«Die machen ja eh, was sie wollen»

Im Herbst wählt Basel-Stadt eine neue Regierung, doch über die Hälfte der Wahlberechtigten macht nicht mit. Bajour will wissen: Wer sind diese Nichtwähler*innen und wieso lassen sie andere über sich bestimmen?

Regierungsrat Basel-Stadt 2020
Fünf Männer, drei Frauen (eine davon die Staatsschreiberin): Der Basler Regierungsrat 2020. Wer vom nächsten offiziellen Regierungsratsfoto lächeln darf, entscheiden die Wähler*innen im Herbst - wenn sie mitmachen. (Foto: Kanton Basel-Stadt)

Meistens sind Menschen dann besonders mutig, wenn sie zur Mehrheit gehören. Pöbelnde Fussballfans zum Beispiel, oder ein aktuelleres Beispiel: Maskenträger*innen im ÖV, die zu Hilfspolizist*innen werden, wenn die Nasenspitze einer Mitfahrerin nicht adäquat abgedeckt ist. So gesehen sollte es längst T-Shirts mit Aufdrucken wie “Stolze Nichtwähler*in” geben, schliesslich haben letztmals 1964 mehr als 50 Prozent der Berechtigten an Grossratswahlen teilgenommen – also noch vor Einführung des kantonalen Frauenstimmrechts.

Bajour will mehr über die Basler Nichtwähler*innen erfahren. Und ihnen eine Stimme geben. Die Regierungsratskandidat*innen sollen sich nicht nur gegenseitig Stimmen abluchsen, sondern auf die Wünsche derjenigen eingehen, die sie bisher nicht erreicht haben. Doch dazu später mehr. Zunächst wollen wir wissen: Was sind das für Menschen, deren Wahlcouvert ungeöffnet ins Altpapier wandert?

Nichtwähler*innen scheinen ziemlich unbekannte Wesen zu sein; es gibt schweizweit nur eine Hand voll Forscher*innen, die sich mit dem Thema befasst haben. Und diese sind entweder sehr beschäftigt oder in den Ferien, wie Anfragen von Bajour zeigen. Aber es gibt Literatur zum Thema. Klar scheint, dass ganz unterschiedliche Gründe dazu führen, dass Menschen nicht wählen gehen. Politologe Markus Freitag von der Uni Bern hat anhand einer Nachwahl-Befragung sechs Kategorien von Nichtwähler*innen erstellt.

Mach das Quiz, um herauszufinden, zu welchem Typ du gehörst:

Etwas genauer Bescheid wissen die Zürcher Behörden. Dort werden die Wahlrechtsausweise codiert, sodass ausgewertet werden kann, welche Personengruppen teilgenommen haben. Wie einzelne Gruppen abgestimmt haben, wird hingegen nicht erfasst – das wäre heikel. Es zeigt sich, dass Frauen seltener wählen als Männer (32,5 Prozent, im Gegensatz zu 37,5 Prozent bei den Stadtratswahlen 2006) und dass die Wahlbeteiligung mit zunehmendem Alter steigt. Sprich: Junge Frauen wählen am seltensten und sind gleichzeitig in Parlamenten und Regierungen am schwächsten vertreten.

Letzteres könnte sich in Basel in diesem Jahr ändern, mit Esther Keller (36, GLP) und Stephanie Eymann (40, LDP) stellen sich gleich zwei Kandidatinnen zur Wahl, die sich statistisch in ihrer ersten Lebenshälfte befinden (die Lebenserwartung von Schweizer Frauen beträgt laut Bundesamt für Statistik 85,4 Jahre). Mit Finanzdirektorin Tanja Soland (44, SP) läge gar eine Übervertretung von U50-Frauen drin.

kandidatinnen
Bisher ist Tanja Soland (SP, links) die einzige U-50-Frau in der Basler Regierung. Mit Stephanie Eymann (LDP, Mitte) und Esther Keller (GLP) könnte sich das im Herbst ändern.

Bajour sucht also Nichtwähler*innen. Drei haben wir bereits, es sind – vielleicht nicht ganz zufällig – allesamt Frauen. Sie haben sich als einzige von 142 Kommentierenden auf einen Bajour-Aufruf auf Facebook als Nichtwähler*innen geoutet. Lucienne schreibt, dass sie nicht wähle, weil sie sich einfach nie entscheiden könne. «Ich kenne all diese Nasen nicht und erzählen tun sie viel». Cilgia schreibt, dass sie gerne wählen möchte, sich mit dem Thema Politik aber zu wenig auskenne und «nicht falsch wählen» möchte. Und ein Facebook-Nutzer mit dem Pseudonym Calimero Sombrero sagt, dass er zwar wählen gehe, es aber sowieso nichts bringe: «Die machen eh, was sie wollen.»

Jetzt bist du dran: Bist du selbst Nichtwähler*in, dann mach mit beim Quiz und finde heraus, zu welcher Kategorie du gehörst. Kennst du andere Nichtwähler*innen? Dann leite ihnen den Link zu diesem Artikel weiter und lade sie ein, mitzumachen. Wir von Bajour versuchen, im Vorwahlkampf ein Nichtwähler*innenparlament zusammentrommeln und die Fragen und Wünsche der Nichtwähler*innen den Kandidat*innen vorzulegen.

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