«Feuer frei für das Institut»

Die Universität Basel will diese Woche ihren Bericht zum Fachbereich Urban Studies publizieren. Das Institut ist aufgrund von einer Doktorarbeit und Aussagen einiger Dozent*innen und Student*innen nach dem 7. Oktober in der Schusslinie.

Urban Studies Universität Basel
Das Institut für Urban Studies der Universität Basel. (Bild: Max Doepgen)

Die Kritik am Institut für Urban Studies der Universität Basel war massiv. Aufsehen erregte im November eine Doktorarbeit des Fachbereichs Urban Studies, in welcher der Verfasser beschreibt, wie die «Besatzungsmacht» Israel Wildschweine aussetzt, um die Ernten der palästinensischen Bäuer*innen zu zerstören. Ebenso für Wirbel sorgte ein offener Brief von Student*innen, in dem die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten als «Ergebnis einer langjährigen Politik, die auf Siedlerkolonialismus und Apartheid beruht» bezeichnet wurde.

Dieser Brief war zwar nur einen Tag online, bevor er wieder gelöscht wurde. Dennoch haben die beiden Vorkommnisse nun ein Nachspiel. Die Universität prüft, ob die wissenschaftlichen Standards im Fachbereich Urban Studies eingehalten werden. Ihre Ergebnisse wie auch mögliche Konsequenzen werden diese Woche publik gemacht.

Der ganze Fachbereich im Visier

Bisher hat sich die Uni nicht öffentlich zu den drastischen Anschuldigungen in den Medien geäussert. Nachdem es hiess, ein ganzer Fachbereich sei «in den Händen von politischen Aktivisten» und das Institut verschreibe sich einer «postkolonialen Ideologie», nahm indes der Dekan Martin Lengwiler in der NZZ den Fachbereich Urban Studies in Schutz.

Matthias Geering, Leiter Kommunikation der Universität Basel, sagt auf Nachfrage: «Wir kommentieren die Berichterstattung in den Medien nicht.» Schliesslich verhalte sich die Uni so zurückhaltend, weil es sich bei dieser Angelegenheit um ein laufendes Verfahren handle.

Manuel Herz
Manuel Herz kann die heftigen Vorwürfe nicht nachvollziehen. (Bild: Julen Lanoo)

Nicht nachvollziehbar ist das für den Basler Architekten Manuel Herz, Mitbegründer des Instituts for Urban Studies. Er sagt zu Bajour: «Der aktuelle Konflikt geht mir sehr nahe, weil er Teil meiner Biografie ist. Ich habe einen israelischen Pass und war am 7. Oktober in Israel. Das Statement, welches das Institut für kurze Zeit online gestellt hatte, sehe ich durchaus kritisch. Dennoch irritiert mich die Heftigkeit der Vorwürfe gegen das Institut, ich kann sie nicht nachvollziehen.» Es sei schwer mitanzusehen, wie ein universitäres Institut, in dem akademische Arbeit auf hohem Niveau geleistet werde, mundtot gemacht werden solle. 

Fehlende Unterstützung

Am meisten wundert Herz, dass auf «die sehr einseitige Berichterstattung in den Medien» keine Reaktion der Universität gefolgt sei. Es hiess: «Feuer frei für das Institut.» Dieses dürfe sich zu den Vorfällen aber nicht äussern und könne sich daher auch nicht wehren. Allein der Vorwurf, das Institut würde sich aktivistisch mit Antikolonialismus auseinandersetzen, sei absurd: «Träger der Urban Studies sind die Universität Basel sowie die Universität Kapstadt.» Sich unter diesen Umständen nicht mit Kolonialismus zu beschäftigen, wäre ein Manko.

Auch den Vorwurf des Antisemitismus an das Institut kontert Herz: «Es kann nicht sein, dass man sofort als Antisemit gilt, wenn man eine kritische Position zum Zionismus einnimmt.» Und er verweist auf keine Geringere als Hannah Arendt, die sich in ihrem späteren Werk ebenfalls kritisch geäussert habe und keineswegs antisemitisch gewesen sei. Auf die Frage, warum von Seiten der Universität so wenig Widerstand komme, antwortet Herz: «Das ist die grosse Frage. Unterstützung sieht anders aus, und es gibt viel Positives, was man hervorheben könnte.» 

Ueli Mäder
Ueli Mäder vermisst bisher eine gründliche Analyse. (Bild: Monika Heid)

Auch für Ueli Mäder, emeritierter Soziologe der Uni Basel, geht die Kritik seitens der Medien an die Urban Studies teils zu weit. Er sagt: «Medien haben heikle Aussagen aufgedeckt und kritisiert. Statt Kontexte zu ergründen, haben einzelne aber unsäglich simplifiziert und pauschalisiert.» Als Mitglied der Ombudsstelle der Universität findet Mäder: «Kritik ist sinnvoll, wenn sie fundiert und differenziert ist. Bezüglich der Urban Studies basierten die voreiligen Forderungen auf keiner gründlichen Analyse.»

Markus Schefer
Markus Schefer ordnet den Fall Swisspeace kritisch ein. (Bild: © Julian Powell Photography · www.julianpowellphoto.com)

Schliesslich verweist Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Basel, auf die Wissenschaftsfreiheit: «Solange die Erkenntnisse auf der Methodik der jeweiligen Fachdisziplin beruhen, werden sie durch die Wissenschaftsfreiheit geschützt». Dies gelte insbesondere dann, wenn diese von weiten Teilen der Öffentlichkeit kontrovers oder ablehnend aufgenommen würden.

Dennoch seien Forscher*innen nicht vor Kritik geschützt. «Wissenschaftliche Institutionen sollten jedoch nicht in Panik verfallen. Sie sind vielmehr gefordert, vernünftig und selbstbewusst mit der Kritik umzugehen.» Wie auch im Fall der Urban Studies müsse es nun ein Ansporn für die Wissenschaft sein, ihre Erkenntnisse kritisch zu hinterfragen. 

Sorge vor Konsequenzen

Schefer sagt aber, dass der Schutz durch die Wissenschaftsfreiheit es staatlichen Akteur*innen verbiete, den Wissenschafter*innen und ihren jeweiligen Institutionen Nachteile zuzufügen, wenn diese Akteur*innen mit den geäusserten Erkenntnissen nicht einverstanden seien – und er verweist auf den Fall von Swisspeace: «Es erscheint höchst problematisch, wenn eine Regierung oder ein Parlament die Finanzierung wissenschaftlicher Institutionen von der politischen Wünschbarkeit öffentlich geäusserter wissenschaftlicher Erkenntnis abhängig machen würde.» 

Swisspeace ist mit der Universität Basel assoziiert. Diese hat sich zur Debatte um den Direktor der Friedensstiftung, dem Basler Professor für Politikwissenschaft Laurent Goetschel, nicht geäussert. Die Antwort hinsichtlich der Urban Studies wird nun mit Spannung erwartet. Im Fokus steht die eingangs erwähnte Doktorarbeit. Ob der gesamte Fachbereich mit Konsequenzen rechnen muss, ist offen.

Die Fälle Swisspeace und Urban Studies zeigen aber: Seit dem Terror-Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist es für Wissenschaftler*innen heikel, sich in der Öffentlichkeit zum Nahostkonflikt zu äussern. Denn die Sorge vor einem politischen Maulkorb oder vor weiteren Konsequenzen ist durchaus begründet.

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