SVP, entschuldige dich

Was tun gegen digitale Hetze? Die Schule macht's vor: Cyber-Mobber*innen kann man stoppen. Aber man muss wollen. Doch Andreas Glarner muss sich offenbar nicht mal entschuldigen.

Nationalrat Andreas Glarner (ZH) spricht an einer Medienkonferenz der SVP zur Schweizer Asylpolitik, am Dienstag, 31. Januar 2023, in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Bis jetzt wurde Andreas Glarner von seiner Partei zu keiner Entschuldigung gedrängt. (Bild: © KEYSTONE / ANTHONY ANEX)

Da veröffentlicht Andreas Glarner aufgrund des Gendertages die Telefonnummer einer einfachen Stäfener Sozialarbeiterin, so dass diese massiv bedroht wird.

Und die Chefredaktorin des Tages-Anzeigers nimmt diese digitale Hetze gegen eine «ganz normale Frau» und verbindet sie mit einer Diskussion über das Gender-Sternchen.

Das ist, als würde ein Primarschüler auf Facebook eine Cyber-Mobbingjagd auf eine Mitschülerin lostreten, weil sie eine Regenbogenfahne trägt. Doch anstatt dass die Schulleiterin nachher über die digitale Hetze spricht, diskutiert die Schule darüber, ob es legitim ist, sich für LBTQIA+-Anliegen einzusetzen.

Natürlich, über gendergerechte Sprache kann man diskutieren. Aber nach dem Fall Stäfa muss man sich doch fragen: Wie hält man einen nationalen SVP-Politiker ab, derart zu entgleisen? Wie schützt man Bürger*innen vor der digitalen Hetze?

Nach dem Fall Stäfa muss man sich doch fragen: Wie hält man einen nationalen SVP-Politiker ab, derart zu entgleisen?

Suchen wir noch einmal im schulischen Umfeld nach Lösungen. Studien zeigen: Cyber-Mobber*innen kann man stoppen. Aber nur, wenn Eltern und Lehrpersonen sich zusammentun und den Kindern zu verstehen geben: Wir tolerieren das nicht. Und wenn die anderen Kindern sich trauen, der*dem Anführer*in zu sagen: Wir machen nicht mit. 

In Andreas Glarners Fall wären das: Seine SVP-Kolleg*innen. Da ist offenbar wenig zu erwarten. Bis jetzt hat Lukas Bubb, Präsident der SVP-Stäfa, öffentlich kritisiert, dass es zu Gewalt­androhungen gekommen sei. Und die Zürcher Kantonsrätin Susanne Brunner. Von den SVP-Grössen: niemand. (Die Republik hat eine lesenswerte Auslegeordnung gemacht).

Weiten wir den Kreis aus: Was ist mit anderen Parteien?

Wichtigste Partnerin der SVP ist die FDP, so strebt sie immer wieder Listenverbindungen an.

Doch während die bürgerlichen Parteien in Basel-Stadt sich einmal mehr von der SVP distanzieren (man erinnere sich an die «Sauhaufen»-Affäre), geht die FDP Baselland wieder mit der SVP in die Wahlen. Präsident Ferdinand Pulver findet Glarners Entgleisung auch «total daneben und undemokratisch», wie er Bajour sagt. Doch: «Gegen diese digitale Hetze nützt es nicht, wenn wir jetzt im Kanton Baselland handeln. Die Listenverbindung zu stoppen, nützt niemandem und schadet uns selbst.» Stäfa liege schliessilch in Zürich und Glarner sei Präsident der Aargauer Sektion. 

Ferdinand Pulver FDP

«Die Listenverbindung zu stoppen, nützt niemandem und schadet uns selbst.» 

– Ferdinand Pulver, FDP-Präsident Baselland

Pulver glaubt, dass es sich bei Glarner um einen «Einzeltäter» handelt, das habe es schon immer gegeben. Der Mehrheit der Politik sei der Anstand wichtig.

Warum kommt da so wenig? Die SVP selbst fürchtet vielleicht, im Wahljahr als zerstritten aufzutreten. Und hofft, mit dem Genderthema zu mobilisieren. Ob das klappt?

Umfrage zur gendergerechten Sprache

Die Tamedia-Zeitungen haben gestern eine Umfrage vom Institut LeeWas veröffentlicht. Sie zeigt, dass 60 Prozent der Befragten nicht auf eine gendergerechte Sprache achten. Aber ob ihre Anti-Genderpolitik ihr wirklich Wähler*innen mobilisiert, wird aus der Studie nicht klar, wie einer der Autoren, Lucas Leemann auf Anfrage schreibt. Eine inhaltliche Diskussion über Gleichstellung der Geschlechter könnte für die SVP auch demobilisierend wirken. «Aber all das hängt davon ab, welche konkreten Inhalte dann in diesem Themenkomplex diskutiert werden.»

Andreas Glarner hat sich bis heute nicht für seine Entgleisung entschuldigt. Er könne nicht für das Überborden einzelner verantwortlich gemacht werden, sagte er 20 Minuten.

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Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

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