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«Wie legen wir das Image der bösen, grauhaarigen, kapitalistischen Männerpartei ab?»

Der Banker Johannes Barth will die FDP zurück zum Erfolg führen und zwar durch gute Kommunikation und Vernetzung. Welche Inhalte er denn kommunizieren will, weiss er aber noch nicht.

04/27/21, 03:04 PM

Aktualisiert 05/11/21, 07:01 AM

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Die FDP erlebt gerade harte Zeiten – in Basel-Stadt, wie national. Zuerst verlor die Partei den Nationalratssitz an die LDP. Und im vergangenen Herbst auch noch den Regierungssitz von Baschi Dürr, ebenso wie drei Sitze im Grossen Rat. Jetzt will es die Partei mit einem neuen Mann an der Spitze versuchen.

Die FDP hat am 10.Mai Johannes Barth zum Präsidenten gewählt, flankiert von Eva Biland und Elias Schäfer und weiteren 7 Vorstandsmitgliedern. Sie lösen Luca Urgese und sein Team ab.

Wir von Bajour haben uns bereits vor der Wahl mit Johannes Barth unterhalten, das Interview erschien erstmals am 27.April. Jetzt schalten wir es nochmals auf. Es geht um die Frage: Wohin soll es mit der FDP gehen?

Johannes Barth

Zur Person

Johannes Barth (50) ist Jurist und leitet als Partner und Geschäftsführer eine Basler Privatbank.
Ausserdem ist Barth Musiker und Hobby-Braumeister und Fasnächtler. Und wohl bald auch FDP-Kommunikator.

Johannes Barth, Sie wollen in einer schwierigen Ausgangslage das Ruder der FDP übernehmen. Ihre Partei hat im Herbst den Regierungssitz verloren, Ihr Wähleranteil im Grossen Rat liegt bei 8,4 Prozent. Sie werden Präsident einer Splitterpartei.

Baschi Dürr hat den Sitz ultraknapp verloren, es hat nicht viel gefehlt. Das ermutigt mich. Wenn wir besser kommunizieren, haben wir bei den nächsten Wahlen gute Chancen, auch im Grossen Rat ein zweistelliges Wahlresultat zu machen. Und Corona ist eigentlich ein FDP-Thema.

Corona ist ein FDP-Thema?

Ja, es geht darum, weniger Staat, weniger Kontrolle zu erreichen. Natürlich, der Staat musste jetzt wegen der Shutdowns helfen, das hat die FDP auch vorangetrieben. Aber wenn die Pandemie fertig ist, muss die Wirtschaft wieder von alleine laufen.

Bei der Basler Pandemie-Politik haben alle Parteien an einem Strick gezogen. Und national war ja gerade Ihre Partei gegen verschiedene Hilfsmassnahmen. Wo liegt der FDP-Beitrag?

Die Linie der FDP war: Sofort den Firmen helfen. Und wir sind auch die Partei, welche dazu prädestiniert ist, die Politik nach der Pandemie stark mitzuprägen: Wie lange soll der Staat dann Firmen unterstützen? Wir werden die Partei sein, die mahnt, schnell aufzumachen und in die Normalität zurückzukehren.

«Wir haben für die vergangenen Wahlen viele Frauen aufgestellt, wenn die Leute sie nicht wählen, kann ich auch nichts dafür.»

Johannes Barth über das Frauenproblem der FDP Basel-Stadt

Die FDP Basel-Stadt wollte Firmen schnell unterstützen, ja, etwa mit den Mietbeiträgen. Aber die nationale FDP unterstützte einen ganz anderen Weg. Insbesondere viele Gewerbler*innen und mithin FDP-Stammwähler*innen fühlten sich im Stich gelassen. Wo sehen Sie jetzt genau die spezielle FDP-Linie?

Das ist klar. Aber ich möchte in diesem Interview jetzt nicht wahnsinnig fest in die Sachpolitik eintauchen. Denn ich sitze nicht im Grossen Rat und möchte auch der Arbeit mit dem zukünftigen Vorstand nicht vorgreifen. Sicher ist, dass es das liberale Denken nach der Pandemie dringend braucht.

Nach der Pandemie, bzw. in den nächsten Monaten werden Konkurse erwartet, viele Firmen sind weiterhin auf Kurzarbeit, die Arbeitslosigkeit steigt. Was sind die Rezepte der FDP Basel-Stadt, um diese Probleme anzupacken?

Pah, da müsste ich meine lieben Parteikollegen im Grossen Rat fragen, was sie da am Diskutieren sind. Schlussendlich geht es darum: Die Sofortmassnahmen sind ja jetzt getroffen, jetzt müssen wir fragen: Wie führen wir die Wirtschaft wieder in die Normalität? Erlässt man Schulden, erlässt man keine Schulden? Beispielsweise bei den Beizen, die sind wahnsinnig getroffen.

Was ist Ihre Antwort? Erlässt man die Schulden?

Grundsätzlich geht es darum, dass wir irgendwann wieder in die Normalität zurück müssen. Ich glaube, das sollten wir in einem Jahr wieder diskutieren.

Ich frage jetzt nochmals: Mit welchen Inhalten will denn die FDP mit Ihnen als Präsident die Basler Politik gestalten?

Unser Hauptthema ist es, neue Köpfe reinzubringen. Uns fehlen die bekannten Köpfe, wir müssen uns breiter aufstellen. Der erste Schritt ist der neue, zehnköpfige Vorstand. Zusammen werden wir noch mehr Leute aus der Wirtschaft begeistern, in die Politik einzusteigen. Übrigens besteht der vorgeschlagene Vorstand aus 40 Prozent Frauen.

«Natürlich habe ich Ideen. Aber ich bin ja nicht Alleinherscher, es gibt einen Vorstand und wir definieren den Plan zusammen.»

Johannes Barth über seine Pläne als FDP-Präsident

Sie sprechen es gleich selbst an: Die FDP hat ein Frauenproblem und sie schafft es nicht, urbane, umweltbewusste Wähler*innen anzusprechen. Sie, Herr Barth, werden das neue Gesicht der Partei. Sind Sie jetzt die weibliche urbane Lösung, die die FDP in die Zukunft bringen soll?

Dafür würde ich sehr gerne stehen. Anders als die Öffentlichkeit meint, haben wir in der FDP nämlich schon lange Frauen.

Sie haben eine (1) Frau im Grossen Rat, sie heisst Karin Sartorius-Brüschweiler.

Wir haben für die vergangenen Wahlen viele Frauen aufgestellt, wenn die Leute sie nicht wählen, kann ich auch nichts dafür. Aber wie gesagt, wir kümmern uns darum. Im Vorstand haben wir neu 40 Prozent Frauen, das sind fast die Hälfte. Und bei den Richterinnen und Richtern sind 4 Frauen und 1 Mann und in Riehen sitzt für die FDP Silvia Schweizer im Gemeinderat, die wird immer vergessen.

Ihre direkte Konkurrenz, die LDP und die GLP, hat je eine weiblich Regierungsrätin und eine Parteipräsidentin, bei der GLP kommt noch die Nationalrätin dazu. Bleiben noch Sie und die SVP ohne Frau im Präsidium und ohne Sitz in der Regierung.

Wir werden einen tollen Mix im Präsidium und im Vorstand haben. Das Wichtigste für die FDP ist jetzt: Das Netzwerk ausbauen und Köpfe aufstellen, mit denen man sich identifizieren kann. Die Inhalte ergeben sich aus den Personen. Sicher ist: Wir werden eine Partei, die Lösungen sucht und nicht nörgelt. Wir stehen für Nachhaltigkeit und Fortschritt. Nachhaltigkeit kostet, die muss man sich leisten können, die FDP sucht Lösungen.

«Das ganze FDP-Parteiprogramm ist unter Luca Urgese entstanden, jetzt müssen wir es noch besser kommunizieren.»

Johannes Barth über die Arbeit seines Vorgängers

Haben Sie ein konkretes Beispiel? Aus dem Verkehr, beispielsweise. Das ist eines Ihrer Hauptthemen, wie Sie in einer Medienmitteilung schrieben. Basel-Stadt muss bis 2050 Verbrennungsmotoren verbannen, wie will die FDP das umsetzen?

Wie gesagt, sachpolitisch möchte ich nicht allzu viel sagen, bevor ich gewählt bin.

Aber Herr Barth, Sie müssen doch bereits einen Plan haben, sonst würden Sie doch nicht Präsident werden wollen? Und ich als Wählerin möchte gerne wissen, wofür die FDP in Zukunft steht.

Natürlich, Verkehr ist ein riesen Thema. Wir von der FDP möchten etwa die Elektromobilität vorantreiben, beispielsweise bei der BVB.

Die läuft ja schon in Basel, dank Vorstössen der Linken. Oder war die FDP da federführend und ich erinnere mich nicht?

Mobilität ist definitiv ein FDP-Thema, da ist immer die Frage: Wie finanzieren? Die FDP ist dagegen, dass der Staat alles selbst machen und die Wirtschaft konkurrenzieren soll. Das Gewerbe sollte die Elektrifizierung antreiben.

Letzte Woche hat der Grosse Rat per Motion gefordert, dass die Industriellen Werke über 4000 Ladestation bauen. Die LDP war dagegen, die FDP war dafür.

Genau. In Bern überlegt man sich, ob man aus Strassenlaternen Ladestationen bauen kann. Da gibt es wahnsinnige Projekte.

Aber einen thematischen Plan für die FDP Basel-Stadt haben Sie noch nicht?

Natürlich habe ich Ideen. Aber ich bin ja nicht Alleinherscher, es gibt einen Vorstand und wir definieren den Plan zusammen.

«In Fragen moderner Technologien braucht es die FDP. Wir werden diese Themen mit Leuten aus der Wirtschaft anschauen.»

Johannes Barth über eines der Kernthemen der FDP

Also gut. Sie sagen, Sie wollen die FDP besser mit der Wirtschaft vernetzen und neue Köpfe gewinnen. Die neu gewählte GLP-Baudirektorin Esther Keller, zum Beispiel, hatte auf ihrer Unterstützungsliste die Chefs von verschiedenen Basler Firmen. Die LDP ebenfalls. Warum braucht es die FDP überhaupt noch?

Hui, jetzt kommen Sie aber mit der grossen Keule. Natürlich braucht es uns noch. Die GLP muss sich erstmal finden, aber ich will gar nicht andere Parteien beurteilen. Wir von der FDP haben eine sehr lange Tradition mit dem Gewerbe und dem Arbeitgeberverband. Und es gibt wahnsinnig spannende Leute in der FDP, die in den letzten Jahren nicht wirklich zu Wort gekommen sind, die Vernetzung lag lange brach.

Noch-Präsident Luca Urgese hat sich sehr um prominente Köpfe bemüht. Zu wenig?

Luca hat sehr viel Gutes gemacht. Das ganze FDP-Parteiprogramm ist unter ihm entstanden, jetzt müssen wir es noch besser kommunizieren. Die LDP hat übrigens kein Parteiprogramm**. Und ich glaube, durch meine Tätigkeit in einem KMU und meine Vernetzung in der Wirtschaft kann ich noch mehr gute Köpfe in die Partei holen.

Im März hat die Mehrheit der Basler*innen das Rahmenabkommen mit Indonesien abgelehnt – und das in einem Kanton, der von Aussenhandel lebt. Was macht die FDP für den Aussenhandel?

Das CO2-Gesetz* ist auch so ein Riesenthema. Da braucht es unbedingt eine liberale Perspektive.

Sie weichen aus. Das CO2-Gesetz wird im nationalen Parlament diskutiert. Der bürgerliche Basler Nationalrat heisst Christoph Eymann und sitzt in der LDP. Was könnte denn ein Freisinniger, was ein LDPler nicht kann?

Erstens, sich einmal klar definieren und abgrenzen. Ich meine nicht zur LDP, aber zu einer GLP gibt es schon klare Abgrenzungen. Die macht einen Slalomkurs, ist mal rechts, mal links. Nehmen Sie Regierungsrätin Esther Keller. Während des Wahlkampfs sprach sie ständig über Cleantech, hatte aber keine Lösungen.

Was wären Ihre Lösungen?

Privat fördere ich Startups, die Cleantech machen, etwa Recycling. In der Abfallentsorgung liesse sich noch einiges privatisieren. Das macht die freie Wirtschaft besser als der Staat.

Was möchte die FDP machen, um den privaten Firmen die Arbeit mit Cleantech zu erleichtern? Erklären Sie's mir.

Also, es gibt jetzt wegen des nationalen CO2-Gesetzes die ganze Geschichte mit den Wärmepumpen oder der Erdwärme. Das muss vom Gewerbe klimafreundlich umgesetzt werden. Man muss den KMU auch erklären, dass das eine Investition ist in die Zukunft, die nicht vollkommen liberal ablaufen kann. Da muss der Staat unterstützen.

Wie genau? Ich komme nicht draus, was Sie meinen.

Haha, das nehme ich Ihnen nicht ab.

Doch, wirklich. Also ich weiss: Hausbesitzer*innen bekommen Subventionen für erneuerbare Energien bei Sanierungen und so weiter… Reden Sie davon?

Genau. Also man muss den Hausbesitzer*innen ermöglichen, beispielsweise Heizungen ohne Erdöl einzubauen. Ich bin der Meinung, dass es eine Zusatzsteuer auf Öl oder Benzin braucht, die einen Umweltfonds fliesst. Die Hälfte könnte man für Subventionen für nachhaltige Heizungen etc. brauchen, die andere für die AHV.

Geschieht das nicht?

Nein. Aber genau das sind Fragen, für die es die FDP braucht: Wie kann man in nachhaltige Technologien investieren? Es gibt zum Beispiel Firmen, die nachhaltigen Zement herstellen. Auch hier: Der Staat redet zwar davon, aber recyclebares Zement wird von der Regierung Basel-Stadt nicht eingesetzt.

Doch, das kommt. Letzte Woche hat der Grosse Rat gerade einen Grünen Vorstoss überwiesen, der das fordert. Die LDP war dagegen, was hat die FDP-Fraktion gestimmt?

Ich hatte nicht Zeit, der Debatte zu folgen, so wie Sie.

Warten Sie, ich schaue nach. Tatsächlich: Die FDPler*innen, die anwesend waren, haben Ja gestimmt.

Wenn ich dann gewählter Präsident bin, nehme ich an den Fraktionssitzungen teil, damit ich immer weiss, was gerade diskutiert wird. Denn gerade in solchen Fragen moderner Technologien braucht es die FDP. Wir werden diese Themen mit Leuten aus der Wirtschaft anschauen. Denn wissen Sie: Beim Klimathema funktioniert die reine liberale Lehre nicht. Ebenso wenig bei der Gleichstellung oder bei Rassismus.

«Wir werden frecher und mutiger. Und wir sehen uns als Oppositionspartei.»

Johannes Barth über die zukünftige Ausrichtung der FDP Basel-Stadt

Sind Sie für oder gegen Frauenquoten in Verwaltungsräten?

Ich bin für mehr Frauen in Verwaltungsräten. Da braucht es konstante Aufklärungsarbeit, auch von der FDP.

Ich interpretiere das so: Sie sind gegen Quoten, wollen aber die Wirtschaft motivieren, Frauen anzustellen. Themenwechsel: Unter Luca Urgese hat die FDP eine Drogenliberalisierung gefordert. Gemäss Ihrem Smartvoteprofil sind Sie aber sogar gegen eine Cannabis-Legalisierung. Wie sieht die Drogenpolitik der FDP in Zukunft aus?

Wir werden das mit dem Vorstand diskutieren und es ist ein schwieriges Thema. Ich halte Cannabis nicht für eine harmlose Droge.

Die THC-Werte sind viel höher als früher.

Ja, und auch wenn Sie, Frau Fopp, das jetzt langweilig finden: Ich möchte die Sachthemen wirklich zuerst mit dem Vorstand anschauen. Aber eines kann ich jetzt schon versprechen: Wir werden frecher und mutiger. Und wir sehen uns als Oppositionspartei.

Werden Sie jetzt die Juniorpartnerin der SVP? Die bürgerliche Freundschaft mit LDP und Mitte hat Ihnen ja geschadet bei den letzten Wahlen.

Nein. Wir sind eine Multikulti-Stadt und da haben Ausländerfeindlichkeit oder Diskriminierung keinen Platz. Und darum sind gewisse Statements einer SVP nicht wirklich tragbar.

Bei welchen Themen dürfen die Basler*innen denn eine FDP-Opposition erwarten?

Bei der Erhöhung der Staatsausgaben.

Die hat Ihre Partei unter Luca Urgese immer bekämpft.

Jaja, aber jetzt haben wir die geballte Macht. Ausserdem übersetzen wir unser Parteiprogramm auf Englisch, die erste Fremdsprache in Basel.

Sie wollen mehr Expats ansprechen?

Ja, ebenso wie die Basler Bürger. Schliesslich leben wir in einer Stadt, sind urban, mögen multikulti. Deshalb gehen wir alle gerne nach New York oder London, und nicht, um den dort eingewanderten Texaner zu treffen.

Sie sind für Multikulti, aber auch gegen das Ausländer*innenstimmrecht, im Gegensatz zum abgewählten Regierungsrat, Baschi Dürr, etwa.

Ja, zu einer guten Integration gehört das Bekenntnis zum Land und zur Stadt. Wer mitbestimmen will, kann sich einbürgern lassen.

So argumentiert auch die LDP.

Wir müssen vor allem an unserer Kommunikation arbeiten. Wie können wir das Image der bösen, grauhaarigen, kapitalistischen Männerpartei ablegen?

Also, Herr Barth. Ich fasse etwas bösartig wie folgt zusammen: Sie wollen vor allem für mehr Glitzer und Glamour sorgen in der FDP. Also mehr prominente Köpfe, bessere Kommunikation, mehr urbanes, nachhaltiges Image. Inhaltlich haben Sie kein neues Programm, sondern führen die Arbeit von Luca Urgese weiter. Richtig?

Communication is key. Und die Inhalte werden wir jetzt im Vorstand, zusammen mit der Fraktion, erarbeiten.

Okay, aber ich denke, die Wähler*innen möchten gerne wissen, welche Politik Sie verfolgen. Deshalb mache ich Ihnen einen Vorschlag: In sechs Monaten treffen wir uns wieder zum Gespräch und dann erzählen Sie mir von den FDP-Inhalten. Sind Sie dabei?

Abgemacht.

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*Nachdem das Interview geführt wurde, hat die Basler FDP das Co2-Gesetz knapp zur Ablehnung empfohlen.

** Nach dem Interview meldete sich die LDP via Twitter mit Verweis auf ihr Parteiprogramm.

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