Cramers grosse Aufgabe
Für das Netto-Null-Ziel bis 2037 müssen auch die Lieferketten der Basler Unternehmen und das Konsum- und Reiseverhalten der Basler Bürger*innen durchleuchtet werden. Das Klimabündnis «Basel2030» legt jetzt Forderungen vor.
Beim Klima bleibt Regierungspräsident Conradin Cramer leise. Die Klimaseniorinnen mussten ihn jedenfalls am Montagmittag mehrfach auffordern, lauter zu sprechen, als er die Forderungen des Klimabündnisses «Basel2030» entgegennahm. Er entschuldigte sich, er sei leider erkältet und könne momentan nicht lauter sprechen.
Ein grosses Gespräch, wie es sich die Aktivist*innen von «Basel2030» gewünscht hätten, wäre es aber so oder so nicht geworden. Cramer hatte – eskortiert von Till Berger, Leiter der im Präsidialdepartement angesiedelten Fachstelle Klima – gerade mal Zeit, den Massnahmenkatalog und einen in eine Karte von Basel eingewickelten Strauss Wildblumen entgegenzunehmen sowie ein paar Worte an die Anwesenden zu richten:
«Um unsere ambitionierten Klimaziele zu erreichen, müssen alle in Basel zusammenarbeiten, die Wirtschaft und die Gesellschaft müssen auch ins Boot geholt werden.»Regierungspräsident Conradin Cramer
Nachdem das Präsidialdepartement im Oktober den ersten Teil der Klimastrategie vorgestellt hat, bei dem es um die Klimazielen in den Bereichen geht, die direkte Emissionen verursachen – der Verkehr, die Baubranche, Strom und Heizungen – ist nämlich immer noch nicht bekannt, was der Plan bei den diffizileren Fragen ist: Wie gehen wir mit indirekten (grauen) Emissionen um?
Der zweite Teil der Strategie zu diesen Fragen hätte eigentlich schon im Frühjahr vorgestellt werden sollen. Das ist nicht geschehen, vermutlich wegen der Umbruchphase im Präsidialdepartement – Vizepräsident Lukas Engelberger hatte das Ruder nach Beat Jans Wahl zum Bundesrat nur ad interim übernommen. Und nun will sich Cramer in seinen ersten 100 Tagen im Amt (sprich: bis zu den Gesamterneuerungswahlen im Oktober, wo er gut im Amt bestätigt werden will) noch nicht zum Thema äussern.
Der grosse Fussabdruck
Cramer tritt hier in grosse Fussstapfen: Die Fachstelle Klima im Präsidialdepartement war damals unter dem Eindruck der weltweiten Klimaproteste von Beat Jans geschaffen worden. Er hatte den Umgang mit der Klimakrise zur Chefsache gemacht. Cramer hatte sich bisher nicht als jemand präsentiert, der auf ähnliche Art und Weise für das Thema brennt. Klar, die Klimastrategie müsse umgesetzt werden, das ist ein Volksentscheid. Aber Cramer hatte auch angekündigt, genau hinschauen zu wollen, welche Fachstellen es im PD wirklich braucht.
Um den Druck auf Cramer zu erhöhen, hat jetzt «Basel2030» (die bei der Abstimmung ums Basler Klimaziel für ein noch ambitionierteres Netto-Null bis 2030 gekämpft hat) seine Forderungen präsentiert, wie es weitergehen soll. Dabei werden die Scope-3-Emissionen in den Blick genommen. Also jenes CO2, das entsteht, wenn Unternehmen in einem kleinen Kanton wie Basel-Stadt Güter aus dem Ausland importieren müssen. Oder wenn Basler*innen in den Urlaub fliegen.
Emissionsberichte
Alle Unternehmen mit Sitz in Basel-Stadt sollen in einem Emissionsbericht aufzeigen, wo in ihrer Wertschöpfungskette sie Treibhausgase ausstossen. Zusätzlich sollen sie einen jährlichen Bericht veröffentlichen, was sich gebessert hat. «Uns ist wichtig, dass die KMU, die gar nicht die Möglichkeiten für so umfassende Analysen haben, dafür die nötige Unterstützung bekommen», sagt Vera Mühlebach von «Basel2030».
So soll der Kanton eine Beratungsfachstelle einrichten, die KMU bei den Emissionsberichten unterstützt. Wer diese Angebote in Anspruch nimmt, soll mittels Subventionen unterstützt werden. Weiter sollen Unternehmen, die eine Strategie entwickelt haben, um ihre Emissionen zu reduzieren, steuerliche Begünstigungen erhalten. Handkehrum will «Basel2030» Steuern für indirekte Treibhausgase erheben, wenn die Ziele nicht erreicht werden – um Klimaschäden mittels Fonds auszugleichen.
Finanzsektor
Im Finanzsektor wünscht sich «Basel2030» eine Vorreiterinnenrolle für die Basler Kantonalbank, damit auch andere Kantonalbanken ein solches Modell entwickeln können. Dazu gehören die Übergewichtung von Krediten und Investitionen für klimagerechte Geschäftsmodelle sowie ein Verbot der Kreditvergabe an Unternehmen, die sich in der Lieferkette von fossilen Energien befinden. Dasselbe gelte für die Pensionskasse Basel-Stadt.
Reisen
Ein ganzer Strauss an Forderungen betrifft den Euro-Airport. Darin enthalten sind ein strikteres Nachtflugverbot und ein Stopp des Bahnanschlusses an den Flughafen sowie ein berufliches Flugverbot für Regierung und Kantonsangestellte und die Streichung von Destinationen, die innert sechs Stunden per Zug erreichbar sind. Zudem wollen «Basel2030» eine gestaffelte CO2-Abgabe mit bis zu dreifachen Ticketpreisen bis 2037 oder eine komplette Schliessung des Flughafens bis dahin.
Im gleichen Masse fordert «Basel2030», dass Alternativen zum Flugverkehr gefördert werden. Zum Beispiel indem Reiseziele in der Region mehr beworben werden oder mehr Lobbyarbeit für Nachtzüge nach Südeuropa (zum Beispiel Pristina, der Destination Nummer 1 des Euro-Airport) gemacht wird. Oder dass Basel den SBB gleich einen ganzen modernen Nachtzug spendiert. Natürlich sollte dieser dann «Basler Klima-Loki» heissen.
Konsumverhalten
Nicht ganz so radikal präsentieren sich die Ideen fürs Konsumverhalten der Basler*innen. Quartierflohmärkten (Re-Use), Unverpacktläden (No-waste), Genossenschaften (Shared-Living) und Leihstationen (für Nachbarschafts-Filmabende) sollen gefördert werden. Der Kanton soll zudem mit Kampagnen in die Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit investieren und Klimapreise vergeben. Autofreie Sonntage sind da noch die radikalste Forderung.
Insgesamt nutzt «Basel2030» den Massnahmenkatalog damit auch, um die Förderung eines gemeinschaftlichen Gedankens mit Klimamassnahmen zu verknüpfen. So spricht die Gruppe eine Ausweitung der Demokratie zum Beispiel durch Klimaräte oder Quartierversammlungen an, etwa um «den überproportionalen Einfluss von mächtigen Interessen- und Lobbygruppen» zu vermindern, wie sie schreibt.
Inwiefern Conradin Cramer in der Lage ist, Wirtschafts- und Handelskammerverbände von diesen Ideen zu überzeugen, bleibt eine offene Frage.