Ein Dreieck in Aufruhr

Das ehemalige Hotel Balegra im Neubad wird in den nächsten Jahren von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden bewohnt, was danach mit der Liegenschaft geschieht, ist unklar. In der Nachbarschaft machen sich Ärger und Befürchtungen breit.

Neubad UMA
Die Anwohner*innen der Realpstrasse, der Reiterstrasse und des Laupenring teilen sich einen gemeinsamen Innenhof. (Bild: Google Maps/ Collage: Bajour)

Statt Hotelgästen werden an der Reiterstrasse 1 im Neubad künftig unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) wohnen. Das teilte der Kanton Mitte August mit. Das Quartier geriet daraufhin in Aufruhr. 

Die Liegenschaft an der Egliseestrasse, in der die UMA-Wohngruppe derzeit untergebracht ist, müsse dringend saniert werden. Deshalb benötigten die dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen alternativen Wohnraum, begründet der Leiter Sozialhilfe, Ruedi Illes, den Entscheid in einem Schreiben an die Anwohner*innen. Einziehen werden die 20 bis 30 UMA voraussichtlich im Laufe des Novembers.

Um die Ausgangslage an der Reiterstrasse zu verstehen, muss man wissen: Das ehemalige Hotel Balegra, in dem die Kinder und Jugendlichen wohnen werden, liegt an der Spitze eines geografischen Dreiecks aus (mehrheitlich) Einfamilienhäusern. In deren Mitte, dort wo die Gärten der Häuser aufeinandertreffen, befindet sich ein kleiner Spielplatz, der von den Familien, die hier wohnen, genutzt wird. 

ehemaliges Hotel Balegra wird UMA-Wohnheim
Das ehemalige Hotel soll im November einzugsbereit sein. (Bild: Franziska Zambach)

Die Anwohner*innen, die sich zu dem geplanten Wohnheim äussern, wohnen mehrheitlich in diesem Dreieck. Auch Daniel Ordás, Vizepräsident der Basler GLP und Bürgergemeinderat, lebt mit seiner Familie dort. Als die Anwohner*innen anfingen, in diversen Chats über die neue Situation im Quartier zu diskutieren, initiierte er ein Treffen, bei dem sich alle persönlich mitteilen konnten. 

Gegenüber Bajour erzählt er, was in der Nachbarschaft los war, nachdem über die Pläne des Kantons informiert wurde: «Die Menschen im Quartier waren zunächst sehr überrascht und zu einem grossen Teil auch verängstigt. Wobei ich davon ausgehe, dass sich vor allem diejenigen Gehör verschafft haben, die besorgt sind.» Mittlerweile zeige sich, dass sich auch Leute äussern, die die Entscheidung des Kantons fair, richtig oder sogar notwendig finden. «Diesen gegenüber stehen die Nachbarn, die sich Sorgen um die Sicherheit, den Lärm und mögliches Littering machen», so Ordás. 

Ordas
«Die Menschen im Quartier waren zunächst sehr überrascht und zu einem grossen Teil auch verängstigt.»
Daniel Ordás

Bei dem Treffen, das er organisiert hat, habe man explizit besprochen, weder einen Forderungskatalog zu erstellen, noch Repräsentant*innen aus der Gruppe zu wählen, da die Anliegen zu individuell seien.

Ordás möchte nicht als Stellvertreter der Quartierbevölkerung sprechen. Er habe sich vor allem moderierend eingebracht, berichtet er. «Mir war es von Anfang an ein Anliegen, dass es nicht zu einer Spaltung in der Nachbarschaft kommt, weil ich annehme, dass wir alle ein bisschen Sorge haben, aber gleichzeitig den Kindern und Jugendlichen eine sichere Zukunft wünschen. Natürlich sind diese beiden Seelen in der Brust bei jedem ein bisschen anders gewichtet.» 

Personal ist rund um die Uhr anwesend

Die Ankündigung der Eröffnung einer Asylunterkunft löse oft Ängste und Bedenken bei der Anwohnerschaft aus, sagt Sonja Körkel, Mediensprecherin des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU). Die Erfahrung zeige, dass diese in den meisten Fällen unbegründet seien. «Aktuell betreibt die Sozialhilfe drei Wohnheime für unbegleitete minderjährige Asylsuchende im Kanton Basel-Stadt – alle im Kleinbasel. Aufgrund des Liegenschaftsmarktes ist es uns seit Jahren nicht mehr möglich, die Standorte gezielt zu wählen, sondern wir müssen den Betrieb dort führen, wo eine geeignete Liegenschaft zum Kauf oder zur Miete erhältlich ist», so Körkel.

Mit den Anwohner*innen habe es an den bisherigen Standorten nie nennenswerte Probleme gegeben. In den Heimen ist rund um die Uhr Personal anwesend.

Neben vereinzelten Fragen zur Betreuung und Gewährleistung der Sicherheit habe das WSU auch Nachrichten von Personen aus der Nachbarschaft bekommen, die das UMA-Wohnheim begrüssen und sich erkundigen, wie sie sich diesbezüglich engagieren können.

Siro Imber
«Es geht nicht um die temporäre Nutzung, sondern vor allem um die Frage, was danach kommt.»
Siro Imber

Hört man sich im Quartier um, wird allerdings klar: Der Hauptgrund für den Unmut in der Anwohner*innenschaft ist nicht die Tatsache, dass in dem ehemaligen Hotel bald unbegleitete minderjährige Asylsuchende leben werden, sondern die ungewisse Zukunft des Hauses. 

Denn der Kanton hat die Liegenschaft gekauft und gibt an, dass sie langfristig durch die Sozialhilfe genutzt werden soll. «Ihre Struktur eignet sich für verschiedene Unterbringungszwecke im Asylbereich wie auch für andere Personengruppen, für deren Unterbringung die Sozialhilfe zuständig ist», heisst es im Schreiben von Ruedi Illes. 

Neuer Verein wurde gegründet

«Es geht nicht um die temporäre Nutzung, sondern vor allem um die Frage, was danach kommt», betont auch Siro Imber. «So wie es jetzt dargestellt wird, klingt es, als ob später alles möglich wäre.» Imber, der bis 2015 für die FDP im Baselbieter Landrat sass und mittlerweile im Neubad wohnt, hat gemeinsam mit dem ehemaligen GLP-Grossrat Emmanuel Ullmann den Verein «Komitee sicheres und wohnliches Neubad» gegründet. Dieser diene vorrangig als rechtliches Instrument für allfällige Anliegen der Anwohner*innenschaft, sagt Imber. 

«Der Standort in dem Dreieck mit dem gemeinsamen Innenhof würde sich für Familien eignen, auch geflüchtete Familien, oder für Genossenschaftswohnungen, aber nicht für alles, was die Sozialhilfe macht», sagt er.

«Wie die konkrete Nutzung in zwei bis drei Jahren aussieht, können wir zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen.»
Sonja Körkel, Mediensprecherin WSU

«Besonders brennend ist die Frage, was in Zukunft aus der Liegenschaft wird», findet auch Ordás. «In der Anwohnerschaft wurde die Ansicht geäussert, dass sie für ein Männerheim sicherlich nicht geeignet sei.» Angesprochen auf dieses Anliegen sagt Körkel vom WSU: «Wie die konkrete Nutzung in zwei bis drei Jahren aussieht, können wir zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen.»

Ausserdem stellt Ordás die Frage, «ob es legitim ist, dass die Liegenschaft übers Finanzvermögen eingekauft wurde, dann aber für staatliche Aufgaben verwendet wird und somit eigentlich ins Verwaltungsvermögen gehört». Zur Erklärung: Bei Immobilien im Verwaltungsvermögen liegt der Entscheid über Kauf und Verkauf beim Grossen Rat. 

Wohnen sei in Basel grundsätzlich im Finanzvermögen angesiedelt, inklusive Notschlafstellen. Zum Verwaltungsvermögen gehöre, was unmittelbar der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dient. Darunter falle das Wohnen nicht, erläutert Immobilien Basel-Stadt. 

Vermietung soll Option bleiben

Bei der Reiterstrasse 1 handelt es sich um ein marktfähiges Objekt, welches zu Wohnzwecken oder auch anderen Zwecken genutzt werden kann. Deshalb wurde es im Finanzvermögen und nicht im Verwaltungsvermögen gekauft. Der Kanton will das ehemalige Hotel so lange wie möglich für die Sozialhilfe nutzen, sich aber auch die Option offenhalten, es zu vermieten. Und das ist nur im Finanzvermögen möglich. 

Siro Imber fände die langfristige Nutzung für UMA nicht ideal. «Im Neubad läuft nichts, Jugendliche langweilen sich hier schnell, weil es keine Angebote gibt. Deshalb wären Familien hier besser aufgehoben», sagt er.

Ordás ist der Meinung, dass sich die Menschen im Quartier mit der Situation als Provisorium für UMA wohl schon «abfinden oder anfreunden» werden. «Es wird viele Leute im Quartier geben, die versuchen, dazu beizutragen, dass ein gutes Projekt entsteht, damit das Neubad nicht zu einem politischen oder medialen Brennpunkt wird.»

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Kommentare

Heiri Peter
27. August 2024 um 18:24

Sehr gut, dass die Regierung endlich etwas gegen die überzogenen Immobilienpreise in diesem Quartier unternimmt.