Abendlicher Augenschein vor Ort

In den letzten Wochen ist es ruhiger geworden, was die Drogenproblematik im Kleinbasel betrifft – zumindest medial. Liegt’s am Winter? Ist die Szene weniger sichtbar? Ein Streifzug durchs untere Kleinbasel.

Kaserne
Das Kasernenareal in der Dämmerung. (Bild: Valerie Wendenburg)

Dienstagabend, 17.40 Uhr, es ist bitterkalt. Auf dem Claraplatz ist es ruhig, die wenigen Velofahrer*innen haben ihre Schals bis zur Nase hochgezogen, Kopf zwischen den Schultern eingeklemmt. Unter dem Vordach der UBS-Filiale neben dem Kiosk stehen zwei Männer in dicken schwarzen Jacken, die Kapuzen ins Gesicht gezogen. Sie reden nicht, verlagern ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. Auch im Seitensträsschen neben dem Burger King an der unteren Rebgasse stehen drei Personen in ähnlichem Outfit. Einen Deal beobachten wir in den paar Minuten nicht, aber sicher ist: Wer bei diesen Temperaturen länger als ein paar Minuten an einem Ort stehen bleibt, fällt auf.

kHaus Basel Kaserne
Die Türen beim kHaus schliesst ein Security kurz nach 18 Uhr ab. (Bild: Michelle Isler)

17.55 Uhr, immer noch kalt. Wir biegen von der Klybeckstrasse in den Kasernenhof ein. Am Strassenrand und auf der Wiese vor der Kaserne liegen vereinzelte eingefrorene Schneereste. Ein Gefühl schleicht sich ein: Bei dieser Witterung abwarten und beobachten, ob man noch wahrnimmt, wo gedealt wird: Keine gute Idee. Vor dem Keck-Kiosk steht die nächste Person in langer dunkler Winterjacke, Trainerhosen und Sneakers. Jemand läuft zu ihm hin und drückt ihm etwas zu lange die Hand, als dass es nach einer natürlichen Begrüssung aussieht. 

18 Uhr. Der Eingang zum kHaus ist gerade noch offen, gleich fährt ein Security vor und schliesst die Türen ab. Seit Herbst ist der mehrstöckige Raum im Zentrum des Gebäudes – etwas zwischen Eingangshalle, Treppenhaus, breitem Gang und Aufenthaltsraum – am Abend und über Nacht geschlossen. Auf der Treppe vor dem Eingang auf der Rheinseite sitzen drei junge Männer, Augen auf ihre Handys gerichtet. Als die Security kommt, verschieben sie sich auf die Bänkli draussen. Den vereinzelten Jogger*innen und Hündeler*innen, die zielstrebig am Rheinbord ihre Route absolvieren, gefriert fast der Atem vor dem Gesicht. Die vier Männern vor dem kHaus scheint das alles nicht zu kümmern. Sie spielen Pingpong zu «Knocking on Heavens Door» von Guns N’ Roses. Sie tragen keine Handschuhe. Ihre Stimmung ist trotzdem heiter.

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Petition gegen die Drogenkriminalität

Am Mittwoch kommt eine Petition zur «ausufernden Drogenszene im Kleinbasel» im Grossen Rat auf den Tisch. Die Regierung hat bereits einen Massnahmenplan angekündigt – hier findest du die Hintergründe und eine Einordnung der Petition.

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18.20 Uhr. Wir machen uns auf den Rückweg via Florastrasse. Kurzer Blick nach Links in die Klybeckstrasse. Da steht niemand. Seit Anfang Januar seien diese Menschen verschwunden, sagt Angie Ruefer vom Kulturbüro. «Über Jahre waren jeden Tag vom Morgen bis in die Nacht Personen hier um die Florastrasse, die Drogen angeboten haben. Seit Ende Dezember sind sie weg.» An der Kälte liege es nicht, «denn in den vergangenen Jahren waren sie auch hier, wenn es kalt war». Auch andere aus dem Quartier berichten, sie hätten das Gefühl, die Dealer*innen hätten sich eher Richtung Kaserne und Claraplatz verschoben.

Dreirosenanlage
Die Dreirosenanlage ist videoüberwacht. (Bild: Valerie Wendenburg)

Es kursiert auch die Frage, ob das mit dem Wohnort von Neo-Bundesrat Beat Jans in der Umgebung zu tun haben könnte. Hat die Polizei deshalb vielleicht ihre Präsenz verstärkt? Auf Anfrage schreibt die Basler Polizei, eine Verschiebung der Szene rund um den Drogenhandel sei nicht ungewöhnlich. Die «Schwerpunktaktionen gegen den Drogenhandel» stünden aber nicht im Zusammenhang mit dem Wohnort einzelner Personen. «Einerseits beeinflussen gezielte Polizeieinsätze die bevorzugten Örtlichkeiten», so Mediensprecher Rooven Brucker. «Andererseits führt der regelmässige Wechsel der Drogenhändler oft dazu, dass diese neue Orte bevorzugen, was zu einer Gesamtverschiebung der Handelsaktivitäten in der Gegend führen kann.» Auch Jahreszeiten, die lokale Gastronomie und weitere Faktoren würden dazu beitragen.

Regine Steinauer, die Leiterin der Abteilung Sucht des Gesundheitsdepartements, schreibt auf Anfrage, sie könne nicht beurteilen, ob es sich um eine Verschiebung handle: «Wir beobachten seit letzten Sommer, dass der Handel mit illegalen Substanzen im öffentlichen Raum deutlich sichtbarer geworden ist, auch auf dem Claraplatz.» 

18.30 Uhr, Klybeckstrasse, Claraplatz. Wir denken an die Finger der Pingpong-Spieler*innen. Vor dem Keck-Kiosk und dem Burger King stehen noch immer die gleichen Personen wie vor einer halben Stunde, die Hände tief in den Brusttaschen ihrer Jacken versteckt.

Basler Drogenstammtisch 2

Wir suchen das Gespräch, deshalb organisieren wir den zweiten Basler Drogenstammtisch gemeinsam mit dem Stadtteil-Sekretariat Kleinbasel. Bereits im Oktober haben wir das bewährte Konzept aus den 90ern aufleben lassen und die Quartierbewohner*innen gefragt, wo der Schuh drückt (zum Bericht). Kommenden Donnerstag werden wir der Frage nachgehen, wer die Dealer*innen sind und was wir gegen das Dealen unternehmen können.

Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht nötig.

Wann? Donnerstag, 25. Januar 2024, 19 Uhr Wo? Rheinfelderhof, Hammerstrasse 61, 4058 Basel

Herzen
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Das ist Michelle (sie/ihr):

Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Junior-Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und Reportagen – vorzugsweise von Demos und aus den Quartieren. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen. 


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