Wie sieht eine richtige Gesinnung aus?

Wenn einige Sätze in einem offenen Brief bereits als gesetzte Meinung eingestuft werden und auf ihnen basierend die Karriere einer Person infrage gestellt wird, ist das ein Armutszeugnis der demokratischen Debatte. Ein Kurzkommentar von Bajour-Co-Chefredaktorin Ina Bullwinkel zur Kontroverse um Mohamed Almusibli

Almusibli Ina
Kunsthallen-Direktor Mohamed Almusibli sieht sich schon Stellenantritt einer Kontroverse ausgesetzt. (Bild: Yumna Al-Arashi/Foto Stüdyo Silek)

Im Fall des designierten Direktors der Basler Kunsthalle schien es ausgemacht (Bajour berichtete): Mohamed Almusibli hat zwei offene Briefe unterschrieben, die sich mit den Menschen im Gaza-Streifen solidarisieren, Waffenstillstand fordern und Israels Angriffe auf Zivilist*innen kritisieren. In den Texten wurde jedoch nicht der verheerende Angriff der Hamas erwähnt oder verurteilt (unter einem wurde dies später nachgeholt). Der Terrorangriff auf Israel war brutal und menschenverachtend. Diesen in Solidaritätsbekundungen mit Gaza nicht zu erwähnen, wird zurecht kritisiert.

Aber was sind das für Zeiten, in denen einzelne strittige Sätze (sofern aus diesen die politische Gesinnung gänzlich hervorgeht) dazu führen, dass sich eine Zeitung bei Geldgeber*innen meldet, da die rechte Gesinnung angezweifelt wird? Und nach der Zeitung versteigt sich auch der Bundesratskandidat Jans zur geforderten Gesinnungsprüfung.

Mohamed Almusibli

Nach der Berichterstattung über den designierten Direktor der Kunsthalle haben über 2000 Künstler*innen einen Solidaritätsbrief unterschrieben. Sie sorgen sich um die Meinungsfreiheit. Und Arbeitsrechtler Thomas Geiser stuft die Aussagen von Regierungspräsident Beat Jans als «heikel» ein.

zum Artikel

Die von Bajour eingeholte Einschätzung des Arbeitsrechtlers Thomas Geiser sollte man sich deutlich vor Augen führen: Arbeitgeber*innen dürfen ihre Angestellten nicht dazu bringen, eine bestimmte politische Meinung zu vertreten. Gerade ein Regierungspräsident sollte keinen Druck in diese Richtung ausüben. Auch wenn die Äusserung des Gegenübers noch so schwer nachzuvollziehen ist.

Wie sieht eine richtige Gesinnung aus? Wer legt das fest? Hier begibt man sich in gefährliches Terrain. Sowohl die grösste Zeitung als auch der Regierungspräsident von Basel sollten dringend prüfen, wie sie es mit der Meinungsfreiheit halten.

In einem offenen Brief einzelne Sätze zu hinterfragen, ist ein wichtiger Teil des Diskurses. Wenn diese Sätze aber bereits als gesetzte Meinung eingestuft und auf ihnen basierend die Karriere einer Person infrage gestellt wird, ist das ein Armutszeugnis der demokratischen Debatte.

Vogel und Herz
Wir stehen für unabhängigen Journalismus

Unterstütze uns und werde Member.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Catherine Miville-2

Cathérine Miville am 19. Mai 2025

Macht der Bilder

Mit dem ESC gastierte eine der bildgewaltigsten Shows in Basel. Doch der Vatikan lief dem Musikwettbewerb den Rang ab, wenn es ums Thema Inszenierung geht, findet Bajour-Kolumnistin Cathérine Miville.

Weiterlesen
Abstimmungsonntag Standortpaket

Helena Krauser am 18. Mai 2025

Wieder einmal gewinnt das Velo – und jetzt?

Mit 59,21 Prozent Ja-Stimmen hat Basel dem Gegenvorschlag zur Velo-Initiative den Vorzug gegeben. Die flexiblere Option hat überzeugt, lässt aber in beiden politischen Lagern Fragen offen.

Weiterlesen
Velokomm

Valerie Zaslawski am 18. Mai 2025

Ein Kompromiss bis weit in die Mitte

Mit dem Gegenvorschlag zur Velo-Initiative soll die Sicherheit für Velofahrende verbessert werden. Das ist dringend nötig. Um nun keinen Parkplatzstreit vom Zaun zu brechen, sollte der Kanton die Auslastung von Tiefgaragen erhöhen. Ein Kommentar.

Weiterlesen
ESC Politisch Wochenkommentar Israel

Ina Bullwinkel am 16. Mai 2025

Der ESC kann nicht unpolitisch sein

Es ist eine Binsenweisheit, dass der ESC gern unpolitisch wäre, es aber nicht ist. Zu viele Beispiele zeigen, wie der Gesangswettbewerb in der Vergangenheit genutzt wurde, um politische Botschaften zu senden. Er ist ja selbst als politisches Statement gegründet worden.

Weiterlesen
Ina Bullwinkel Porträt

Das ist Ina (sie/ihr): Nach journalistischen Stationen u. a. in Bremen (Volontärin, Weser-Kurier) und Berlin (Redaktorin am Newsdesk, ntv.de) hat es Ina mitten in der Corona-Pandemie zu Bajour verschlagen. Dank Baseldytsch-Kurs hat sie sich schnell dem Dialekt der Einheimischen angenähert – ihre Mundart-Abenteuer hält sie regelmässig im Basel Briefing fest. Seit April 2023 ist Ina Chefredaktorin und im Wochenkommentar «Bullwinkels Blickwinkel» teilt sie einmal die Woche ihre Meinung zu aktuellen (meist politischen) Themen.

Kommentare