D Gartebeiz wird zur Wartebeiz

Die Gastrobranche erlebte einen veritablen Personal-Exodus. Die Folgen zeigen sich jetzt in Form von langen Wartezeiten. Gefragt wären jetzt bessere Bedingungen und etwas unternehmerische Fantasie.

Garten Beiz Restaurant Bier Service
Zehn Minuten bis zur Bestellung, weitere fünf Minuten bis zum ersten Schluck. Andere dürstet es länger. (Bild: KEYSTONE / Gaetan Bally)

Es ist einer dieser wunderschönen Frühlingstage der vergangenen Woche: Kalte Luft und warme Sonne, nach dem Spaziergang eine Gartenwirtschaft, wie sie im Büchlein steht. Bier her!

Der Aussenbereich der Allschwiler Beiz ist rappelvoll. Unsere Bedienung rast hin und her und gibt ihr Bestes. Wir sitzen strategisch günstig, wir haben Glück. Zehn Minuten bis zur Bestellung, weitere fünf Minuten bis zum ersten Schluck. Andere dürstets deutlich länger. Augenfällig: Das Personal ist knapp, zu knapp. Wir «stürmen» auch nicht, weil wir ein bisschen warten müssen. Nicht so schlimm, für uns. Es ist warm, wir sitzen an der Sonne und müssen nicht rennen.

Die Gastrobranche ist in einer fast paradoxen Lage. Kaum sind die beiden Corona-Krisenjahre mehr oder weniger überstanden, kommt der nächste Dämpfer, der extreme Personalmangel. Angesprochen darauf, wird Maurus Ebneter, Präsident des Basler Wirteverbands sehr deutlich: «Es ist im Moment unsere grösste Herausforderung. Es fehlt an Fachkräften und Hilfskräften.»

Probleme aus der Hausmacher-Küche

Rund 28’000 Angestellte hätten während der Pandemie die Branche verlassen, teilt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit. Das sind gut 15 Prozent. Die unattraktiven Arbeitsbedingungen erschwerten es, neue Angestellte in den Tourismus zu locken, während viele Arbeitskräfte den Sektor aufgrund der Schliessungen und den dort herrschenden Bedingungen verlassen hätten.

Seit Anfang Jahr habe sich die Situation nochmals verschärft, die Zahl der offenen Stellen sei nochmals nach oben geschnellt, schreibt die SonntagsZeitung. Gemäss Seco waren im März in der Gastronomie rund 7900 Stellen nicht besetzt, fast doppelt so viele wie vor Pandemiebeginn.

Maurus Ebneter
Man könne nicht nur Corona die Schuld geben, meint Wirteverbandspräsident Maurus Ebneter. (Bild: Keystone-SDA)

Dabei war die Personalknappheit ein Problem mit Ansage. Schon im August vergangenen Jahres warnte Ebneter in einem Kommentar: «Die Rekrutierungsprobleme sind nicht nur eine Folge des Lockdowns. Vielmehr beschleunigte Corona eine Entwicklung, die wir lange Zeit durch die Einstellung ausländischer Arbeitskräfte übertünchen konnten. Von Teilen der Branche unbemerkt, haben wir einen Wechsel zum Mitarbeitermarkt erlebt: Die Angestellten suchen sich ihre Arbeitgeber aus – nicht umgekehrt!» Konkret also: Ein grosser Teil des Problems ist hausgemacht.

Gartenpflege

Wer eine Gartenwirtschaft und die Personalfrage im Griff hat, kann von Glück reden. «Die beiden Sommermonate waren sehr gut», sagt Charlotte Wirthlin, die langjährige Beizerin des «Platanenhofs» im Kleinbasel. Personalmangel kennt sie keinen, weil sie auf ein grosses Beziehungsnetz von jungen Menschen zählen kann, die meisten Ungelernte. «Es arbeiteten hier einige, die hier ihren ersten Lohn verdienten.» Aber sie kennt natürlich auch die Schattenseiten: «Die unregelmässigen Arbeitszeiten sind nicht unbedingt gemacht für ein Familienleben», sagt die Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Kindern mit einem sarkastischen Unterton. «Und die Löhne sind auch nicht der Hammer.» Viele Mitarbeitende hätten im Lockdown die Branche gewechselt.

Manchmal braucht es etwas Kreativität – und glückliche Umstände. Die Krafft-Gruppe (Hotel Krafft und Nomad, Consum, Voltabräu) kann sich intern aushelfen: Ist es schönes Wetter, ist Personal am Rheinweg gefragt, bei schlechtem Wetter eher im Nomad-Restaurant. «Manchmal springen auch Leute aus der Direktion oder der Personalabteilung ein, wir sind da sehr flexibel und ziehen alle an einem Strang», sagt Christof Krentel, stv. Leiter des Hotels Nomad.

Grosser Rat
Die Arbeitgeber*innen müssen Kreativität zeigen, sagt VITO-Personalverantwortliche und LDP-Politikerin Annina von Falkenstein. (Bild: Grosser Rat Basel-Stadt)

Die Pizzerias laufen gut. Das freut VITO, die in Basel vier Standorte betreiben und kürzlich nach Zürich expandierten. Hier sind im Service fünf Stellen offen, drei weitere in der Produktion, Logistik und Verwaltung. «Wir haben viele Teilpensen. Die meisten Mitarbeitenden haben eine Kündigungsfrist von einem Monat. Diese Zeit reicht uns nicht aus, diese Stellen zu besetzen und jemanden einzuarbeiten», sagt VITO-Personalverantwortliche und LDP-Politikerin Annina von Falkenstein. Es gehe eben auch darum, dass man zu bestehenden Leuten im Betrieb Sorge trage. «Die Arbeitgeber müssen umdenken. Es braucht Kreativität. Einstellung und Motivation erhalten neuen Stellenwert», sagt sie.

Wenn der Chef die Kappe wäscht

Das Image als Arbeitgeber werde für die Unternehmen immer wichtiger, sagt auch der Wirtepräsident Ebneter. Und er wäscht da als Chef-Chef wahrscheinlich einigen Chef*innen die Kappe. «Arbeitgeber müssen schon bei der Mitarbeitersuche zeigen, was sie alles bieten. Dazu gehört eine faire, leistungsgerechte Bezahlung. Letzterem sind aufgrund der Produktivität Grenzen gesetzt. Umso bedeutsamer sind nichtmonetäre Faktoren.»

Für viele junge Leute sei eine gute Stimmung im Betrieb und die Work-Life-Balance wichtiger als früheren Generationen. Sie möchten gefordert werden, wollen aber auch mitgestalten und nicht tagaus tagein dasselbe machen, so Ebneter. «Wir müssen attraktivere Schichteinteilungen und Arbeitszeitmodelle ernsthaft überlegen und ausprobieren.» Auch wenn Zimmerstunden und unregelmässige Einsätze im Gastgewerbe sich nicht ganz vermeiden liessen.

Also liebe Menschen, die ihr da im Biergarten sitzt und dürstet und hungert: Habt bitte etwas Geduld mit dem gestressten Servicepersonal. Denn dieses kann kaum etwas dafür, wenn die Planung aus dem Ruder gelaufen ist.

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