Gewerbeverband: Retourkutsche gegen bürgerliche Parteien
Die neue Spitze des Gewerbeverbands sucht nicht nur mit der Linken die Konfrontation. Im Kampf um billige Wahlplakate hat der Gewerbeverband einen Brief geschrieben – mit Ansage an die bürgerlichen Parteien.
Dass der Basler Gewerbeverband die Linke verärgert, ist am Rheinknie fast schon gang und gebe – beispielsweise bei der Ersatzwahl für Beat Jans, als der Verband Politfunktionär Luca Urgese (FDP) und Conradin Cramer (LDP) und nicht die beiden selbstständigen Unternehmer Jérôme Thiriet (Grüne) und Mustafa Atici (SP) empfahl. Oder aber, als im Juli publik wurde, dass er für die anstehenden Gesamterneuerungswahlen nach einem sogenannten Gesinnungstest nur Mitglieder rechts der Mitte unterstützten werde. Das Versprechen, mit dem Führungswechsel politisch etwas unabhängiger oder offener zu werden, stellte sich als leer heraus.
Der Gewerbeverband bringt aber auch immer mal wieder die eigenen Reihen gegen sich auf. So wollen Basler Parteien von links bis rechts ihre Botschaften unter die Basler*innen bringen. Wie Primenews berichtete, möchten jetzt auch Gewerbeverband und Kulturstadt Jetzt für ihre eigenen Kandidat*innen zu einem besseren Preis Wahlwerbung machen. Spätestens da ist es aber vorbei mit der Solidarität unter den bürgerlichen Parteien mit dem bürgerlichen Gewerbeverband. Die Parteien fürchten am Ende weniger eigene Plakate und somit weniger Präsenz im öffentlichen Raum zu haben, sollten neu auch die Verbände von den billigen Kontingenten der Allgemeinen Plakatgesellschaft (APG) profitieren. Die Anzahl der Plakatstellen ist gemäss Bau- und Verkehrsdepartement begrenzt. Und der Gewerbeverband, neu geführt vom SVP-Mann Hansjörg Wilde, der selbst in den Grossen Rat will, kann so bürgerlich sein, wie er will, im Wahlkampf geht die Partei offenbar vor. Auch bei den Rechten.
«Wenn jeder Vereine Kontingente haben möchte, wird es irgendwann eng. Dann würde auch der Gewerkschaftsbund oder der Arbeitgeberverband seine Leute vergünstigt bewerben wollen.»Benjamin von Falkenstein, Wahlkampfmanager LDP
Nach dem Eingreifen der Parteien bei der Plakatgesellschaft kommt jetzt die Retourkutsche des Gewerbeverbandes, der in einem Brief an seine 64 empfohlenen Kandidat*innen sein Erstaunen ausdrückte. Das Schreiben, welches Wilde unterzeichnet hat, liegt Bajour vor. Darin steht: «Wir haben mit Erstaunen und Bedauern festgestellt, dass die bürgerlichen Parteileitungen diese Sistierung initialisiert und es bedauerlicherweise nicht für nötig empfunden haben, ihre Intervention bei der Verwaltung nicht vorab mit dem Gewerbeverband Basel-Stadt zu besprechen. Das Angebot der Verwaltung, die bereits lancierte und letztlich auch bestätigte Kampagne laufen zu lassen und in folgenden Gesprächen die Auslegeordnung für die nächsten Wahlen zu besprechen, wurde von den Parteien ausgeschlagen.»
LDP-Falkenstein: «Als nächstes der Gewerkschaftsbund»
Wahlkampfmanager der LDP, Benjamin von Falkenstein, möchte auf Anfrage von Bajour das Schreiben von Wilde nicht kommentieren. Er rechtfertigt die Intervention der Bürgerlichen aber damit, dass es klare Regeln gebe. Ausserdem sagt er: «Wenn jeder Vereine Kontingente haben möchte, wird es irgendwann eng. Dann würde auch der Gewerkschaftsbund oder der Arbeitgeberverband seine Leute vergünstigt bewerben wollen.»
Dabei hätte die LDP von der Gewerbeverbands-Kampagne profitieren können, immerhin gehören zwei der vier doch sehr prominenten Köpfe auf dem Plakat zur LDP (Lydia Isler-Christ sowie Nicole Strahm-Lavanchy). Allerdings sind auch hier drei der vier Portierten Funktionär*innen und nicht Gewerbler*innen: Tamara Alù (FDP) leitet das Ressort Politik, Wilde (SVP) ist Präsident und Strahm-Lavanchy Leiterin Veranstaltungen. Lediglich Isler-Christ, ebenfalls im Vorstand, führt eine Apotheke. Wieso ausgerechnet diese vier Kandidat*innen derart viel Aufmerksamkeit erhalten, ist Mitstreiter*innen nicht klar, daran ändert auch der QR-Code auf dem Plakat wenig, der auf weitere Empfehlungen verweist.
«Im Sinne der Transparenz wurde im Schreiben auch der Grund kommuniziert, wieso die Kampagne angepasst werden musste.»Hansjörg Wilde, Präsident Gewerbeverband
Auch ohne Kommentar zum Brief von Wilde darf davon ausgegangen werden, dass die bürgerlichen Parteien wenig Freude haben, dass ihr Gewerbeverband sie bei den eigenen Mitgliedern versucht schlecht zu machen. Das Gewerbe und die Bürgerlichen gehören schliesslich irgendwie zusammen. Zumindest betonte das Hansjörg Wilde noch bei Kampagnenstart im August, als er gegen die gewerbeunfreundliche Politik seitens der Linken bzw. ihren «Fraktionszwang» wetterte. Diese Haltung ist bei den Linken umstritten.
Wilde, der derzeit im Ausland weilt, lässt über die Geschäftsstelle ausrichten, dass «der Basler Gewerbeverband mit seinem Schreiben die von ihm unterstützten Kandidierenden dahingehend informierte, dass die Kampagne nicht wie geplant umgesetzt werden kann sondern angepasst werden muss. Im Sinne der Transparenz wurde auch der Grund kommuniziert. Deshalb stellten wir die Mitteilung auch den Parteileitungen zu.»
Bleibt die Frage, ob der Gewerbeverband seinen Platz richtig versteht: Sollte er für die (bürgerlichen) Parteien da sein und diese mit Einschätzungen versorgen? Oder ist es an der Politik, ihm zu rapportieren? Gut möglich, dass dem Verband der Sieg bei der Abstimmung zu den Stadtklima-Initiativen etwas in den Kopf gestiegen ist. Ob das Gewicht des Gewerbeverbands insgesamt so gross ist, bleibt fraglich.