Quartierverein setzt sich zur Wehr
Mit der Absage der «Superblocks» für das Wettstein-Quartier hat der Regierungsrat den Verein «Wettstein 21» erzürnt. Jetzt lehnt er sich auf.
Die Regierung hat Anfang Januar beschlossen, in den Quartieren St. Johann und Matthäus sogenannte «Superblocks» zu testen. Superblocks sind vielfältig nutzbare, begrünte und verkehrsberuhigte Quartierstrassen. Im Allgemeinen war die Freude gross, im Speziellen, um genau zu sein, beim Quartierverein «Wettstein 21» herrschte allerdings Enttäuschung und Zorn. Der Grund: Das Wettstein-Quartier wurde nicht berücksichtigt. Entgegen der Erwartungen soll dort kein Superblock realisiert werden. Und das, obwohl der Verein mit seiner «Charta für ein zukunftsfähiges Wettstein-Quartier» in der Mitteilung des Regierungsrats als Impulsgeber für die Testphase der Superblocks genannt wurde.
An der Generalversammlung am vergangenen Montag hat der Verein seinem Zorn nun Gestalt verliehen und einen Plan gefasst, um sich gegen den Entscheid der Regierung zu wehren. Das hat Bajour exklusiv erfahren.
Christoph Keller, Präsident des Vereins Wettstein 21
«Wir lassen uns nicht entmutigen und machen weiter. Die Stimmung ist kämpferisch. Dabei geht es uns um die Stadtentwicklung im Ganzen. Wir wehren uns gegen eine Regierung, die beim Thema klimagerechte Stadtentwicklung nicht schnell genug vorangeht und denkt, wir hätten noch ewig Zeit. Die eskalierende Klimakrise zeigt uns aber: Dem ist nicht so», sagt der Präsident des Vereins, Christoph Keller.
20 Begehren für Begegnungszonen
Konkret haben die Mitglieder von Wettstein 21 beschlossen, auf den «Plan B+B» zu setzen. Das bedeutet, sie ergänzen die Forderung nach Begegnungszonen mit der Forderung nach Begrünung. Damit folgen sie dem Beispiel eines ersten Begehrens in der Römerstrasse. Dort haben Anwohner*innen gefordert, dass in einer künftigen Begegnungszone sechs Parkplätze durch sechs Bäume ersetzt werden.
Der Verein Wettstein 21 hat sich ausserdem vorgenommen, die Regierung und insbesondere das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) ordentlich unter Druck zu setzen und arbeitstechnisch zu überlasten. «Für jeden einzelnen Streckenabschnitt im Wettstein-Quartier werden wir eine Petition für eine Begegnungszone mit Begrünung einreichen. Dafür rekrutieren wir nun die entsprechenden Personen, die in den Strassenabschnitten wohnen.» Insgesamt kämen so 15 bis 20 Begehren zustande, so Keller.
Die Absicht dahinter: Vielleicht kommt es dann so weit, dass die Behörden einsehen, dass es sich nicht lohnt, jede Begegnungszone einzeln zu projektieren. «Beruhigung und Entsiegelung einzelner Strassenabschnitte könnten zusammengefasst werden, wodurch man wieder näher an der Grundidee der sogenannten Superblocks wäre», hofft der Verein. Er möchte die Behörde mit den Begehren überlasten.
In einer Begegnungszone gilt Tempo 20, Fussgänger*innen haben gegenüber Auto- und Velofahrenden Vortritt und sie sind immer mit dem typischen Torelement mit Verkehrsschild und Kinderzeichnung, sowie entsprechenden Bodenmarkierungen ausgestatten. Wenn genügend Platz vorhanden ist, werden Begegnungszonen mit Sitzbänken und Pflanztrögen ausgestattet.
Wer möchte, dass seine Wohnstrasse zu einer Begegnungszone umgestaltet wird, muss erstmal prüfen, ob sich der Streckenabschnitt dafür eignet. Es gibt einige Kriterien. Zum Beispiel sollte es sich um eine Nebenstrasse mit wenig Autoverkehr und ohne öffentlichen Verkehr handeln.
Wenn sich die Strasse eignet, müssen bei den Nachbar*innen möglichst viele Unterschriften gesammelt werden. Der Antrag wird dann beim Planungsamt eingereicht, das es prüft und einen Umsetzungsvorschlag umsetzt. Dieser wiederum wird den Anwohner*innen in einer Umfrage vorgelegt. Nur wenn zwei Drittel der Haushalte zustimmen, wird das Projekt weiterbearbeitet. Kommen die nötigen Stimmen zusammen, publiziert der Kanton die Begegnungszone im Kantonsblatt. Gibt es keine Einsprachen, wird die Begegnungszone umgesetzt.
In der Regel dauert es vom Antrag bis zur Umsetzung einer Begegnungszone 1,5 Jahre.
Ob das Prozedere bei so vielen zusätzlichen Anträgen, die Behörden tatsächlich überlasten würde, ist noch nicht absehbar. Mediensprecherin Sarah Schmid vom Bau- und Verkehrsdepartement sagt dazu: «Es steht Anwohnenden offen, beim BVD einen Antrag auf die Einrichtung einer Begegnungszone einzureichen. Eine Einschätzung zum Aufwand können wir im Moment nicht geben, da die Anträge mit den nötigen Unterschriften erst bei uns eingehen müssen. Die Anträge aus der ganzen Stadt werden in der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet.»
Viele Strategien betreffen auch das Wettstein-Quartier
Grundsätzlich habe man beim BVD Verständnis für die Betroffenheit der engagierten Quartierbewohner*innen, sagt Schmid und verweist auf zahlreiche Strategien und Konzepte für eine nachhaltige Stadtentwicklung, die auch das Wettstein-Quartier betreffen. Sie erwähnt unter anderem die Klimaschutzstrategie, die Mobilitätsstrategie und das Stadtklimakonzept.
Gemäss den Aussagen von Keller sind die bisherigen Massnahmen des Regierungsrat im Sinne des Vereins aber nicht ausreichend. Mit ihrer Aktion wollen die Mitglieder verdeutlichen, wie ernst es ihnen mit ihrem Anliegen einer klimafreundlichen Stadtentwicklung ist: «Unsere Position ist, dass die Transformation des öffentlichen Raumes in eine klimafreundliche Stadt Staatsaufgabe ist. Wenn die Regierung nicht von selbst rasch genug vorwärts macht», so der Vereinspräsident, «braucht es eine Bevölkerung, die Druck macht».
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