Nur irgendein Late-Night-Show-Moderator?

Die Angriffe auf die Meinungsfreiheit und auf die informierte Bevölkerung nehmen zu. Nicht nur in den USA auf Jimmy Kimmel und Co. Auch in der Schweiz, indem man dem Journalismus eine zukunftsgerichtete Medienförderung verweigert und ihn abhängig macht von teils intransparenten privaten Geldgeber*innen.

This image released by Disney shows Jimmy Kimmel hosting his late night show "Jimmy Kimmel Live!" in Los Angeles on Tuesday, Sept. 23, 2025. (Randy Holmes/Disney via AP)
Donald Trump würde den Moderator Jimmy Kimmel gern gecancelt sehen. (Bild: Randy Holmes/Disney via AP)

Der Präsident der Vereinigten Staaten versucht mit all seiner Macht, Kritiker*innen ruhig zu stellen. Das Wort Einschüchterung fühlt sich für dieses Vorgehen noch zu sanft an. Die Meinungsäusserungsfreiheit endet für Trump dort, wo die Meinung der Andersdenkenden beginnt. Der Autokrat, der unfassbarerweise erst seit acht Monaten im Amt ist, hat das Schlimmste vermutlich noch vor sich. Das Antidemokratischste, zu dem diese Administration fähig ist, haben wir vermutlich noch nicht gesehen.

Colbert? Kimmel? Warum sollte uns interessieren, wenn irgendein Late-Night-Show-Moderator in den USA abgesetzt wird? Weil Journalismus, Satire und Kunstfreiheit immer als Erstes unter Beschuss stehen, wenn in einer Demokratie das Licht ausgeht. Das Vorgehen ist schleichend. Man droht, sich daran zu gewöhnen. Die kritischen Medien werden nicht einfach nur angegriffen, sondern unterwandert. Die Not macht erpresserisch. Rein ökonomisch. Und Desinformation ist Teil der hybriden Kriegsführung. Neben Drohnen und Robotern, prägen Lügenbots und Troll-Armeen die militärischen Auseinandersetzungen unserer Zeit.

Die Angriffe auf Kimmel und Colbert sind das, was Demokratiefreund*innen weltweit beunruhigen muss. Erstens, weil es so schnell und so einfach geht. Zweitens, weil es überall passieren kann.

Die erpresserischen Angriffe auf Kimmel und Colbert sind das, was Demokratiefreund*innen weltweit beunruhigen muss. Erstens, weil es so schnell und so einfach geht. Zweitens, weil es überall passieren kann. Die gut informierte Bevölkerung ist der Feind der Despot*innen und der Antidemokrat*innen. Sind wir uns da einig in der Schweiz? Leider nein. 

Man denke an die Halbierungsinitiative, das ersatzlose Streichen des Medien-Service-Public, ein glasklarer Angriff auf die öffentlich-rechtliche Berichterstattung. In die Lücke sollen Medien springen, bei denen unklar ist, wer genau sie finanziert (Nebelspalter), oder die eine eindeutige politische Agenda verfolgen (Weltwoche), Medien, bei denen journalistische Standards keine hohe Priorität haben und der über die handwerklichen Standards wachende Presserat als linkes Gewerkschaftsgremium verunglimpft wird.

Wir leisten wir uns den Luxus, den kommerziellen medialen Niedergang mit Förderansätzen aus der Zeit des Schwarz-Weiss-Fernsehens zu begleiten.

Der Druck auf die Meinungsfreiheit nimmt umso schneller zu, wenn Medien finanziell erpressbar sind. Aber haben wir langsam begriffen, weshalb das ein Problem ist?

Diese Woche gab es auch in Basel Anlass, über Journalismus nachzudenken und darüber, ob sich der Kanton eine Medienförderung leisten will. Grund war eine Motion von GLP-Grossrat Johannes Sieber, der die Förderung von Kulturjournalismus fordert. Der Regierungsrat lehnt eine Medienförderung ab, weil sie die «Unabhängigkeit der Medien gefährden» könne. Auch solle es kein «Sonderzügli» für die Kultur geben. Am Ende folgte der Grosse Rat der Empfehlung des Regierungsrates knapp (mit Stichentscheid), sodass die Motion gemeinsam mit einem bereits bestehenden Anzug zur kantonalen Medienförderung behandelt wird. 

Auf diesen Entscheid wartet nicht zuletzt Bajour sehr gespannt. Denn während es indirekte staatliche Medienförderung für Radios (Radio X), Fernsehen (Telebasel) und Printmedien wie die Baz und die bz gibt, bleiben reine Online-Medien – wie Bajour, Onlinereports und Prime News – bislang aussen vor.

Während eine Studie nach der nächsten erscheint, die den Zusammenhang zwischen einer uninformierten Bevölkerung und dem Zerfall der demokratischen Kultur belegt, leisten wir uns den Luxus, den kommerziellen medialen Niedergang mit Förderansätzen aus der Zeit des Schwarz-Weiss-Fernsehens zu begleiten. Einfach, damit partout keine neue – ebenfalls geförderte – Konkurrenz für die alten Player entsteht. Seit drei Jahrzehnten dauert nun die Reformblockade der Medienförderung – im vermeintlichen Sinne der alten Verlagshäuser und diametral entgegen den Interessen der informierten Bevölkerung. 

Die Abhängigkeit gegenüber privaten Sponsor*innen besteht mindestens genauso wie bei einer direkten staatlichen Förderung.

Die glaubwürdige Information wird vermutlich so etwas wie ein Kulturgut werden, das sich die aufgeklärte Gesellschaft leisten muss. Sonst wird sie manipuliert und Fakten zu Glaubensfragen. Solange es aber keine vernünftige Medienförderung gibt, gibt es eine grösser werdende Finanzierungslücke. In diese Lücke springen immer häufiger private Geldgeber*innen, zum Beispiel auch Stiftungen. Sie können entscheiden, welche Medien sie fördern oder ob sie eine neue Publikation gründen. Das gibt vermögenden Menschen viel Macht, da sie die Medienlandschaft beeinflussen können. Die Abhängigkeit gegenüber privaten Sponsor*innen besteht mindestens genauso wie bei einer direkten staatlichen Förderung. Der Unterschied wäre: Käme die Förderung vom Staat, würde zumindest versprochen, dass alle gleich gefördert werden. Und ausserdem wäre die Förderung transparent.

Solange dies nicht der Fall ist, gibt es weiterhin Medien, aber wir werden schwächer. Und mit ihr die rationale Debatte und die direkte Demokratie.

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