Code of inkonsequent
Studierende der Uni Basel kämpfen nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung dagegen, dass zwei Professoren weiter unterrichten dürfen. Zumindest bei einem von ihnen gilt der Fall als bestätigt. Dass die Uni hier keine personellen Konsequenzen zieht, ist nicht nachvollziehbar, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Ein bewiesener und ein mutmasslicher Fall sexueller Belästigung lassen die Uni Basel nicht los. Es gibt einen Beitrag im SRF, Proteste, ein Theaterstück und nun eine Petition, die sich mit Missbrauchsfällen an der Uni Basel beschäftigen. Die Petition soll der Uni morgen am Weltfrauentag überreicht werden. Es ist gleichzeitig ein offener Brief von Studierenden, in dem sie die Entlassung zweier Professoren fordern, gegen die es Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gibt. In einem der Fälle ist die Belästigung offiziell belegt, es ist im Gutachten von einer «klaren Ausnutzung» der Vorgesetztenposition die Rede.
Beide Professoren arbeiten noch heute an der Uni Basel. Beide erhielten eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung. Die betroffenen Studentinnen haben die Uni verlassen, eine hat nach sieben Jahren ihre Dissertation abgebrochen.
Zumindest in dem Fall, für den die sexuelle Belästigung belegt ist, hätte die Uni durchaus personelle Konsequenzen ziehen können – auch ohne Code of Conduct.
«Diskriminierung, Mobbing und sexuelle Belästigung werden nicht geduldet», heisst es im Code of Conduct, dem Verhaltenskodex der Uni Basel, den sie als Massnahme nach den Vorfällen verabschiedet hat. Auf dem Papier stellt die Uni hohe moralische und ethische Anforderungen an alle Angestellten und Studierenden. Unter «duldet nicht» kann man eigentlich nur Zero Tolerance verstehen. Von «duldet im Wiederholungsfall nicht», steht dort jedenfalls nichts.
Die beschuldigten Professoren dürfen weiterhin Hiwis einstellen und Doktorand*innen betreuen, prangern die Studierenden an. Damit würden Studierende einer Gefahr ausgesetzt. Auf die vermeintliche Untätigkeit reagieren Studis mit illegaler Selbstjustiz. Aktivist*innen outeten die Namen auf Plakaten auf dem Campus.
In einem Interview mit der Basler Zeitung sagte Uni-Vizerektorin Nadja Braun Binder, die Uni habe aus ihrer Sicht in beiden Fällen rechtlich gar nicht die Möglichkeit gehabt, den Professoren zu kündigen. Das gilt zumindest für den Fall, für den die sexuelle Belästigung belegt ist, nicht. Hier hätte die Uni durchaus personelle Konsequenzen ziehen können – auch ohne Code of Conduct.
Wenn selbst ein Fall, in dem ein Professor erwiesenermassen seine Machtposition ausgenutzt hat, keine einschneidenden Konsequenzen nach sich zieht, wirkt das nicht abschreckend auf Täter*innen, sondern auf Opfer solcher Taten.
In einem PR-Interview der Uni heisst es: «Wir meinen das ernst mit der Nulltoleranz. Wir akzeptieren keine Verletzung der persönlichen Integrität, weder Diskriminierung noch Mobbing noch sexuelle Belästigung.» Genau dieses Prinzip wird bei der gesicherten Belästigung jedoch nicht angewendet. Es ist daher nachvollziehbar, wenn die Betroffene im SRF-Kassensturz-Beitrag sagt, in ihrem Fall habe es nur Täterschutz und keinen Opferschutz gegeben. Die Uni muss ihre Angestellten schützen, sie hat aber auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Studierenden.
Und wichtig ist das Signal, das die Hochschule mit ihrer «Ein-bisschen-Tolerance»-Praxis aussendet. Wenn selbst ein Fall, in dem ein Professor erwiesenermassen seine Machtposition ausgenutzt hat, keine einschneidenden Konsequenzen nach sich zieht, wirkt das nicht abschreckend auf Täter*innen, sondern abschreckend auf Opfer solcher Taten. Und das kann weder im Sinne eines Code of Conducts noch im Sinne unserer Gesellschaft sein.