«Wir wollen eine Lösung, keine Verlagerung der Szene»

Es tut sich was im Kleinbasel: Stephanie Eymann präsentiert am zweiten Drogenstammtisch die von der Regierung beschlossenen Massnahmen. Neben Repression waren auch Prävention sowie die regulierte Abgabe von Drogen ein Thema.

Drogenstammtisch 2.1
Theres Wernli vom Stadtteilsekretariat mit einer Anwohnerin am Drogenstammtisch. (Bild: Ernst Field)

Nein, Entwarnung gibt es definitiv keine. Dies wurde rasch klar am zweiten Drogenstammtisch, der vom Stadtteilsekretariat Kleinbasel und Bajour organisiert wurde. Auch wenn die Szene in den kalten Wintermonaten nachts nicht mehr ganz so präsent ist auf den Strassen, das Problem ist weiterhin vorhanden. Das ist auch Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann bewusst, die den Abend nutzte, um den neuen Massnahmenplan des Regierungsrats vorzustellen. Erneut waren zahlreiche Betroffene wie  Politiker*innen, Anwohner*innen, Sozialarbeiter*innen, Konsument*innen, Eltern und sogar ein Kind anwesend. Dealer hingegen waren auch dieses Mal keine mit dabei, obwohl das Thema des Abends, der von der Journalistin Martina Rutschmann moderiert wurde, lautete: «Wer dealt? Was tun wir dagegen?» 

Drogenstammtisch 2.1 Stephanie Eymann
Stephanie Eymann präsentiert den neuen Massnahmenplan der Regierung. (Bild: Ernst Field)

Die Politik hat sich in den vergangenen drei Monaten offenbar mit diesen dringlichen Fragen beschäftigt und so hatte Eymann ein, wie sie sagt, «Potpourri an Massnahmen» mitgebracht. Seit dem letzten Drogenstammtisch habe eine Arbeitsgruppe «mit Vollgas und unter Hochdruck» daran gearbeitet, Antworten auf die Drogenszene im Kleinbasel zu finden. Eymann weist darauf hin, dass die Polizei die Dealer beobachtet habe und schnell klargeworden sei, dass sie sich den Kontrollen anpassten und sich neue Orte suchten, statt aus dem Kleinbasel zu verschwinden. Anwohner*innen erzählen sogar, dass die Dealer ihre Kleidung immer wieder ändern, um nicht aufzufallen. 

Ein Vater meldet sich zu Wort und macht klar, dass auch Kinder stark von der Drogenproblematik betroffen sind. Er ist gemeinsam mit seiner Tochter zur Veranstaltung im Rheinfelderhof gekommen und erzählt, dass sie bereits auf dem Schulweg von Dealern angesprochen wird. 

Drogenstammtisch 2.1
Ein Vater macht sich Sorgen um seine Tochter. (Bild: Ernst Field)

Stephanie Eymann sind solche Vorfälle bekannt. Daher mache die Regierung nun einen nächsten Schritt, um die Situation in den Griff zu bekommen. Denn: «Wir wollen eine Lösung, keine Verlagerung der Szene.» Das Paket, das sie präsentiert, besteht aus vielen verschiedenen Massnahmen im Sinne der 4-Säulen-Politik und beinhaltet nicht nur repressive Vorgehensweisen. So sollen kurzfristig die Öffnungszeiten und auch die Räumlichkeiten der Kontakt + Anlaufstellen erweitert werden, damit die Konsument*innen besser aufgefangen werden können.

Zum anderen sollen die aufsuchende Sozialarbeit verstärkt und die Rangerdienste über den ganzen Winter ausgebaut werden. Vor allem aber – und das lässt alle Besucher*innen aufhorchen, werden die beiden Schulhäuser rund um die Dreirosenanlage mit Sicherheitspersonal ausgestattet. Auch Eymann berichtet von den Sorgen der Kinder und Eltern: «Schüler*innen werden aktiv von Dealern auf Schultoiletten angesprochen und es gab sogar Vorfälle von sexueller Belästigung». Die Sicherheit der Schulkinder müsse gewährleistet werden, betont sie. 

Der Hebel liegt bei der organisierten Kriminalität

Bei all den Massnahmen ist Stephanie Eymann aber klar, dass die Möglichkeiten des Kantons begrenzt sind: «Die sichtbaren Dealer auf der Strasse, die wir erleben und über die wir hier sprechen, sind nur die kleinen Fische». Sie hätten keine grossen Mengen an Drogen dabei, um schärferen rechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Zudem spielten sie mit der Polizei ein «Katz- und Maus-Spiel». Dies zeigt: Die repressiven Massnahmen wirken nicht nachhaltig, vielmehr muss an den Strukturen angesetzt werden. Stephanie Eymann betont: «Der Hebel liegt bei der organisierten Kriminalität, dort, wo das Geld fliesst.» Daher sei bedauerlich, dass weder Fedpol noch die Staatsanwaltschaft der Einladung an den Drogenstammtisch gefolgt seien. «Denn uns sind in gewissen Punkten die Hände gebunden.» 

Drogenstammtisch 2.1
Ein Besucher sagt, auf den Strassen sichtbar sei nur die Spitze des Eisbergs. (Bild: Ernst Field)

Beispielsweise bei Dealern mit einem negativen Asylbescheid. Das Ziel müsse sein, diese Menschen wieder in ihre Staaten zurückzuschicken. «Da hapert es noch», so Eymann. Personen mit positivem Asylbescheid müssten schneller arbeiten und auf legale Weise Geld verdienen dürfen, sagt sie: «Da der Regierungsrat all diese Punkte nicht lösen kann, hat der Regierungsrat bereits einen Brief nach Bundesbern geschrieben.» Nun besteht die Hoffnung, dass der neue Basler Bundesrat Beat Jans sich für das Thema stark machen wird. Denn das Netzwerk könne nur mit weiterführenden Massnahmen auf nationaler Ebene ausgehöhlt werden. 

Ein ehemaliger Drogenkonsument meldet sich zu Wort. Er ist der Ansicht, dass die Drogenabhängigen mehr in den Blick rücken müssten, denn: «Was wir sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs», sagt er. In Bezug auf die geplanten Massnahmen findet er: «Es ist nicht relevant für die Drogenabhängigen, ob Menschen mit negativem Asylbescheid des Landes verwiesen werden.» Es müsse mehr präventiv gearbeitet werden. Denn repressive Politik löse das Problem der Konsument*innen nicht. 

Drogenstammtisch 2.1 Fleur Weibel
Fleur Weibel begrüsst den Dialog und möchte das Thema weiter vertiefen. (Bild: Ernst Field)

Insgesamt kam unter den Besucher*innen das von der Regierung präsentierte Paket aber gut an. Die Politiker*innen wiederum schätzten den Austausch mit den betroffenen Anwohner*innen, den Sozialarbeiter*innen oder der Polizei. Auch Grossrätin Fleur Weibel, die einen Vorstoss lanciert hat, der fordert, dass die Problematik im Kleinbasel wissenschaftlich ergründet wird, hält den Dialog für wichtig. «Man muss alle Perspektiven hören und noch mehr in die Tiefe gehen.» Auch Stephanie Eymann sieht im Drogenstammtisch ein «wertvolles Gefäss», denn sie erfahre im Gespräch mit den Menschen aus Kleinbasel immer neue Aspekte. 

So gab es an dem Abend neben zahlreichen Sorgen auch viele Wünsche, die aus der Not entstanden sind. Ein Vater plädiert für eine Kindertankstelle – also ein Verpflegungs- und Spielangebot der Robi-Spielaktionen – auf der Dreirosenanalage, damit es einen Ort gibt, an dem sich Kinder und Jugendliche geschützt aufhalten können. Andere Anwohner*innen wünschen sich eine Buvette vor Ort, damit die Dreirosenmatte wieder belebter sei, ganz nach dem Motto: «Wir holen uns unseren Platz zurück!». Und wieder andere fordern, dass die WCs auf dem Matthäuskirchplatz nachts abgeschlossen werden. 

Drogenstammtisch 2.1 Felix Wehrli
Felix Wehrli spricht sich für eine Wegweisung analog zu Zürich aus. (Bild: Ernst Field)

Immer wieder kommt das Thema auf: Warum Kleinbasel? Ist es nicht möglich, die Drogenszene über das gesamte Stadtgebiet zu verteilen? Eine Änderung ist hier nicht in Sicht, aber es ist geplant, die Kontakt- und Anlaufstelle im Grossbasel einen Abend mehr zu öffnen und diejenige im Kleinbasel dann zu schliessen. Ob eine Verlagerung der Szene so in Teilen gelingt?

Diskutiert wurde auch die Frage, ob es sinnvoll sei, aggressive oder auch einfach unangenehme Personen wegweisen zu können. Auch das ist einer von Stephanie Eymanns Plänen, wie sie im Laufe des Abends verriet. Zürich sei hier ein Vorbild. Doch auf die Frage, wohin die Menschen weggewiesen werden sollen, gab es keine wirkliche Antwort. SVP-Grossrat Felix Wehrli befürwortet diese Massnahme, zu der er bereits einen Vorstoss eingereicht hat, und verweist gleichzeitig auf den Personalmangel bei der Polizei. 

Drogenstammtisch 2.1 Otto Schmidt
Otto Schmid und Niggi Rechsteiner raten dazu, den Drogenmarkt zu regulieren. (Bild: Ernst Field)

Klar wurde, dass es die eine Lösung nicht gibt. Und der Bund spielt dabei eine wichtige Rolle. Denn: Der Kanton kann mit der Drogenproblematik nicht alleine gelassen werden. Deutliche Worte fand Sucht-Coach Otto Schmid, für den die Lösung darin liegt, Drogen unter staatlicher Kontrolle reguliert abzugeben. «So kann der Jugendschutz gewährleistet werden und es wären reine Drogen auf dem Markt. Zudem könnten wir Steuern auf Drogen erheben und die Gelder in gute Präventionsarbeit investieren.» Auch das sind Entscheidungen, die auf nationaler Ebene gefällt werden müssen.

Es muss gehandelt werden

In den nächsten Monaten wird dies indes kaum der Fall sein. GLP-Grossrat Niggi Rechsteiner findet daher gut, dass «der Kanton nun in einem ersten Schritt das Zepter übernimmt». Denn es müsse schnell gehandelt werden. Ein Blick in die Nachbarländer reicht, um zu sehen, dass die Droge Fentanyl im Anmarsch ist. Und wenn es soweit kommen sollte, «dann gute Nacht». In die Nacht verabschiedeten sich die Besucher*innen des 2. Drogenstammtisches voller Ideen und mit grossem Diskussionsbedarf. Daher ist es bereits beschlossene Sache: es wird eine weitere Ausgabe geben – vielleicht ja dann doch mit Fedpol und der Staatsanwaltschaft?

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