Kurzfristiges Aufatmen
Während die Drogensituation im Unteren Kleinbasel im vergangenen Sommer zu eskalieren drohte, scheint sich die Situation aktuell etwas entspannt zu haben – das zeigen auch positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung.
Letzten Sommer drohte die Situation im Kleinbasel zu kippen. Zahlreiche Konsumierende und Drogendealer hielten sich Tag und Nacht auf den Strassen, auf Spielplätzen oder in Hauseingängen im Quartier auf. Der Drogenhandel breitete sich vom Claraplatz bis zur Dreirosenbrücke aus. Anwohner*innen lancierten eine Petition mit dem Aufruf, dass das Kleinbasel als Lebensraum für alle, auch für Familien und Kinder erhalten bleiben solle. Auch am Bajour-Drogenstammtisch im Herbst wurde klar: Die Situation stellt alle Beteiligten vor grosse Herausforderungen.
Deshalb schnürte die Basler Regierung ein Massnahmenpaket und führte zusammen mit der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt und dem Migrationsamt eine Schwerpunktaktion durch, um Gewalt-, Vermögens- und Betäubungsmitteldelikte zu reduzieren. Bereits Ende Mai, zwei Monate nach Beginn der Schwerpunktaktionen, zog die Kantonspolizei eine positive Bilanz. Es hiess, die täglichen Kontrollen und Aktionen im Unteren Kleinbasel in den Monaten März und April hätten Wirkung gezeigt. Da die Polizei nach wie vor präsent ist, scheint sich die Lage in diesem Sommer vor Ort etwas entspannt zu haben.
«Die Situation im unteren Kleinbasel hat sich verbessert.»Stefan Schmitt, Mediensprecher Kantonspolizei
Mediensprecher Stefan Schmitt sagt: «Die Kantonspolizei Basel-Stadt stellt subjektiv fest, dass sich die Situation im unteren Kleinbasel verbessert hat.» Sowohl in der Dreirosenanlage als auch an anderen Schwerpunkten habe sie einen Rückgang aller Delikte verzeichnet. Die Polizei nehme aber nach wie vor Dealer wahr. Deshalb führe sie in unregelmässigen Abständen immer wieder Schwerpunktkontrollen durch.
Dass die Massnahmen insgesamt wirksam sind, zeigt sich auch in der Reaktion der Anwohner*innen gegenüber der Polizei: «Die Kantonspolizei Basel-Stadt durfte im Juni sehr viele positive Rückmeldungen von Bewohnerinnen und Bewohnern aus dem unteren Kleinbasel entgegennehmen», sagt Schmitt. «Auch unsere Kolleginnen und Kollegen des Community Policing erhielten deutlich weniger Meldungen von Anwohnerinnen und Anwohnern aus dem unteren Kleinbasel, was auch ein Indiz dafür sein dürfte, dass sich die Situation verbessert hat.»
Parallel zu den Kontrollen wurden als Massnahmen das Team der Mittler*innen im öffentlichen Raum um eine Person aufgestockt und die Öffnungszeiten der Kontakt- und Anlaufstellen (K+A) ausgeweitet. Die Mittler*innen bieten Süchtigen Unterstützung an – auf freiwilliger Basis. «Diese Einzelfallbegleitung kann sich positiv auf Szenebildungen auswirken», sagt Anne Tschudin, Leiterin Kommunikation des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, dem die Mittler*innen angehören. Laut Tschudin haben die Mittler*innen während der Sommerferien allgemein beobachtet, dass es ruhiger gewesen sei.
Neben ihnen sind auch andere Trägerschaften auf Basis von Leistungsvereinbarungen mit dem Kanton unterwegs. Auch der Rangerdienst ist seit 2024 ganzjährig auf der Dreirosenanlage tätig.
«Die wechselnden Öffnungszeiten der Kontakt- und Anlaufstellen entlasten das Umfeld im Kleinbasel.»Anne Tschudin, Leiterin Kommunikation Gesundheitsdepartement
Um das Umfeld im Kleinbasel zusätzlich zu entlasten, hat die K+A Dreispitz seit dem 10. April neu am Dienstag-, Mittwoch- und Donnerstagabend geöffnet; der Mittwoch ist neu dazugekommen. Die K+A Riehenring ist zwar einen Abend weniger, dafür am Tag geöffnet. Tschudin sagt: «Die wechselnden Öffnungszeiten der K+A Dreispitz und K+A Riehenring haben zum Ziel, dass sich die Belastungen für das Umfeld während der Öffnung einer K+A nicht auf eine Örtlichkeit beschränken.»
Entspannter als noch vor wenigen Monaten stellt sich auch die Situation im kHaus dar. Im Januar hatten die Verantwortlichen die öffentlich zugängliche Plaza bereits um 18 Uhr geschlossen. Während der dunklen und kalten Jahreszeit hielten sich vermehrt Suchtbetroffene und Personen ohne festen Wohnsitz im kHaus auf.
Wer aktuell am Abend die Plaza betritt, sieht vor allem ein neues Angebot an Büchern und Spielen, welche zur Nutzung und auch zum Tausch zur Verfügung steht. «Dieses Angebot und weitere Aktivierungsmassnahmen in der Plaza werden in kleinen Schritten umgesetzt» erklärt Moritz Walther, Geschäftsleiter kHaus. Dies sei auch möglich, weil sich die Situation entspannt habe. Es gebe zwar immer wieder Konsumierende, die sich vor allem tagsüber auf dem Kasernenhof aufhalten, aber «seit der Erweiterung der Öffnungszeiten auf 23 Uhr hatten wir keine nennenswerten Schwierigkeiten mit Konsumierenden».
«Die Polizei hat öfter Präsenz in der Plaza gezeigt und diesen als Durchgang zum Rhein benutzt.»Moritz Walther, Geschäftsleiter kHaus
Walther glaubt, das liege auch an der Schwerpunktaktion der Polizei. «Diese hat auch öfter Präsenz in der Plaza gezeigt und diesen als Durchgang zum Rhein benutzt.» Zudem sei ein privater Sicherheitsdienst regelmässig im Einsatz. «Wir hoffen, dass wir die erweiterten Öffnungszeiten in den Sommermonaten beibehalten können, behalten uns aber vor, sie saisonal anzupassen», so Walther.
Die Entwicklung der Situation im Kleinbasel klingt positiv und lässt sicher auch Eltern aus den betroffenen Quartieren pünktlich zum Schulstart aufatmen. War doch im Februar noch die Rede davon, öffentliche Schulhäuser gegebenenfalls aufgrund der Situation bewachen zu lassen. Klar ist aber auch, dass die aktuell ruhigere Situation nur aufgrund eines besonderen Einsatzes der Kantonspolizei möglich ist, die ohnehin unter Personalmangel leidet.
Am dritten Bajour-Drogenstammtisch Ende Mai hat Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann über neue Formen der Polizei sinniert von verkündet, dass sich hinter den Kulissen so einiges tut. Sie zog auch Bilanz zu den Schwerpunktaktion im Kleinbasel.
Wie die offene Drogenszene in Basel grundsätzlich angegangen werden soll, scheint noch nicht klar. Am Bajour-Drogenstammtisch im Mai hatte LDP-Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann publik gemacht, dass sich eine departementsübergreifende «Arbeitsgruppe Ordnungsamt» dem Thema angenommen hat. Strategische Überlegungen zur Drogenpolitik sind bisher noch keine verkündet worden. Sie sind aber gefragt, wie bereits letzten Oktober klar wurde: Denn das strukturelle Drogenproblem wird Basel kaum im Alleingang, sondern nur mit Unterstützung des Bundes oder sogar in internationaler Zusammenarbeit lösen können.