keines Maulkorbs für Wissenschaftler*innen. Denn wenn seitens der Politik Tabuzonen errichtet und Gedankenverbote ausgesprochen werden, ist nicht nur die Forschung, sondern mittelfristig auch die Demokratie gefährdet. 

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