Die Linken können von Eymann lernen

Die Polizei warnt vor Eskalationen am Samstag. Und Justizdirektorin Stephanie Eymann weist die Schuld schon im Vorfeld einfach von sich. Das ist frech, aber die linken Parteien sind auch ein bisschen selber Schuld, kommentiert Andrea Fopp.

Nicolas A. Rimoldi, links, und Gunnar Kaiser, Coronakritiker, diskutieren bei einem Anlass von Coronaskeptikern auf der Alp Oberbaechen oberhalb von Ebnat-Kappel, am Donnerstag, 26. August 2021. (KEYSTONE/Laura Zimmermann)
An der trinationalen Demonstration von Samstag werden auch Leute wie Mass-Voll-Chef Nicolas Rimoldi erwartet, der Verbindungen zu Rechtsextremen hatte. (Bild: KEYSTONE/Laura Zimmermann)

Eines muss man Stephanie Eymann lassen: Sie ist eine clevere Kommunikationsstrategin. Und sie hat mit der Gruppierung Basel Nazifrei fleissige Kampagnenhelfer*innen. Aber auch die Grünen, die SP und die Basta sind ihr (unfreiwillig) behilflich.

Worum geht’s?

Seit Beginn von Eymanns Regierungszeit stellt sie sich als eiserne Lady gegen unbewilligte Demonstrationen, behauptet aber gleichzeitig, sie sei dialogbereit. So sichert sich die Liberalkonservative Sympathien von rechts bis weit hinein in die ebenfalls von Demos frustrierte, aber moderatere Mitte der Bevölkerung.

Auch jetzt dreht sie eine ebenso raffinierte wie freche Pirouette. Am Wochenende ist es wieder einmal so weit: Es gibt Demonstrationen mit Eskalationsrisiko: Massnahmenkritische Organisationen wie die Freunde der Verfassung demonstrieren bewilligt durchs Dreiländereck. Es werden auch Leute wie Mass-Voll-Chef Nicolas Rimoldi erwartet, der Verbindungen zu Rechtsextremen hatte. Dagegen will die linksautonome Gruppierung Basel Nazifrei ihrerseits mit einer Kundgebung protestieren – einer unbewilligten. 

«Regierungsrätin Eymann befindet sich heute also in einer ähnlichen Situation wie Baschi Dürr 2018, der die Demo der Pnos damals bewilligte hatte.»

Eine Justizdirektorin kann bei so einer Ausgangslage fast nur verlieren. Sie ist zwar der Meinungsfreiheit verpflichtet. Aber etwa der linke Anwalt Andreas Noll kritisiert die Regierungsrätin jetzt schon, weil ihre Polizei einer Demonstration eine Bewilligung erteilt hat, bei der auch rechtsextremes Gedankengut geteilt werden könnte. 

Von rechts dagegen könnte es Kritik geben, wenn Eymann zu wenig hart gegen Nazifrei vorgeht. Das ist die Gruppierung, welche im laufenden Wahlkampf Plakate verklebt hat. Und welche 2018 gegen die bekannte Pnos-Demonstration mobilisiert hatte.

Regierungsrätin Eymann befindet sich heute also in einer ähnlichen Situation wie Baschi Dürr 2018, der die Demo der Pnos damals bewilligte hatte. Es kam zu Eskalationen, welche die Justiz bis heute beschäftigen. Dass Dürr damals seinen liberalen Kopf hinhielt, hatte entsprechende Folgen – er ist mittlerweile nicht mehr Regierungsrat. 

Ähnliche Ausgangslage

Nun, 5 Jahre später, ist die Lage aufgrund des Nahost-Konflikts noch aufgeladener. Was tut also Eymann, um nicht dasselbe Schicksal zu erleiden wie ihr Vorgänger Dürr?

Sie schiebt bereits im Vorfeld die Verantwortung für allfällige Eskalationen von sich. Indem sie den Scheinwerfer auf die linksautonome Gegendemonstration und die linken Parteien richtet. Wie Bajour berichtet hat, appelliert sie «an alle demokratischen Parteien, sich in aller Deutlichkeit von Gewalt zu distanzieren». Natürlich zielt Eymann mit ihrem Appell vor allem auf die linken Parteien.

Das ist schlau: Indem Eymann es jetzt so darstellt, als hätten SP, Basta und Grüne einen Einfluss auf den Ausgang der Nazifrei-Demonstration, hat sie für Sonntag schon eine Kommunikationsstrategie vorgespurt. Im Stil von: Sollte es tätschen, sind die Linken Schuld.

Es ist aber auch frech: Die demokratischen Parteien, die sie in die Pflicht nimmt, sind nicht Teil von Nazifrei. 

«Grüne und Basta machen es Eymann leicht, sie in die Pflicht zu nehmen.»

Nur: Die linken Parteien machen es Eymann reichlich leicht, sie in die Verantwortung zu nehmen. Statt Eymanns Appell abblitzen zu lassen, stellen sich SP, Grüne und Basta nun offiziell hinter die Linksautonomen. Und das, obwohl die Bewegung es in (post-)pubertärem Trotz einmal mehr unterlassen hat, eine Bewilligung der Demonstration einzuholen und mit der Polizei in einen Dialog zu treten. 

So sagte etwa die Grünen-Co-Präsidentin Raffaela Hanauer auf Bajour.ch, es sei wichtig, «dass am kommenden Samstag die Grundrechte und die Sicherheit aller gewahrt werden, auch die Grundrechte und die Sicherheit der Teilnehmenden der Gegendemonstration». Und auch SP-Präsidentin Lisa Mathys zeigte Sympathien für Nazifrei.

Was für ein Kindergarten, dieses ewige Foutieren um die Bewilligung. Dass wir uns hier recht verstehen: Es ist richtig, sich von politischen Persönlichkeiten zu distanzieren, die Kontakt zu Rechtsextremen haben oder selbst solches Gedankengut verbreiten. Beispielsweise mit einer gemeinsamen Medienmitteilung aller Parteien oder bewilligten Kundgebungen.

Aber so wie es jetzt läuft, machen SP, Grüne und Basta es Eymann leicht, sie in die Pflicht zu nehmen. Die Präsidentinnen könnten strategisch noch etwas von Eymann lernen.

Deeskalierende Polizei?

Die deeskalierende Verantwortung liegt an diesem Samstag aber ganz klar bei der Justizdirektorin und ihrer Polizei. Und es wäre schön, sie würde sie wahrnehmen. Seit sie an der Macht ist, hat die Polizei mehrere unbewilligte Demos ebenso wie eine bewilligte Kundgebung mit Gewalt aufgelöst.

Wenn wir also Pech haben, kommt es diesen Samstag zu folgendem Szenario: Nazifrei demonstriert unbewilligt, die Polizei löst gewaltsam auf. Und Eymann zeigt auf die linken Parteien. Das Zynische daran: Vielleicht gäbe ihr das am Ende sogar noch Applaus von rechts. 

Vielleicht kommt aber auch alles anders. Die Mass-Voll-Demonstrant*innen verhalten sich anständig, die Nazifrei-Demonstrant*innen ebenfalls. Die Polizei bleibt ruhig im Hintergrund und meldet nachher via Medienstelle: «Demonstration ruhig und friedlich verlaufen.» Das wäre eine gute Geschichte.

Herzen
Frech und manchmal sogar gescheit: Bajour.

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Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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