GLP-Fraktion bekommt neue Spitze
Zwei Jahre war David Wüest-Rudin Fraktionspräsident der GLP im Grossen Rat. Auf Ende Juni gibt er das Amt ab und Claudia Baumgartner übernimmt, Johannes Sieber wird Vize. Zeit für eine Bilanz.
Es gibt Bewegung in der Basler GLP. Ab Juli wird nicht mehr David Wüest-Rudin die Fraktion im Grossen Rat anführen, sondern Claudia Baumgartner. Wie kommt es zum Wechsel, mitten im Wahlkampf? Im Oktober warten die Nationalratswahlen und im kommenden Jahr stehen Grossratswahlen an. Müsste man jetzt nicht auf bewährte Strukturen vertrauen?
David Wüest-Rudin, seit zwölf Jahren im Grossen Rat, befindet sich in seiner vierten und – aufgrund der Amtszeitbeschränkung – seiner letzten Legislatur. Dass er früher oder später abtreten würde, stand also fest. Dass er nicht bis zum Ende der Legislatur wartet, sondern den Stab schon jetzt weitergibt, überrascht. Mit einem «guten Übergang» begründet der GLPler das: «Ich bin jetzt noch im Grossen Rat und kann Claudia beim Einstieg unterstützen.»
Wüest-Rudin gehört zu den Gründern der GLP Basel-Stadt, fast zehn Jahre lang, bis 2016, war er ihr Präsident. Vor zwei Jahren hatte der Finanzpolitiker Wüest-Rudin das Amt des Fraktionspräsidenten übernommen. Dies folgte kurz nachdem den Grünliberalen mit dem Sprung auf acht Sitze im Basler Parlament eine kleine Sensation gelang: Die Kleinpartei schaffte es auf Fraktionsstärke und bekam damit Zugang zu den wichtigen Fachkommissionen. «Die Fraktion startete mit vielen Neuen, da war ich derjenige mit der längsten Erfahrung.» Das Amt habe Wüest-Rudin damals gern angenommen. Jetzt sei es wichtig, dass jemand übernehmen könne, «der etwas Erfahrung hat», sagt er mit Bezug auf seine Nachfolgerin.
«Jetzt ist es wichtig, dass jemand übernehmen kann, der etwas Erfahrung hat.»David Wüest-Rudin, scheidender GLP-Fraktionspräsident
Claudia Baumgartner, vorher Vize von Wüest-Rudin, steigt jetzt also auf. Johannes Sieber wird das Vize-Präsidium übernehmen. Mit Sieber war Baumgartner zusammen in die Legislatur gekommen, die beiden sitzen also gleich lange im Grossen Rat und arbeiten aktuell zum Beispiel am kantonalen Gleichstellungsgesetz. «Ich wünsche mir ein richtiges Vize-Präsidium, jemanden, der mich spiegelt und mit dem ich die Ziele gemeinsam angehen und die Geschäfte für die Fraktion aufbereiten kann», sagt Baumgartner.
GLP-Grossrat Johannes Sieber dürfte vielen in Basel bekannter sein als Claudia Baumgartner. Warum ist er also nicht neuer Fraktionspräsident geworden? «Weil die Claudia einfach besser ist», sagt Sieber. Beide hätten unterschiedliche Qualitäten als Fraktionsmitglieder. «Vielleicht bin ich präsenter und vorstossfreudiger. Aber das ist nicht alles in der Politik. Es muss auch gebüschelt und zusammengehalten werden und Claudia hat die Führungskompetenz, die es braucht.» Sieber sagt, er sei gern Vize, eine Kampfkandidatur sei es nicht gewesen.
Als er und Baumgartner in den Grossen Rat kamen, waren sie zwei von sieben Neumitgliedern der achtköpfigen Fraktion. Das sei ein «Riesenschritt» gewesen. Wüest-Rudin habe es gut gemacht als Fraktionspräsident «und uns gut eingeführt und geleitet». In zwei Jahren konnten sie viele Erfahrungen sammeln.
«Die Claudia ist einfach besser.»Johannes Sieber, Vizepräsident der GLP-Fraktion
Baumgartner schaffte es vor drei Jahren etwas unerwartet in den Grossen Rat. Als Esther Keller zur Regierungsrätin wurde, rückte die Juristin in den Grossen Rat nach. «Natürlich hat man mich als Geschäftsführerin des Tierparks Lange Erlen und als Vize-Präsidentin der Gassenküche Basel gekannt, das hat sicher bei der Wahl in den Grossen Rat geholfen», sagt sie heute. Die GLP vertritt sie in der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission sowie in der Wahlvorbereitungskommission.
Wie möchte Baumgartner die Fraktion prägen? «Grundsätzlich werde ich die Linie von Wüest-Rudin und damit selbstverständlich auch der GLP weiterfahren.» Es sei aber zum Beispiel ein Workshop mit der Fraktion geplant: «In gewissen Bereichen wollen wir uns noch besser strukturieren und deshalb habe ich auch Johannes Sieber als Vize gewählt.» Sieber bestätigt, dass seine Stärken im strukturellen und strategischen Planen liegen. Er betont: «Wir haben kein Chaos, wir sind gut organisiert. Aber mit Blick auf die Wahlen im Herbst und nächstes Jahr gibt es viel anzupacken.»
Den Linken zu rechts, den Rechten zu links
Ausserdem wolle Baumgartner als neue Fraktionspräsidentin den Fokus noch stärker auf die Sacharbeit legen. «Da wir sachpolitisch arbeiten und daher in vielen Themen keine vorgefertigten oder ideologisch geprägten Meinungen haben, haben wir innerhalb der Fraktion auch entsprechenden Abstimmungsbedarf.»
Damit spricht Baumgartner einen wunden Punkt an. Die GLP muss sich immer wieder vorwerfen lassen, sie sei ein Fähnlein im Wind: mal stimme sie links ab, dann wieder bürgerlich. Den Linken ist die Partei dadurch mitunter zu rechts, den Rechten zu links. Eine Sotomo-Auswertung im Auftrag von Bajour zeigte jedoch Anfang des Jahres, dass die Grünliberalen die «wahre» Mitte im Grossen Rat sind.
Zu rechts für die Linken und zu links für die Rechten: Das ist die GLP. Die Sotomo-Auswertung im Auftrag von Bajour zeigt, dass die Grünliberalen die «wahre» Mitte im Grossen Rat sind. Und das Grünalternative Bündnis polarisiert nach links.
«Wir haben das G und das L im Namen. In ökologischen Themen sind wir natürlich auf der grünen Schiene. Wir setzen uns aber für andere Instrumente ein, wie wir diese Themen angehen müssen, weil wir der Überzeugung sind, dass diese das L, das Liberale, für die Umsetzung benötigen», sagt Baumgartner. Dass sie jeden Vorstoss unvoreingenommen anschauten, mache sie als Partei und Fraktion aus. «Deshalb habe ich auch keine Mühe damit, wenn andere uns deswegen kritisieren.»
Der Bisherige Wüest-Rudin räumt ein, die GLP habe in gewissen Themen «durchaus unterschiedliche Ansichten». Die Grünliberalen seien sich jedoch oft in den ökologischen und liberalen Themen einig. «Es war meine Rolle, und wird jetzt auch die von Claudia sein, die Diskussion zu lenken.»
Die Kritik, die GLP sei schwierig auf etwas festzunageln, entschärfe sich aus Wüest-Rudins Sicht, wenn man die Partei genauer versteht. «Wir sind nicht in der Mitte, weil wir immer hälftig zwischen rechts und links liegen, sondern weil wir z. B. in Umwelt- und Klimafragen klar grün sind. In Wirtschafts- und Finanzfragen und wenn es um Eigenverantwortung und staatliches Eingreifen geht, sind wir auf der liberalen Seite.» Man wolle wegkommen vom «rechts-links-Schema» und vom ideologischen Denken. «Auch dass wir einen guten Kompromiss finden wollen, macht uns zu einer Mitte-Partei.»
«Es geht mir um einen authenthischen, aufgeschlossenen und wertschätzenden Dialog. Politische Spielchen sind nicht mein Ding.»Claudia Baumgartner, neue GLP-Fraktionspräsidentin
Wer die Partei also in diesem Sinne «genauer versteht», den wundert es vielleicht auch nicht, dass die GLP im Aargau eine Listenverbindung mit SP und Grünen eingeht und in Basel-Stadt mit den Bürgerlichen. Baumgartner sieht in diesem Verhalten kein widersprüchliches Signal an die Wähler*innen: «Ich sehe darin überhaupt keinen Nachteil. Es zeigt, die Kantone sind unterschiedlich aufgestellt und jede Partei überlegt sich gut, welche Listenverbindungen sie eingehen will.»
Für Wüest-Rudin sind Listenverbindungen vor allem eine mathematische Sache. «Man fragt sich, von welcher Verbindung man profitieren könnte und dann schaut man, ob man es inhaltlich vertreten kann.» Ausgeschlossen seien aber «Pol-Parteien» wie die SVP oder die Basta.
Auch Claudia Baumgartner will sich als Fraktionspräsidentin nicht für Gespräche verschliessen. «Ich werde sicherlich Wert darauf legen, mit allen anderen Fraktionen einen guten Austausch zu pflegen. Da hat Wüest-Rudin gut vorsgespurt, offen auf andere zuzugehen», sagt sie. «Es geht mir um einen authenthischen, aufgeschlossenen und wertschätzenden Dialog. Politische Spielchen sind nicht mein Ding.»
Die Wahlen als Herausforderung
Die aktuelle Bilanz der Basler GLP sieht positiv aus: Fraktionsstärke im Grossen Rat, Katja Christ vertritt die Partei im Nationalrat, Esther Keller amtiert als Baudirektorin im Regierungsrat und bei den Bürgergemeinderatswahlen konnte die GLP. Trotzdem gibt es Zweifel, ob der Erfolgskurs gehalten werden kann – zumindest der Sitz im Nationalrat steht auf der Kippe. Laut Medienmitteilung übernehmen Baumgartner und Sieber «das Ruder mitten in einer stürmischen Zeit».
Die Nationalratswahlen im Herbst und die Grossratswahlen im kommenden Jahr werden sicher kein Spaziergang. Hat sich Baumgartner das mit dem neuen Amt gut überlegt? Schliesslich soll sie als Nationalrats-Kandidatin für die eidgenössischen Wahlen zusammen mit Bülent Pekerman und Johannes Sieber helfen, den wackeligen Sitz von Katja Christ zu sichern. «Es gibt in den nächsten eineinhalb Jahren sowieso viel zu tun», meint Baumgartner. «Dass zur Kandidatur für den Nationalrat nun noch das Fraktionspräsidium hinzukommt, ist nicht entscheidend. Ich sehe eher Synergieeffekte.»
Wüest-Rudin sagt offen, dass er die Wahlen für die GLP als Herausforderung sieht. «Erst waren jetzt Bürgergemeinderatswahlen, dann kommen die Nationalratswahlen und nächstes Jahr die Grossratswahlen. Das ist anstrengend, es geht von einem Wahlkampf in den nächsten.» Wüest-Rudin sieht die Partei allerdings gut aufgestellt. Die GLP habe einen guten Zuwachs bei den Mitgliedern und die Fachgruppen würden auch gut laufen. «Ich bin zuversichtlich. Wie für die meisten Parteien ist es auch für uns bei der Nationalratswahl wichig, dass wir in eine Listenverbindung kommen.»
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