All Eyes on Egeler

Die Grünliberale Regierungsrätin Esther Keller muss als einzige Bisherige in einen zweiten Wahlgang. Sie könnte es schaffen, bräuchte dafür aber die Linken, die sich wohl nur hinter sie stellen werden, wenn die Konkurrenz nicht Eva Biland heisst.

Analyse
Gegen wen muss Esther Keller im zweiten Wahlgang antreten?

Man kann es sich nicht schönreden: Die Grünliberale Regierungsratskandidatin Esther Keller ist nach diesem Wahlmittag in einer äusserst unkomfortablen Lage. Sie muss am 24. November als einzige der sieben bestehenden Regierungsmitglieder in einen zweiten Wahlgang, nachdem sie das Absolute Mehr (23’189) gemäss Endresultaten um 21 Uhr verpasst hat (mit insgesamt 21'863 um 1326 Stimmen). 

Die Grüne Kandidatin Anina Ineichen hat zwar ein beachtliches Resulat erzielt (18'320 Stimmen). Für einen Sprung in die Regierung reicht es aber auch ihr nicht, erfolgreiches Buebetrickli hin oder her. Sie kandidierte ebenfalls fürs Präsidium, was ihr ein paar zusätzliche Stimmen gebracht haben dürfte. Doch LDP-Kandidat Conradin Cramer konnte sich das Amt als neues ESC-Maskottchen problemlos sichern – mit 24'480 Stimmen bei einem Absoluten Mehr von 22'396 Stimmen. Ineichen holte hier 14'439 Stimmen.

Gewählt in die Regierung sind also: Tanja Soland (SP), die mit 34’165 Stimmen ein Spitzenresultat erzielte, Kaspar Sutter (SP) mit 29'395 Stimmen, Conradin Cramer (LDP) mit 28'032 Stimmen, Lukas Engelberger (Mitte) mit 27'872 Stimmen, Mustafa Atici (SP) mit 27'517 Stimmen und Stephanie Eymann (LDP) mit 26'471 Stimmen. 

Regierungsrat Kaspar Sutter, Regierungsraetin Tanja Soland, Regierungsrat Mustafa Atici, Lisa Mathys, Praesidentin der SP Basel-Stadt, Patricia von Falkenstein, Praesidentin der LPD, Regierungsraetin Stephanie Eymann und Regierungspraesident Conradin Cramer, von links, reagieren waehrend der Bekanntgabe der Zwischenresultate, am Tag der Gesamterneuerungswahlen von Regierungsrat und Grossem Rat des Kantons Basel-Stadt, am Sonntag, 20. Oktober 2024 in Basel. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Sowohl die SP als auch die LDP bringt ihre Kandidat*innen bereits im ersten Wahlgang ins Trockene. (Bild: © KEYSTONE / ALESSANDRO DELLA VALLE)

Für den zweiten Wahlgang gibt es nun zwei denkbare Szenarien. Erste Möglichkeit: Die Linken stellen sich gemeinsam hinter Kandidatin Ineichen und die Bürgerlichen hinter Eva Biland (FDP), die mit 15’876 ein eher bescheidenes Resultat gemacht hat, aber doch noch vor Schulterschluss-Kollege Stefan Suter (SVP) landete, der 14'518 Stimmen machte und sich nun zurückzieht, um Biland zu unterstützen. In diesem Szenario würde Keller wohl zwischen den Blöcken zerrieben und eine rot-grüne Mehrheit könnte in Basel Realität werden. Nicht zuletzt auch, weil am 24. November gewichtige Vorlagen zur Abstimmung stehen – wie der Rheintunnel, die Musikvielfaltsinitiative oder das Ausländer*innenstimmrecht, die eine grosse Mobilisierung (von links) erwarten lassen.

Zweite Möglichkeit: Die Bürgerlichen bringen im zweiten Wahlgang ihren alternativen Kandidaten Christian Egeler, der ohnehin vielen in der FDP besser entsprochen hätte; er bringt den grösseren Erfahrungsrucksack mit als Biland und hatte zumindest bis vor dem Wahlkampf den deutlich höheren Bekanntheitsgrad. Egeler ist Chef der Baselbieter Verkehrspolizei, Bauingenieur und war Leiter der Sektion Verkehr im Bundesamt für Raumentwicklung. Er galt demnach als prädestiniert für das Bau- und Verkehrsdepartement, das mit der wackelnden Esther Keller nun mehr denn je im Fokus steht. Die Basis entschied sich dann aber gegen ihn und für Eva Biland. 

Man kann es drehen und wenden wie man will: Mit Egeler hätten die Bürgerlichen im zweiten Wahlgang eine reale Chance, sich gegen Ineichen durchzusetzen, was die Linke dazu bringen könnte, sich gemeinsam hinter Esther Keller zu stellen, ganz nach dem Motto: Eine Grünliberale ist das kleinere Übel im Vergleich zu einer bürgerliche Mehrheit.

Anina Ineichen Wahlen 2024
Anina Ineichen: Kommt sie oder kommt sie nicht? Noch ist unklar, wie sich die Parteien im zweiten Wahlgang verhalten werden. (Bild: Ernst Field)

Der Basler FDP-Chef Johannes Barth schliesst das zweite Szenario am heutigen Sonntag allerdings aus: «Auf keinen Fall» würde Biland durch Egeler ersetzt, sagt er zu Bajour. Wir wagen dennoch zu behaupten, dass die Würfel noch nicht endgültig gefallen sind. Wie in den kommenden Wochen parteiübergreifend zusammengespannt wird, ist noch unklar, die Drähte dürften in den nächsten Stunden und Tagen heiss laufen.

Kleine Verschiebungen

Im Grossen Rat hat sich gemäss Zwischenresultaten übrigens nicht viel, aber doch ein bisschen was verschoben. Die LDP verliert zwei Sitze (André Auderset trat nicht mehr an und Gabriel Nigon verlor seinen Sitz), während Laetitia Block einen für die SVP gewinnt. Das ist, schaut man sich die Prognosen im Vorfeld der Wahlen an, einigermassen harmlos. Die FDP erhält mit Johannes Barth zwar einen neuen Grossrat; der am Mittag prognostizierte Sitzgewinn bleibt indes aus (Parteikollege Beat Braun hat die Wiederwahl verpasst), dafür gewinnt die EVP ebenfalls plus 1 mit Michael Graber. 

Sitze
(Quelle: Kanton)

Dran glauben muss auch hier die GLP, die einen Sitz verliert (es zwar jener von Lukas Bollack) und damit ausnahmsweise dem nationalen Trend folgt. Stehen die Zeichen demnach auch in Basel auf mehr Polarisierung? Bürokratieabbau und Sicherheit auf der einen und Klima sowie soziale Gerechtigkeit auf der anderen Seite? Ein Bedürfnis nach Brückenbauer*innen scheinen die Basler Wähler*innen in diesen Krisenzeiten kaum zu haben, sie befürworten vielmehr klare (manchmal auch ideologische) Positionen.

Die Grünen, die dieses Jahr zum ersten Mal mit einer eigenen Liste angetreten sind, haben zwar einen Sitz verloren (Raphael Furrer musste dran glauben), sind neu gemäss Prozenten aber die viertstärkste Kraft im Parlament (nach SP, SVP und LDP); die Basta behält ihre Fraktionsstärke, gewinnt mit Brigitta Gerber sogar einen Sitz dazu (vielleicht auch danke Regierungsratskandidat Oliver Bolliger, der allerdings nur 14'566 Stimmen machte, seine Kandidatur für den zweiten Wahlgang damit zurückziehen dürfte). Die SP wiederum konnte einen Sitz gewinnen (Mahmoud Ismail).

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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