Das Werk wird zu Mehl
Das Weizenfeld auf dem Messeplatz war noch vor ein paar Wochen ausschliesslich eine viel beachtete Installation der renommierten Künstlerin Agnes Denes. Zwischenzeitlich schien sein Fortbestehen in Gefahr und die Künstlerin selbst meldete sich aus New York zu Wort. Nun ist das Korn reif und die kollektive Ernte steht an.
Im Frühsommer wurde es bestaunt, gefeiert, gefuttert und vor allem fotografiert. Mitten im Juli dann beschimpft, als «beschämend» bezeichnet und doch wieder verteidigt – das Weizenfeld auf dem Messeplatz wird seit seiner Entstehung genau beobachtet: von den Basler*innen, von der nationalen und sogar internationalen Presse.
Der Grund: Das rund 1000 Quadratmeter grosse Feld steht nicht im Dienst der Landwirtschaft, sondern der Kunst. Es ist ein Werk der US-amerikanischen Künstlerin Agnes Denes und trägt den Titel «Honouring Wheatfield – a Confrontation». Es verweist auf eine frühere Installation der heute 93-jährigen Künstlerin. 1982 errichtete sie mitten in New York ein riesiges Weizenfeld. Denes machte als Pionierin der Umweltkunst schon in den 80er-Jahren auf heute omnipräsente Themen aufmerksam.
Mittlerweile wurden aus einem Feld in Basel zwei. Ein Teil der Kisten, in denen das Getreide wächst, wurde auf die Rosentalanlage umgesiedelt, um einem temporären Fussballfeld, das für die Frauen-Fussball-EM 2025 aufgebaut wurde, Platz zu machen. Die Ähren sind gelb geworden, der Weizen ist reif, die Ernte steht an.
Rund um die Art Basel entsteht ein Spannungsfeld aus Kritik und Referenzen. Basel Social Club, die Liste und politische Aktivist*innen reiben sich an der prominenten Antagonist und kommen doch nicht ohne sie aus. Eine Analyse.
Am Sonntag wird das gesamte Kunstwerk zu Mehl verarbeitet. Wie viel Kilogramm dabei entstehen, ist laut den Verantwortlichen noch nicht abschätzbar. Vor einem Monat noch klang es, als ob die Ernte nichts hergeben würde. «Die Kübel verrotten teilweise, der Weizen ist kaum gewachsen und bietet einen kümmerlichen Anblick», hiess es in der NZZ.
Die Autorin warf den Verantwortlichen vor, dass sie nur Interesse an den marketingtechnisch wertvollen Fotos von den Art-Besucher*innen vor dem Feld auf Instagram gehabt hätten: «Fällt der Vorhang und bleiben die täglichen Besucher aus, dann zeigt sich, was mit Prestigeprojekten geschieht: Ist die Aufmerksamkeit erst weg, ist weiteres Interesse verloren.» Ausserdem seien die Kübel vom Messeplatz weggeräumt worden, zuerst an die Isteinerstrasse, dann auf die Rosentalanlage.
Daraufhin folgte ein Artikel auf den nächsten. Die BaZ schrieb, die Vorwürfe seien falsch, das Getreide gedeihe prächtig. «Der Weizen wird offensichtlich gepflegt und gedeiht. Die Ähren tragen Korn.» Richtig sei allerdings, dass ein Teil der Kübel versetzt wurde und nun auf der Rosentalanlage stehe, und das sei nicht im Sinne der Künstlerin. Diese meldete sich über ihre New Yorker Galerie erzürnt zu Wort und teilte mit, sie sei nicht gefragt worden, ob ihr Werk aufgeteilt werden dürfe.
Kein exklusives Nutzungsrecht
Die Zeitung zitiert die Künstlerin folgendermassen: «Es war respektlos, geringschätzig, was auch immer man Ihnen erzählen wird. Ich habe mich mein ganzes Künstlerinnenleben mit solchen Sachen herumschlagen müssen. Ich wurde übergangen, zur Seite gedrängt, missachtet, weil ich eine Frau bin.» Der zuständige Kurator Samuel Leuenberger wiederum gab zu Protokoll, dass die Art Basel nur im Juni das exklusive Nutzungsrecht für den öffentlichen Platz habe. Deshalb habe man entschieden, einen Teil des Feldes auf die Rosentalanlage zu bringen. Vor der Art war dieser Nutzungskonflikt nicht thematisiert worden. Es hiess damals nur, das Feld solle bis August bestehen bleiben.
Ein paar Tage später schaltete sich sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Deutschland ein. Die Künstlerin habe sich von der BaZ nicht adäquat wiedergegeben gefühlt, hiess es dort. Zitiert wird ein Text, den Denes zusammen mit ihrer Galeristin verfasst habe. Es hätte sich wohl um «unvorhergesehene Umstände» gehandelt, weswegen die Weizenfeld-Installation hätte umplatziert werden müssen. Der Künstlerin sei jetzt vor allem wichtig, dass die Pflanzen weiterhin «wachsen und gedeihen».
Gewachsen und gediehen sind sie nun offensichtlich. Die goldgelben Ähren leuchten zahlreich in der Augustsonne. Der Kurator Samuel Leuenberger sagt gegenüber Bajour: «Wir können mit der Ernte sehr zufrieden sein. Bauern haben sich schweizweit beklagen müssen, dass 20-30 Prozent der Weizenerträge wegen eines Pilzbefalls, der durch den vielen Regen verursacht worden ist, vernichtet werden mussten. Unsere Weizen waren zwar etwas im Wachstum verzögert, dafür ist er gesund geblieben.» Dass die Kommunikation rund um den Umzug der Kübel «weniger reibungslos» verlief, bedauert Leuenberger. Die Herausforderungen, die ein solch komplexes Projekt mit sich bringen seien gross, da sei es schade, «die positive Bilanz damit zu trüben».
Wer mitmacht, wird Teil des Kunstwerkes
Diese Woche hat ein Team der Art in Zusammenarbeit mit der Stadtgärtnerei mit der Ernte auf der Rosentalanlage begonnen. Da dieses aussergewöhnliche Feld nicht auf dem Boden, sondern in Kübeln wächst, wird statt mit Mähdreschern mit akkubetriebenen Heckenscheren geerntet. Die Ähren werden im Anschluss gedroschen und das Korn in Säckchen gepackt. Diese können beim grossen Erntefest am Sonntag, den 18. August, als Souvenir mitgenommen werden. Dann lädt die Art nämlich zur kollektiven Ernte ein. Wer möchte, kann mit der Schere ein paar Ähren abschneiden und mitnehmen, entweder als Andenken oder – das wäre gemäss den Verantwortlichen im Sinne der Künstlerin – um die Körner auszusäen, damit erneut Weizen daraus wachsen kann.
Die Idee hinter der kollektiven Ernte: Wer mitmacht, wird Teil des Kunstwerkes. Leuenberger sagt: «Das ist ein konzeptueller Teil der Arbeit, wie es schon 1982 war. Der Künstlerin ist es sehr wichtig, dass jeder teilnehmen kann und keine unnötige Verschwendung stattfindet.»
Wenn das Getreide vollständig geerntet und zu Mehl verarbeitet wurde, wird es gemäss dem Wunsch von Agnes Denes an lokale Bäckereien und Lebensmittelabgabestellen weitergegeben.
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Die Veranstaltung findet am Sonntag, den 18. August, von 14:00 bis 16:00 Uhr auf dem Messeplatz statt.