Wie setzen Sie sich fürs Klima ein?
Die Basler Regierung muss das Netto-Null-Ziel 2037 vorantreiben. Wie haben es die Regierungskandidaten Luca Urgese und Mustafa Atici mit der Klimapolitik des Kantons? Die Bewegung «Basel2030» hat nachgefragt.
Basel-Stadt hat sich das Netto-Null-Ziel 2037 auf die Fahne geschrieben. Darauf arbeiten Kanton und Regierung hin. Wie fit sind die Regierungskandidaten Luca Urgese (FDP) und Mustafa Atici (SP) in Sachen Klima? Das wollen die Menschen von «Basel2030», die hinter der Klimagerechtigkeitsinitiative stecken und sich für eine zukunftsgerichtete Klimapolitik in Basel einsetzen, wissen. Urgese und Atici stellten sich ihren Fragen.
«Basel2030» setzt sich für ein klimagerechtes Basel und eine klimagerechte Welt ein. 2020 lancierten sie die Klimagererchtigkeitsinitiative, die im Herbst 2022 in Basel zur Abstimmung kam. Damals wurde der Gegenvorschlag angenommen und das Netto-Null-Ziel 2037 in die Verfassung aufgenommen.
(Foto: Keystone)
Wie werden Sie in der Regierung vorgehen, um im Sinne der «umfassenden Klimagerechtigkeit», wie sie nun in der Verfassung verankert ist, zu handeln?
Mustafa Atici: Das Klimaproblem ist die grösste Herausforderung unserer Generation und bestimmt die Zukunft. Dafür sollten wir stehen und in allen Bereichen Lösungen präsentieren. Das heisst für mich, dass die Regierung bei jeder Handlung einen Klimacheck – wie es ihn schon für die finanziellen Auswirkungen gibt – machen sollte. Dabei muss die Prüfung der Regierung auch beinhalten, welche Auswirkungen unsere Massnahmen und Aktivitäten ausserhalb des kleinen Kantons haben. Hier müssen wir noch viel Wissen aufbauen – das ist ganz wichtig.
In Basel-Stadt selber können wir im Bildungsbereich das wichtige Wissen über die Klimaerhitzung und die Klimagerechtigkeit noch selbstverständlicher verankern, sodass die Kinder ihre Zukunft positiv gestalten können. Innerhalb des Regierungsrates werde ich mich auch für die wichtigen Energiewende-Projekte einsetzen, sie sind ein grosser Teil des Netto-Null-Ziels.
«Das Klimaproblem ist die grösste Herausforderung unserer Generation und bestimmt die Zukunft. Von Investitionen für die Energiewende und das Netto-Null-Ziel haben alle etwas.»Mustafa Atici, SP
Luca Urgese: Als Kanton haben wir die Verantwortung übernommen, unsere direkten Emissionen bis 2037 auf Netto-Null zu senken. Damit tragen wir unseren Teil zur Klimagerechtigkeit bei. Das ist allerdings ein überaus ambitioniertes Ziel. Um die Akzeptanz der damit verbundenen Massnahmen sicherzustellen, müssen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermassen berücksichtigt werden. Deshalb würde mein Augenmerk als Regierungsrat darauf liegen, Vorlagen so zu gestalten, dass sie von der Bevölkerung als ausgewogen und gerecht betrachtet und entsprechend mitgetragen werden.
Wie und in welcher Form werden sie das Erziehungsdepartement einbeziehen, um die verfassungsverankerten Klimaziele zu erreichen? Welche konkreten Massnahmen und Ausbildungskonzepte wollen Sie umsetzen?
Mustafa Atici: Bei der Umsetzung der Klimaziele kann das Erziehungsdepartement eine wichtige Rolle übernehmen. Zwei konkrete Beispiele: Langfristig könnten wir in der Schule alle Kinder über die Ursachen und die Folgen der Klimaerhitzung informieren und sensibilisieren. An Hochschulen können wir vermehrt in Forschung investieren, sei es in die Erforschung alternativer Energien, Kreislaufwirtschaft, ökologischer Stadtentwicklung oder Mobilität.
«Zu den Klimazielen gehört die Klimaneutralität der zahlreichen Bildungsliegenschaften oder sichere Schulwege, damit Kinder zu Fuss, mit dem ÖV oder mit dem Velo in die Schule gehen können.»Luca Urgese, FDP
Luca Urgese: Jedes Departement muss seinen Teil dazu beitragen, die Klimaziele des Kantons zu erreichen. Beim Erziehungsdepartement gehören dazu Fragen wie die Klimaneutralität der zahlreichen Bildungsliegenschaften oder sichere Schulwege, damit Kinder zu Fuss, mit dem ÖV oder mit dem Velo in die Schule gehen können. Mit der Universität und der Fachhochschule ist das ED aber auch für zwei Institutionen verantwortlich, die mit ihrer Expertise und Innovationskraft sehr viel dazu beitragen können, unsere Klimaziele zu erreichen.
Wo sehen Sie Schnittstellen zwischen dem Erziehungsdepartement und der Fachstelle Klima? Werden Sie die Fachstelle Klima stärken und bei der Umsetzung von Klimagerechtigkeit und Netto-Null bis 2037 unterstützen?
Mustafa Atici: Bei der Berufsbildung, an der Universität, bei der Schulbauten und Sensibilisierungsarbeit im Bereich Umwelt muss die Fachstelle Klima mit dem Erziehungsdepartement aktiv zusammenarbeiten. Ich würde mich für die Fachstelle stark machen und schauen, dass diese noch aktiver bei der Gestaltung der Areale mitredet. Insgesamt sind alle Massnahmen der Sensibilisierung für die Thematik und zum Aufbau des Wissens, wie wir uns klimaschonend verhalten können, gerade an den Schulen sehr wichtig.
«Insgesamt sind alle Massnahmen der Sensibilisierung für die Thematik und zum Aufbau des Wissens, wie wir uns klimaschonend verhalten können gerade an den Schulen sehr wichtig.»Mustafa Atici, SP
Luca Urgese: Die Fachstelle Klima sehe ich als strategische Stabsstelle, die für den Regierungsrat die notwendigen Entscheidgrundlagen erarbeitet. Schnittstellen ergeben sich daher bei allen klimarelevanten Fragen. Beim ED zum Beispiel bei Fragen der Gebäude oder der Schülermobilität (siehe Frage 2). Aufgrund ihrer Gesamtübersicht kann die Fachstelle dazu beitragen, Massnahmen zu koordinieren und zu bündeln und so Doppelspurigkeiten zwischen den Departementen zu vermeiden.
Bezüglich der Transformation bis 2037 hören wir oft die Frage «Wer soll das bezahlen?». Werden Sie befürworten, die Steuerüberschüsse der letzten Jahre für das Erreichen des Ziels Netto-Null 2037 einzusetzen?
Mustafa Atici: Für das Netto-Null-Ziel würde ich mehr investieren: beispielsweise bei der Entwicklung neuer Areale oder für Massnahmen gegen die Hitze in der Innerstadt. Daher bin ich froh, dass wir im Kanton solide Finanzen haben und einen Teil der Überschüsse für die langfristige Ziele wie das Netto-Null-Ziel und die Energiewende einsetzen können. Davon haben wirklich alle etwas.
«Haben die Menschen mehr Geld im Portemonnaie, sind sie eher bereit, Klimaschutzmassnahmen mitzufinanzieren.»Luca Urgese, FDP
Luca Urgese: Die erfreuliche finanzielle Lage unseres Kantons ermöglicht es uns, auch in den nächsten Jahren wichtige Investitionen zu tätigen. Dazu gehören natürlich sowohl Bildung als auch Klimaschutz. Gleichzeitig vertrete ich die Haltung, dass ein Teil des strukturellen Überschusses für Steuersenkungen genutzt werden sollte. Die Akzeptanz von Klimaschutzmassnahmen hängt mit den Kosten für die Bevölkerung zusammen. Haben die Menschen mehr Geld im Portemonnaie, sind sie eher bereit, Klimaschutzmassnahmen mitzufinanzieren.
Atici betont sowohl die lokale (alle hätten etwas von der Klimaanpassung) wie die globale Klimagerechtigkeit (Auswirkungen ausserhalb des Kantons). Diesen vollständigen Blick befürworten wir. Urgeses Fokus liegt auf der lokalen Akzeptanz der Klimaschutzmassnahmen in der Bevölkerung. Diese finden wir ebenfalls wichtig, sie darf aber nicht gegen die globale Perspektive und die Dringlichkeit ausgespielt werden.
Die Rolle des Erziehungsdepartements: Urgese betont, wie wichtig es ist, dass Schülerinnen und Schüler sicher mit dem Velo, dem ÖV oder zu Fuss, also mit klimafreundlichen Verkehrsmitteln, zur Schule kommen können. Wir sind erfreut über diese Antwort und teilen diese Ansicht.
Atici betont noch mehr als Urgese die Rolle aller Ausbildungsstufen, um uns für Klimawende und Klimakrise fit zu machen, also Klima als Thema im Unterricht, aber auch Kreislaufwirtschaft und Stadtentwicklung an Unis und Fachhochschulen. Beide sehen die Forschung wichtig. Keiner der beiden erwähnt die zentrale Rolle des Erziehungsdepartements beim Fachkräftemangel, was wir enttäuschend finden.
Urgese behauptet, Steuersenkungen würden zu höherer Akzeptanz von Klimaschutzmassnahmen führen, weil die Leute mehr Geld zur Verfügung hätten. Wir halten diese Rechnung für zu einfach. Unüberlegt eingeführte Klimaschutzmassnahmen, wie zum Beispiel eine erhöhte Benzinsteuer ohne Rückvergütung, können finanziell schwächere Haushalte stärker belasten, auch wenn die Steuern gesenkt werden.
Wenn Massnahmen hingegen von progressiven Steuern finanziert werden, können die Massnahmen progressiv und damit weniger belastend ausgestaltet werden für Haushalte, die jetzt schon jeden Franken umdrehen müssen. Damit würden sie vermutlich in der breiten Bevölkerung auf mehr Akzeptanz stossen als Steuersenkungen und separate Klimamassnahmen.
Beide Kandidaten betonen die Wichtigkeit der Fachstelle Klima, was wir sehr positiv werten. Alles in allem sind beide motiviert, Netto-Null 2037 umzusetzen. Atici betont jedoch wesentlich stärker als Urgese die Dringlichkeit, die globale Klimagerechtigkeit und die umfassende Dimension der Klimawende.